# taz.de -- Kolumne Wortklauberei: Jetzt gefährlich, Nazis!
       
       > Konservatives Weltbild im Wanken: Sind nicht nur Atomkraftwerke, sondern
       > auch Rechtsradikale voll schlimm?
       
       Neulich Schlagzeile in den BR-Radionachrichten: "Deutscher Sammler
       ersteigert wertvolle Briefmarke." Ich hielt inne und schmeckte dem lauen
       Lüftchen der totalen Unerheblichkeit dieser Zeile nach. Ihrer köstlichen
       Nullbrisanz, ihrer tröstlichen Egalheit, der völligen Freiheit von
       jeglichem Aufregerpotenzial. Da war nichts. 
       
       Und in China … ersteigert ein chinesischer Sammler eine wertvolle
       Briefmarke. Ich muss sagen, ich könnte eine Gegenwart vertragen, die mehr
       von solchen Meldungen geprägt ist. Zwischendurch vielleicht mal etwas
       Erhebendes à la "Westerwelle hält auf Parteitag Abschiedsrede".
       
       Aber ach, die Nachrichtenlage ist nicht so, und wenn sie es wäre, hieße das
       wohl nicht, dass es nichts Erschütterndes zu vermelden gibt, sondern dass
       wir nur nichts davon erfahren. Die hässlichen Schlagzeilen über die
       Zwickauer Nazis wären uns ja auch erspart geblieben, wenn die nicht
       zufällig bei einem Banküberfall gepatzt hätten.
       
       Ja, und jetzt? Ist das jetzt das Fukushima-Ereignis in Bezug auf einen
       veränderten Umgang staatlicherseits mit dem Rechtsextremismus, eine
       Neubewertung gar? Wo man jetzt doch plötzlich weiß, dass nicht nur die
       Atomkraft, sondern auch Nazis voll gefährlich sind? Schon reden wieder alle
       vom NPD-Verbot, dabei wär's doch momentan viel interessanter, was
       eigentlich mit den Strafverfolgungsbehörden in Thüringen los ist und ob
       nicht eigentlich der Verfassungsschutz verboten gehört, weil er von V-
       Leuten der rechten Szene unterwandert ist.
       
       In Bayern - dem Bundesland, in dem fünf der neun Morde an Kleinunternehmern
       verübt wurden und das mit dem Oktoberfest-Attentat und seinem Opfern und
       Fakten Hohn sprechenden Ermittlungsergebnis das schlagendste Beispiel für
       die Verharmlosung von rechtem Terror vorzuweisen hat - bezeichnete der von
       mir zutiefst verachtete Herr Innenminister Joachim Herrmann in der
       Zwischenzeit Vorwürfe als "absurd", man habe hierzulande zu wenig gegen
       rechts getan.
       
       Wenn man dieses Wörtchen "absurd" jedem, der es unbefugt benutzt, in 140
       Punkt Großbuchstaben zurück in den verlogenen Hals stopfen dürfte, dann
       wäre zwar auch wenig geholfen, aber die Vorstellung ist hübsch. Die Morde
       und Anschläge der Rechtsextremen aus Thüringen dürften jetzt keine
       Verharmlosung des Linksextremismus zur Folge haben, sagte Herrmann just am
       Dienstag zur Verteidigung der Linie des bayerischen Verfassungsschutzes,
       das antifaschistische Archiv "a.i.d.a." weiterhin als linksextrem zu
       stigmatisieren und zu verunglimpfen.
       
       Anstatt a.i.d.a. zum Beispiel mal zu fragen, ob sie vielleicht ein paar
       nützliche Dinge wissen über die ganzen Nazis in der NPD und beim
       Verfassungsschutz. Aktuelle Schlagzeile zur Zeit der Erstellung dieses
       Textes: "Sie nannten ihn den 'kleinen Adolf''".
       
       Es geht um einen Mitarbeiter des Verfassungsschutzes Thüringen mit bekannt
       rechter Gesinnung, der beim letzten der Morde in einem Internetcafé quasi
       vor Ort war, was aber nie näher untersucht wurde. Sie entschuldigen mich,
       ich muss jetzt mal aufhören und meinen Kopf gegen die Wand hauen, damit der
       Schmerz nachlässt.
       
       16 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Josef Winkler
       
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