# taz.de -- Freie Wahl in Tunesien: Die Macht der Massen, Fortsetzung
       
       > Der arabische Frühling hatte seinen Ursprung in Tunesien. Neun Monate
       > nach dem Sturz von Ben Ali können die Bürger nun erstmals frei eine
       > verfassungsgebende Versammlung wählen.
       
 (IMG) Bild: Historischer Augenblick: Eine Frau gibt in Tunis ihr Stimme ab.
       
       TUNIS dpa | In Tunesien haben am Sonntag die ersten freien Wahlen in der
       Geschichte des Landes stattgefunden. Neun Monate nach dem Sturz von
       Langzeitherrscher Zine el Abidine Ben Ali durften rund sieben Millionen
       Wahlberechtigte die 217 Mitglieder einer verfassungsgebenden Versammlung
       bestimmen. Diese soll eine neue Übergangsregierung benennen und ein
       Grundgesetz erarbeiten. Spätestens in einem Jahr sind dann Parlaments- und
       Präsidentschaftswahlen geplant.
       
       Vor vielen Stimmlokalen bildeten sich bereits kurz nach der Öffnung lange
       Schlangen. "So etwas hat es in Tunesien noch nie gegeben", berichteten
       Augenzeugen. Nach Angaben der EU-Wahlbeobachtungsmission kam es vereinzelt
       auch zu Chaos. "Die Wahllokale sind aber überall offen", sagte
       Delegationsleiter Michael Gahler.
       
       Mit Spannung wird erwartet, welches politische Lager in der
       verfassungsgebenden Versammlung die Mehrheit stellen wird. Für die 217
       Sitze kandidieren 11.618 Kandidaten. Umfragen zufolge könnte die
       islamistische Ennahdha-Bewegung von Rachid Ghannouchi mit 20 bis 30 Prozent
       der Stimmen die stärkste Einzelpartei werden. Sie hat allerdings nur wenige
       mögliche Koalitionspartner und damit nur geringe Aussichten, die politische
       Führung zu übernehmen.
       
       "Das ist ein historischer Tag. Ich bin 70 Jahre alt und es ist das erste
       Mal, dass ich wähle", sagte Ghannouchi am Sonntagmorgen. "Ich erwarte, dass
       unsere Bewegung das beste Ergebnis holen wird. Wir werden aber auch dem
       Sieger gratulieren, wenn er nicht Ennahdha heißt." Ghannouchi dementierte
       zugleich Medienberichte, wonach er im Fall einer Niederlage mit
       Protestaufrufen gedroht habe. "Ich habe nur vor Wahlfälschungen gewarnt",
       sagte der Politiker.
       
       Erste Ergebnisse aus den 27 tunesischen Wahlkreisen sollen bereits am
       Sonntagabend bekanntgegeben werden. Ein vorläufiges Endergebnis wird für
       Montag erwartet. Die EU entsandte insgesamt 180 Wahlbeobachter.
       
       Der Ablauf der Wahlen wird auch im Ausland mit großem Interesse verfolgt.
       Im Januar hatten die Tunesier als erstes Volk in der Region erfolgreich
       gegen die autoritäre Herrschaft ihrer Führung rebelliert. Tunesien wird
       deshalb auch als Mutterland des "arabischen Frühlings" bezeichnet. Der
       gestürzte Herrscher Ben Ali lebt seit seiner Vertreibung in Saudi-Arabien
       im Exil.
       
       Der Urnengang zudem als erste freie Wahl in der Geschichte des
       nordafrikanischen Mittelmeerlandes. Seit der Unabhängigkeit von Frankreich
       im Jahr 1956 gab es mit Habib Bourguiba und Ben Ali gerade mal zwei
       Präsidenten.
       
       23 Oct 2011
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Arabischer Frühling in Tunesien: Keine Angst vor den Islamisten
       
       Nein, es droht kein islamistischer Flächenbrand am Südufer des Mittelmeers.
       Und nein, die tunesischen Islamisten sind keine Gefahr für die Revolution.
       
 (DIR) Wahlen in Tunesien: Islamisten liegen vorn
       
       Die islamistische Partei Ennahda hat Tunesiens erste freie Wahlen klar
       gewonnen. So viel ist schon klar, auch wenn das offizielle Ergebnis noch
       aussteht.
       
 (DIR) Erste freie Wahlen in Tunesien: Es naht der Arabische Herbst
       
       Neun Monate nach der Revolution gibt es freie Wahlen. Die Unzufriedenheit
       über das Ausbleiben des Wandels dürfte den Islamisten nützen.
       
 (DIR) Tunesiens Wirtschaft schwächelt: Der Preis der Revolution
       
       Der Übergang zur Demokratie kostet die Tunesier Geld. Die
       Lebensmittelpreise steigen. Derweil wächst die Arbeitslosigkeit. Und auch
       der Tourismus geht zurück.
       
 (DIR) Tunesien vor der ersten freien Wahl: "Die Revolution der jungen Frauen"
       
       Drei Frauen berichten, wie die Realität nach dem Umsturz aussieht. Zwar
       befürworten alle Parteien die Gleichberechtigung, mit der Realität habe das
       aber wenig zu tun.