# taz.de -- Debatte Europa: Immer Ärger mit Europa
       
       > Linke können sich im Recht wähnen, haben sich doch alle Vorbehalte
       > gegenüber dem "Neoliberalismus" bestätigt. Besser regieren würden sie
       > deshalb nicht.
       
 (IMG) Bild: Auch Linke können nie genug Geld haben.
       
       Der Rest der Legislaturperiode und die kommende Bundestagswahl werden
       bestimmt sein von den Themen "Banken", "Europa" und "Staatsschulden". Schon
       jetzt profitieren SPD und Grüne in Umfragen von dem seit zwei Jahren
       anhaltenden Durchwursteln, mit dem die Bundeskanzlerin die Kosten der Krise
       in die Höhe getrieben hat.
       
       Dagegen setzen sie das Modell einer Sanierung mittels Eurobonds,
       Schuldenschnitt und "konsequenter Konsolidierungsprogramme". Dies mündet in
       ein Plädoyer für mehr Europa, das auf drei Begründungen ruht.
       
       ## Die Europa-Erpressung
       
       Ökonomisch wird erstens unisono ins Feld geführt, dass Deutschland von
       Europa profitiere, wenn dessen Kosten Thema sind. "Natürlich müssen die
       Deutschen zahlen," heißt es etwa bei Peer Steinbrück, "aber das Geld ist
       gut investiert in unsere und die Zukunft Europas."
       
       Die beiden anderen rhetorischen Bögen werden gern vom früheren
       Außenminister Joschka Fischer gespannt. Dräuend warnt der, "die Krise hat
       sich bis zu den tragenden Fundamenten der europäischen Nachkriegsordnung
       durchgefressen.
       
       Dabei waren diese die Garantie für eine beispiellose Friedens- und
       Prosperitätsgeschichte unseres Kontinents: die transatlantische und die
       deutsch-französische Partnerschaft."
       
       Zudem, so Fischer, bedeutet die nun sichtbar werdende neue Weltordnung eine
       zusätzliche Gefahr für das transatlantische Bündnis. Auch das verlange ein
       geeintes Europa.
       
       Mit diesem großen Bogen schafft es die Opposition leicht, ihre Gegner in
       die nationale Ecke der kurzsichtigen Egoisten zu stellen. So richtig diese
       Argumentationen sind, so wenig verfangen sie beim Europa-Bürger.
       
       ## Massive Skepsis gegenüber Europa
       
       Nach einer Umfrage der EU-Kommission wissen ein Viertel der Bundesbürger
       nichts über den Binnenmarkt, knapp zwei Drittel sehen Vorteile nur bei den
       Unternehmen, hingegen Nachteile auf dem Arbeitsmarkt und sind der Meinung,
       die EU umfasse zu viele Länder.
       
       Diese massive Skepsis gegenüber Europa korreliert mit einer geringen
       Bereitschaft zu finanziellen Opfern. Und der Appell an ein europäisches Wir
       verhallt, weil er über die Ebenen der europäischen Alltagspolitik
       hinwegschwebt.
       
       Oder glaubt jemand ernsthaft, dass sich die Griechen für den ihnen
       auferlegten Sparkurs eher erwärmen könnten, weil damit der friedlichen
       Nachkriegsordnung gedient sei?
       
       ## Die Unzuverlässigkeit der SPD
       
       Auch das Ins-Feld-Führen ökonomischer Interessen Deutschlands kommt, zumal
       aus linkem Munde, eigentümlich daher. Nicht weil es national-eigennützig
       ist, sondern weil es die Interessenunterschiede zwischen deutschen Banken,
       deutscher Wirtschaft und deutscher Bevölkerung einebnet, die zumindest
       Letzterer mittlerweile durchaus bewusst sind.
       
       Sie erkennt keinen Nutzen bei der Verlagerung der Schulden Griechenlands
       von privaten auf öffentliche Gläubiger - die Banken hingegen schon. Die
       Bevölkerung fühlt sich finanz- und europapolitisch vor einen Karren
       gespannt, den sie eigentlich nicht ziehen will.
       
       Und an diesem Gefühl haben auch die Sozialdemokraten einen Anteil. Als der
       damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sie vor drei Jahren zur
       Rettung der Hypo Real Estate nutzte und 35 Milliarden Euro Bürgschaft gab,
       sicherte er damit zugleich die 8 Milliarden Euro Kredite der privaten
       Banken ab, zu denen diese sich im Gegenzug verpflichtet hatten. Für diese
       war das ein gutes, weil risikoloses und sich verzinsendes Geschäft.
       
       Und dass er für 18 Milliarden Euro ein Viertel der Anteile an der
       Commerzbank zu einem Zeitpunkt erwarb, als deren Börsenwert bei einem
       Sechstel des Betrages lag, ist auch nicht dazu angetan, das Vertrauen der
       Bürger in die Bereitschaft der SPD zur konsequenten Konsolidierung zu
       stärken.
       
       Auch dürfte die von ihm ins Leben gerufene und mit 500 Milliarden Euro
       ausgestattete Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung kaum Vorbild für
       die europäischen Rettungsmechanismen sein, agiert die Behörde doch, ohne
       das Parlament überhaupt konsultieren zu müssen. 91,5 Milliarden Euro haben
       die Staaten der EU für die Rettung der Banken verausgabt, das meiste davon,
       38,9 Milliarden Euro, zahlte Deutschland an seine Banken.
       
       ## Mehr Demokratie - aber wie?
       
       Am Haircut des griechischen Schuldenkontos und der daraus resultierenden
       zweiten Stützung der Banken wird sich zeigen, ob diese finanzpolitische
       Appeasement-Politik gegenüber den Banken abgelöst wird durch rechtliche
       Regelungen und Unternehmensbeteiligungen, die ein Optimum an Sicherung und
       Rückfluss der staatlichen Gelder gewährleisten.
       
       An dem Umgang mit Griechenland erweist sich zudem, wie die parlamentarische
       Linke das darin liegende demokratische Dilemma handhaben will, welches sie
       bislang wortreich umschifft hat.
       
       Befürwortet sie die suprastaatlichen Eingriffe der Troika in die
       griechische Politik, die nicht nur die Souveränität Griechenlands, sondern
       auch eigene programmatische Grundsätze wie Tarifautonomie und
       Beschäftigungssicherheit verletzt und eine wirtschaftliche Rekonvaleszenz
       erschwert?
       
       Wenn nicht, wie erklärt sie dann ihren deutschen Wählern, dass diese unter
       anderem eine Beschäftigungsquote des griechischen Staates kofinanzieren
       sollen, die mit 17 Prozent weit über der deutschen liegt (11 Prozent) und
       von Ineffizienz, Korruption und Nepotismus geprägt ist?
       
       Welche Summen ist sie bereit dort in die wirtschaftliche Neustrukturierung
       zu investieren, die zweifelsohne zulasten des gleichsam angepeilten
       deutschen Schuldenabbaus gingen?
       
       Rational lässt sich dieses Dilemma nur aufheben, indem Souveränität
       einschließlich ihrer parlamentarischen Kontrolle von der nationalen auf die
       europäische Ebene verlagert wird.
       
       Auch wenn damit der richtige Weg beschritten würde, bleibt fraglich, ob die
       nationalen Gesellschaften ihm folgen werden. Es kann also sein, dass die
       Opposition recht hat, aber trotzdem nicht regieren wird.
       
       8 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dieter Rulff
       
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