# taz.de -- Dokumentarfilme über Guatemala: "Die Filme haben interveniert"
       
       > Seit 20 Jahren macht Uli Stelzner Dokumentarfilme über Guatemala - und
       > für Guatemala. Im Berliner Moviemento läuft ab heute eine Werkschau.
       
 (IMG) Bild: Anfänge: Thomas Walther und Uli Stelzner 1992 bei den Dreharbeiten zu "Ojalá" in der Provinz Huehuetenango.
       
       taz: Herr Stelzner, was ist der Anlass, gerade jetzt mit der Werkschau im
       Moviemento-Kino eine Bilanz der Guatemala-Dokumentarfilme vorzulegen? 
       
       Uli Stelzner: Die Initiative kam vom Moviemento-Kino. Aber seit dem ersten
       Film sind es jetzt ziemlich genau 20 Jahre, da kann man schon mal
       zurückschauen. Auch für uns als Filmemacher war das ein außerordentlich
       positiver Prozess und ein ungewöhnlicher innerhalb unseres Genres. Mit
       Dokumentarfilmen kann man mehr machen, als nur Dinge zu beschreiben. Die
       Filme haben in bestimmten historischen Momenten interveniert und sehr viel
       bewegt.
       
       Was denn? 
       
       Als wir in Guatemala angefangen haben, waren die meisten Filmemacher tot,
       im Exil oder hatten Angst zu arbeiten. Unsere ersten beiden Filme konnten
       wir nur hinter verschlossenen Türen zeigen - da haben wir die Situation im
       Land eigentlich erst wirklich registriert und gemerkt, dass das Medium Film
       für die Leute attraktiv ist.
       
       Unser Film über die Deutschen in Guatemala war der erste lange
       Dokumentarfilm, den wir im ganzen Land vorgeführt haben. Es gab Drohungen
       gegen uns, wir brauchten Bodyguards. Der Film gilt heute in Guatemala als
       Klassiker, weil er die Ursachen des Konflikts auf den Punkt bringt. Das hat
       sehr viele Debatten ausgelöst, sehr viel Bewusstsein über die eigene
       Geschichte.
       
       Wer kommt zu den Vorführungen? Ich stelle mir vor: Studenten und die
       linksintellektuelle Mittelschicht in der Hauptstadt. 
       
       Bei der Premiere von "La Isla" war das so. Das war auch Strategie. Es ging
       darum, die größtmögliche Öffentlichkeit zu haben, damit er nicht zensiert
       werden kann. Deshalb sind wir ins Nationaltheater gegangen, das größte der
       Hauptstadt.
       
       Wir wussten: Wenn er da gezeigt werden kann, dann im Rest des Landes auch.
       In den Jahren zuvor aber war das Publikum anders: Wir sind unter dem Motto
       "Geschichte leben" durchs ganze Land getourt, wir haben die Filme an
       Schulen gezeigt, auf öffentlichen Plätzen, in Bauerngemeinden. Und über
       tausende Raubkopien, die von unseren Filmen zirkulieren, laufen sie im
       ganzen Land.
       
       Sie sind als Aktivist zum Filmemachen gekommen. Hat sich Ihr Blick auf
       Realität durch das Filmemachen verändert? 
       
       Eigentlich nicht. Wir haben immer versucht, mit den Filmen etwas zu
       erreichen, zu provozieren, Debatten zu entfachen. Deshalb sind wir immer
       wenige Monate nach Fertigstellung mit dem neuen Film nach Guatemala
       gegangen und haben dort die Filme mehrere Monate lang mit mobilem Kino
       gezeigt. Es ist etwas Wunderbares, wenn du dich selbst an der Realität
       messen kannst.
       
       Journalisten, sagt man, müssen neugierig sein und offen dafür, ihre
       Eingangsthese infrage zu stellen. Seid ihr auch überrascht worden von
       Leuten etwa, die ihr euch ganz anders vorgestellt hattet? 
       
       Ich glaube, unsere Filme reflektieren auch die Widersprüche, auf die wir
       gestoßen sind. Wir haben oft auch Menschenrechtler erlebt, die sich über
       bestimmte Szenen sehr aufgeregt haben. Das gehört dazu, das ist auch
       Streitkultur. Aber trotz der Widersprüche bleibt ja, dass wir Dinge
       verändern wollen.
       
       Können zwei Deutsche so in der guatemaltekischen Gesellschaft
       intervenieren? Sollten sie das? 
       
       Nach unserem ersten langen Film über die Deutschen in Guatemala haben die
       Leute gemerkt, dass da keine Nationalisten am Werk sind. Da ist es dann
       nicht mehr so wichtig, dass ich Deutscher bin. Wir haben allerdings ein
       paar Vorteile als Deutsche: Der Pass gewährt einen bestimmten Schutz. Wäre
       ich Guatemalteke, wäre ich vermutlich schon längst tot.
       
       Gerade ist der Exgeneral Otto Pérez Molina zum neuen Präsidenten gewählt
       worden. Das ist so ziemlich das exakte Gegenteil von dem, was Sie mit Ihren
       Filmen erreichen wollen. War doch alles umsonst? 
       
       Wir haben im Rahmen unserer Erinnerungsarbeit auch Bilder veröffentlicht,
       auf denen er als junger Offizier zu sehen ist, der an Massakern beteiligt
       ist. Ich gebe zu, dass ich ein bisschen Angst verspürt habe, als ich die
       Nachricht von seinem Sieg gehört habe: Durch ihn kommt das Militär zurück
       an die Macht. Aber wir dürfen jetzt nicht klein beigeben, sondern müssen
       auch an die Prozesse glauben, die wir selber in Gang gesetzt haben.
       
       Seit zwei Jahren organisieren Sie jährlich ein Filmfestival in Guatemala
       mit. Wird es weitere Guatemala-Filme von Ihnen selbst geben? 
       
       Ich glaube, dass unser Festival politischer ist, als es ein einzelner Film
       sein kann. Andere Leute machen auch gute Filme, und es gibt eine junge
       Generation guatemaltekischer Filmemacher. Vielleicht ist es gar nicht mehr
       nötig, dass wir das machen.
       
       10 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Pickert
       
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