# taz.de -- Führungsfigur Sahra Wagenknecht: Die linke Linke
       
       > Sahra Wagenknecht ist zu einer Führungsfigur der Linkspartei geworden.
       > Weil sie bleibt, was sie ist - konsequent. Sie könnte Parteivorsitzende
       > werden. Will sie das?
       
 (IMG) Bild: Intelligente Härte? Sahra Wagenknecht.
       
       BERLIN taz | Neuerdings lacht sie ab und an. Sahra Wagenknecht, in deren
       Zügen man sonst allenfalls ein zögerliches Lächeln entdecken konnte,
       scheint es gut zu gehen. Wenn sie lacht, dann heben sich in ihrem aparten
       Gesicht die Mundwinkel, der Kopf mit der dunklen Steckfrisur legt sich
       leicht in den Nacken - und für einen Moment fällt die Kühle von ihr ab, die
       viele an ihr spüren.
       
       Diese intelligente Härte. In letzter Zeit lacht sie also. Sahra
       Wagenknecht, die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, hat allen
       Grund dazu. Und das, obwohl sie gerade eine Abfuhr erteilt bekommen hat.
       
       Denn Fraktionschef Gregor Gysi hat am Dienstagabend erfolgreich verhindert,
       dass ihm die Parteilinke Wagenknecht als Kovorsitzende zur Seite gestellt
       wird. Stattdessen soll sie nun "Erste Stellvertretende
       Fraktionsvorsitzende" werden, gemeinsam mit Cornelia Möhring wird sie damit
       in ein Amt gehievt, das eigens dafür geschaffen wird.
       
       Gysi nennt das "eine Lösung, mit der die Mehrheit in der Fraktion zufrieden
       ist". Wagenknecht schweigt zu dem Ergebnis und hat sich am Mittwoch
       krankgemeldet.
       
       ## Schönstes Gesicht des Kommunismus
       
       Sie muss sich nicht äußern, wie sie überhaupt nie klar gesagt hat, was sie
       an Ämtern und Funktionen beansprucht. Selbst wenn sie nicht
       Fraktionsvorsitzende wird, kann sie Parteichefin werden. Die Politik, die
       Partei, die Medien, sie selbst - alle haben dazu beigetragen, dass Sahra
       Wagenknecht jetzt als Figur gilt, die führen kann. Eine Kandidatin. Wer
       hätte das gedacht?
       
       Bis vor anderthalb Jahren galt Sahra Wagenknecht als schönstes Gesicht des
       Kommunismus und als klügster Kopf des Antikapitalismus. Die Frau aus dem
       Osten, die in der Nacht des Mauerfalls zu Hause blieb, um Kants "Kritik der
       reinen Vernunft" zu lesen. Die über die DDR noch heute sagt, sie habe sie
       sich "anders gewünscht, nicht, dass sie kaputtgeht". Die lieber allein zu
       Hause blieb, als in den Kindergarten zu gehen.
       
       Die als Abiturientin aus Frust nicht essen konnte, weil sie im
       Zivilverteidigungsunterricht Gleichschritt üben musste. Die noch 1989 in
       die SED eintrat, um später in der PDS schillernde Vertreterin der
       linksorthodoxen Kommunistischen Plattform zu werden. Die sich seit
       anderthalb Jahren als moderate Vizeparteichefin präsentiert und das mit den
       Worten begründete: "Wer sich in zwanzig Jahren überhaupt nicht verändert,
       ist wohl ziemlich borniert."
       
       ## "Im Sandkasten spielen fand ich langweilig"
       
       Diese Frau also gilt nun als politische Option. Wie das? Vor allem wohl,
       weil sie in der Lage ist, selbst Laien etwas so Saukompliziertes wie die
       Finanzkrise zu erklären. In Talkshows sieht man sie stoisch mit
       durchgedrücktem Kreuz vom Ende des Kapitalismus sprechen. Keiner keift sie
       mehr nieder wie früher. Im Gegenteil, das Publikum applaudiert kräftig,
       wenn sie anprangert, wie die Banken ihre Verluste zu vergesellschaften
       versuchen.
       
       Sie schaut dann aus ihrem karminroten Schalkragenkleid, die schmalen Hände
       hat sie übereinandergelegt. Man weiß nicht, ob ihr die Zustimmung der Leute
       irgendetwas bedeutet. Nur eine Haarsträhne zittert leicht.
       
       Es sind Momente wie diese, in denen Sahra Wagenknecht sich und ihrem
       eigenen Fortkommen im Weg steht. Denn diese vertrackte Partei namens Die
       Linke, dieser Mix aus PDS und WASG, braucht nicht nur Hochbegabte, sondern
       auch Charismatiker. Dringend. Leute wie Gregor Gysi, die auch das linke
       Herz höherschlagen lassen.
       
