# taz.de -- Ex-Stasimitarbeiter müssen gehen: Wenn aus Tätern Opfer werden
       
       > Frühere Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit dürfen aus der
       > Stasiunterlagenbehörde zwangsversetzt werden. Das hat der Bundesrat jetzt
       > abgesegnet.
       
 (IMG) Bild: Der oberste Stasi-Bekämpfer Roland Jahn hat sich durchgesetzt: Ex-Mitarbeiter der Staatssicherheit dürfen zwangsversetzt werden.
       
       Die Operation ist abgeschlossen. Planvoll, geräuschlos und mit dem
       gewünschten Ergebnis. Nun endlich - der Bundesrat hat das ja am
       Freitagvormittag so beschlossen - kann Roland Jahn Mitarbeiter seiner
       Behörde zwangsversetzen lassen.
       
       Mit der Verabschiedung der Novelle des Stasiunterlagengesetzes hat der
       Gesetzgeber nicht nur den Weg dafür frei gemacht, dass ehemalige
       Stasi-Mitarbeiter bei einer anderen Bundesbehörde arbeiten müssen. Das
       Gesetz sorgt auch dafür, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst weitere
       acht Jahre überprüft werden können - verdachtsunabhängig übrigens.
       
       Sonst, so hatte das ein FDP-Bundestagsabgeordneter Ende September
       formuliert, hinge es "von Journalisten oder Denunzianten ab", ob eine
       Stasi-Tätigkeit öffentlich wird.
       
       45 ehemalige Stasi-Angehörige sind noch in Roland Jahns Bundesbehörde
       angestellt. Jahn, der seit März ihr Chef ist, möchte das nicht länger
       dulden. Egal, in welcher Position diese Leute arbeiten. Denn den Opfern des
       Staatssicherheitsdienstes der DDR, Leuten, die ihre Akte einsehen und
       erfahren möchten, wer und was ihr Leben manipuliert hat -, ihnen soll ein
       Zusammentreffen mit den Tätern erspart werden. Das ist eine
       menschenfreundliche, eine solidarische Idee von Roland Jahn. Aber ist sie
       noch richtig?
       
       ## Klarnamen geschwärzt
       
       Seit genau zwanzig Jahren haben Bürgerinnen und Bürger dieses Landes die
       Möglichkeit, ihre Stasi-Akte einzusehen. Wenn sie Glück haben, ist das, was
       sie da finden, geistiger Abfall. Was ihr einstiger Vorgesetzter da in
       umständlicher Schönschrift auf holzhaltiges Papier gekritzelt hat, ist eine
       Zumutung.
       
       Halbwissen über Privatissima der ausgehorchten Person wird endlos
       ausgewalzt, um so etwas wie einen Bericht zustandezustammeln. Schwitzige
       Denunziation, die man zur Kenntnis nehmen und irgendwo in seinem
       Gefühlshaushalt verklappen sollte.
       
       Wenn man Pech hat, liest man weit Schlimmeres in seiner Akte. Berichte von
       Freunden, die Verräter waren, von Unbekannten, die die Wohnung durchsucht
       und fotografiert haben, von Vertrauten, die einen für ihr eigenes
       Fortkommen höhergehängt haben. Ihre Klarnamen sind geschwärzt. Täterschutz.
       Wenn man die Mappe mit den kopierten Blättern zuklappt und die
       Bundesbehörde in Berlin-Mitte wieder verlässt, möchte man solchen Typen
       nicht auch noch begegnen müssen. Klar.
       
       Die Frage, die sich stellt, ist aber, ob es nicht viel zu spät ist für
       diese Novelle des Stasiunterlagengesetzes. Und warum die Vorgänger von
       Roland Jahn, der Pfarrer Joachim Gauck und die Bürgerrechtlerin Marianne
       Birthler, nicht versucht haben, für einen geräuschloseren Abgang ihrer
       unliebsamen Mitarbeiter zu sorgen.
       
       Diese 45 Leute, um die es jetzt geht, werden durch die Debatte um sie zum
       Gesinnungsprüfstein hochgejazzt, sowohl für ihre Gegner als auch für ihre
       Unterstützer. Seit zwanzig Jahren arbeiten sie unbeanstandet in der
       Behörde, man hat sie damals unter anderem gebraucht, weil sie mit dem
       kafkaesken Archivsystem der Stasi vertraut waren. Hätten sie sich etwas
       zuschulden kommen lassen - davon kann man getrost ausgehen -, wären sie
       sofort entlassen worden.
       
       Nun werden in den Foren der Ewiggestrigen die einstigen "Kundschafter für
       den Frieden" als Opfer des Systems gefeiert. Die betroffenen Kameraden
       haben auch schon angekündigt, sich - Gesetzesnovelle hin oder her - mit
       einer Sammelklage gegen ihre Versetzung zu wehren. Es ist ihr Recht.
       
       Und ganz nebenbei wird die verdachtsunabhängige Überprüfung um acht Jahre
       verlängert. Mit dem Gesetz, das hat der SPD-Abgeordnete Wolfgang Thierse
       neulich im Bundestag gesagt, würde "ein latentes Misstrauen gegenüber
       Bürgern ostdeutscher Herkunft" festgeschrieben. "Es geht um das rechte
       Maß." Ja, darum geht es.
       
       4 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Stasi-Unterlagen
       
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