# taz.de -- Polizei- und Armee-Großeinsatz in Brasilien: Favela ohne Widerstand gestürmt
       
       > Das Elendsviertel Rocinha gilt als größtes in Rio de Janeiro. 30 Jahre
       > stand es unter Kontrolle von Drogenkartellen - nun rückten 3.000
       > Polizisten und Soldaten ein.
       
 (IMG) Bild: Von einer Fremdbestimmung zur nächsten: Bewohner der Favela.
       
       BUENOS AIRES taz | Der Einmarsch war angekündigt, nur der genaue Zeitpunkt
       war offen: Am frühen Sonntagmorgen hatten Einheiten von Polizei und Armee
       schließlich um 4.10 Uhr Ortszeit mit dem Einmarsch in die Favela Rocinha
       und zwei kleinere Favelas in Rio de Janeiro begonnen.
       
       "Wenn wir vorher Bescheid sagen, gibt es weniger Gewalt", so ein
       Polizeisprecher. Ziel der Aktion war es, die Macht der Drogenbanden zu
       brechen und feste Polizeiwachen in der Favela zu installieren. "Um 06.00
       war die Mission der Rückeroberung von Rocinha, Vidigal und Chácara do Céu
       erfüllt, ohne dass ein einziger Schuss abgefeuert wurde", verkündete
       Einsatzleiter Pinheiro Neto vor der Presse.
       
       Tatsächlich waren die vordringenden rund 3.000 Polizisten und
       Marinesoldaten, unterstützt von gepanzerten Fahrzeugen und Hubschraubern
       auf fast keine Gegenwehr gestoßen. Fernsehbilder von der frühmorgendlichen
       Aktion zeigten weiße Fahnen an den Häusern und Hütten. Die Zugänge zu den
       Siedlungen waren schon Tage zuvor kontrolliert und am zeitweise ganz
       abgeriegelt worden.
       
       ## Vorbereitung auf Fußball-WM und Olympische Spiele
       
       2014 findet in Brasilien die Fußballweltmeisterschaft statt, zwei Jahre
       später werden in Rio de Janeiro die Olympischen Spiele ausgetragen. Als
       Nagelprobe gelten jedoch schon 2013 die Fussballspiele um den
       Confederations Cup. Bis dahin will sich Brasilien und vor allem Rio
       herausputzen.
       
       Im Mittelpunkt der Reinigungsaktionen steht die Sicherheitsfrage. Nach
       Auffassung der Regierung des Bundesstaates Rio geht die Unsicherheit in
       erster Linie von der Macht der Drogenbanden in den Armenvierteln aus.
       Zentrale Aufgabe ist es diese Macht zu brechen. Die Strategie der Regierung
       ist, durch neue Polizeiposten in den Favelas die Drogenbanden aus den
       Siedlungen zu drängen.
       
       Kein leichtes Unterfangen angesichts der je nach Schätzung zwischen 700 und
       900 existierenden Favelas im Großraum von Rio. Seit gut drei Jahren läuft
       der Aufbau der sogenannten Unidades de Polícia Pacificadoras, die die
       Armenviertel im wahrsten Wortsinn befrieden sollen. Im November 2010 waren
       Polizei- und Militäreinheiten in die Favela "Complexo do Alemão" im Norden
       Rios einmarschiert. - Dutzende Menschen wurden bei Schießereien getötet.
       
       Den Drogenbanden wurde spätestens damals der Ernst der Lage bewusst, wenn
       Polizei und Armee den Einmarsch in ihr Territorium ankündigen. Wie viele
       der mutmaßlichen Drogendealer zuvor aus den Favelas geflüchtet waren, ist
       nicht bekannt. Einer saß bereits im Gefängnis.
       
       ## Hoffnung auf Verbesserung
       
       Vergangene Woche hatte die Polizei den vermeintlichen Boss der Bosse in
       Rocinha geschnappt. Der 35-Jahrige Antonio Bonfim Lopes alias "Nem" hatte
       sich im Kofferraum eines Autos versteckt, und war von der Polizei bei einer
       Kontrolle gefunden worden.
       
       Rocinha liegt im Süden Rios, eingebettet in einer der reichsten Gegenden
       der Metropole zwischen den Nobelvierteln Leblon und Ipanema. Entlang ihrer
       Grenzlinien verläuft der Bruch zwischen Arm und Reich, der nicht nur hier
       sondern in ganz Brasilien noch immer der tiefste in Südamerika ist. Trotz
       erheblicher Erfolge bei der Armutsbekämpfung ist Brasilien nach wie vor das
       Land mit der größten sozialen Ungleichheit auf den Kontinent.
       
       Rocinha ist mit rund 120.000 Bewohnern eine der größten Armensiedlungen in
       Rio. Auch wenn Rocinha nicht als die ärmste von Rios Armensiedlungen gilt,
       liegt sie beim Fehlen von Versorgungsleistungen wie beispielsweise einer
       Kanalisation ganz oben. Die Bewohner hoffen deshalb auch nicht nur auf mehr
       Sicherheit, sondern vor allem auf eine Verbesserung ihrer absolut prekären
       Infrastruktur.
       
       "Ich hoffe, dass sich nach der Besetzung die sanitäre Grundversorgung und
       die Lebensqualität der Menschen verbessert", sagte William de Oliveira,
       Vorsitzender einer Basisorganisation der Armensiedlung.
       
       13 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürgen Vogt
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Fußball-WM 2014
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 (DIR) Reiseland Brasilien
       
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