       Die mal einen Witz reißen oder gehobenen Nonsens verzapfen und dabei doch
       Durchblick und Machtbewusstsein verkörpern. In Bezug auf das, was
       Personaler Soft Skills nennen, kann Wagenknecht da nicht mithalten.
       Genossen aus der Fraktion klagen über ihre Unfähigkeit zum Smalltalk, über
       jene klamme "Fahrstuhlatmosphäre", die sie verbreite.
       
       ## "Gern allein"
       
       Schaut man sich ihr Leben an, zieht sich dies Unverbundene durch wie ein
       roter Faden. Aufgewachsen ist sie bei den Großeltern in einem thüringischen
       Dorf. Ihre Mutter ist Galeristin in Berlin, den Vater, einen Iraner, kennt
       sie nicht. Als Kind weigert sie sich, in den Kindergarten zu gehen.
       
       "Einfach nur im Sandkasten spielen fand ich langweilig", sagte sie letztes
       Jahr in einem taz-Interview. "Ich war ein Kind, das gern allein war." Hatte
       sie Freunde? Ja, antwortet sie, "aber ich wollte mich immer auch
       zurückziehen können."
       
       Sie braucht dies Zurückgezogene tatsächlich. Man erkennt es, wenn sie beim
       Parteitag am vergangenen Wochenende drei Tage diszipliniert auf ihrem Platz
       in der ersten Reihe thront. Sie lauscht den Reden, tippt SMS, macht
       Notizen. Man sieht sie weder essen noch trinken. Sie ist da. Sie zollt
       Respekt. Mehr geht nicht. Sie macht sich nicht anheischig.
       
       Noch vor zwei Jahren war dieses Unnahbare ein gewichtiger Grund, Sahra
       Wagenknecht für eine Fehlbesetzung zu halten, wenn es um die
       Außendarstellung von Partei und Fraktion ging. Aber die Zeiten haben sich
       geändert.
       
       Die Linkspartei ist in den Umfragen von knapp 12 auf 6 Prozent abgerutscht.
       Europa ächzt unter der Finanzkrise, es ist hohe Zeit für linke Ideen - aber
       die Genossinnen und Genossen zerreiben sich lieber in Flügelkämpfen und
       streiten über Regierungsoptionen, die ihnen derweil in den Ländern Stück um
       Stück wegbrechen.
       
       ## Von Empathie ist nicht die Rede
       
       Die kluge Sahra Wagenknecht aber bleibt, wer sie ist: eine stramm linke
       Linke. Ihre Zuverlässigkeit, die auch Gregor Gysi lobt, zeichnet sie aus.
       Selbst Reformer müssen anerkennen, dass sie in der Krise fest bleibt. Ihr
       geht es tatsächlich um Politik. Von Empathie ist nicht die Rede.
       
       Fragt sich nur, welche Rolle sie in der Linkspartei übernimmt. Sie, die nie
       aufsteht und sagt: Das will ich! Das nicht!
       
       Nun, da der Fraktionsvorsitz perdu ist, bliebe der Parteivorsitz. Sie
       müsste jetzt mal sagen, dass sie den will. Wenn sie ihn will. Sie müsste
       das Risiko eingehen, zu verlieren. Eine Konkurrentin hat sie schon, seit
       Dienstag. Amtsinhaberin Gesine Lötzsch hat überraschend angekündigt, erneut
       zu kandidieren. "Ich möchte denen Mut machen, die als Parteivorsitzende
       kandidieren wollen und immer noch zögern", hat Lötzsch ihren Schritt
       begründet.
       
       Das war sicher nicht klug. Eher tollkühn. Sie und ihr Kovorsitzender Klaus
       Ernst haben es in zwei Jahren weder geschafft, der Partei ein konsistentes
       Image zu verschaffen, noch, die Reihen intern zu schließen.
       
       Nun ploppen überall Namen auf, welches Duo statt Lötzsch/Ernst die 71.000
       Parteimitglieder führen soll. Ost- und Westkandidaten sollen es sein,
       Realo- und Fundiflügel, Mann und Frau. Geht man davon aus, dass Lötzsch
       nicht wiedergewählt wird, besetzt Sahra Wagenknecht mit ihrem Düsseldorfer
       Wahlkreis komplett die Kombi Westen/Fundi/Frau. Jetzt ist von Stefan
       Liebich die Rede, dem Realo aus Berlin. Dann vom ehemaligen
       Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, schließlich auch von Matthias Höhn
       aus Sachsen-Anhalt.
       
       Doch, Wagenknecht hat sich verändert, hört man aus der Fraktion. Wenn man
       mit ihr spricht, schaut sie ihrem Gegenüber jetzt in die Augen. Und
       manchmal lacht sie auch.
       
       27 Oct 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
       
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       werden will. Dem Ex-Bundesgeschäftsführer wird zugetraut, eine Urwahl zu
       gewinnen.
       
 (DIR) Linksfraktion wählt neue Führungsriege: Wagenknecht vertritt Gysi
       
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