# taz.de -- American Pie: Der Heiland kehrt zurück
       
       > Die Wiederkehr wirkt wie inszeniert. Nach langer Verletzung steht Sidney
       > Crosby wieder auf dem Eis - und spielt großartig. Selbst der eigene
       > Trainer fühlt sich als Fan des NHL-Superstars.
       
 (IMG) Bild: Aushängeschild der NHL: Sidney Crosby von den Pittsburgh Penguins.
       
       BERLIN taz | Man hätte meinen können, der Heiland höchstselbst wäre
       herabgestiegen. Zugegeben: Es war kein Wasser, über das Sidney Crosby
       wandelte. Aber doch fast. Immerhin handelte es sich um dasselbe Element,
       bloß in seinem gefrorenen Aggregatzustand, über das der 24-Jährige nach
       mehr als zehnmonatiger Pause flitzte, als wäre er niemals weggewesen.
       
       Nur fünf Minuten und 24 Sekunden dauerte es, da erzielte Crosby per
       Rückhand-Schlenzer sein erstes Tor nach 328 Tagen. Am Ende hatte er zwei
       Tore und zwei Vorlagen zum souveränen 5:0-Sieg seiner Pittsburgh Penguins
       gegen die New York Islanders beigesteuert.
       
       Anschließend feierten ihn mehr als 18.000 Zuschauer in der ausverkauften
       Arena in Pittsburgh mit einer Standing Ovation und minutenlangen
       Sprechchören. Der Überirdische schlüpfte allerdings schnell wieder in die
       Rolle, in der er sich am wohlsten fühlt, die des bescheidenen kanadischen
       Eishockeyarbeiters.
       
       Die Rückkehr nach der langen Verletzungspause wäre gar nicht so schwer
       gewesen, "denn ich hatte ja eine Ewigkeit Zeit, mich darauf vorzubereiten,
       und so viel Energie im Tank, weil ich so lange warten musste".
       
       ## Öffentlich Abbitte des Gegners
       
       Gleich zwei Gehirnerschütterungen in aufeinander folgenden Spielen hatte
       sich Crosby im Januar zugezogen. Seitdem arbeitete er an seiner
       Rehabilitation, immer wieder überschattet von Gerüchten: Seine Eltern
       sollen ihm geraten haben, so wurde zwischenzeitlich kolportiert, seine
       Karriere der Gesundheit zuliebe zu beenden.
       
       Welch ein Denkmal da darniederlag, wurde spätestens klar, als David
       Steckel, verantwortlich für einen der gehirnerschütternden Bodychecks,
       öffentlich Abbitte leistete. "Das war keine Absicht, ich wollte ihn gar
       nicht erwischen", entschuldigte sich der Profi von den New Jersey Devils,
       "ich habe sogar versucht, aus dem Weg zu gehen." Aus einem harten
       Eishockeyprofi war ein Häufchen Elend geworden.
       
       Nicht nur zur Freude von David Steckel stand Crosby in den letzten beiden
       Monaten wieder voll im Mannschaftstraining, und er war, so vermeldeten es
       die Kollegen, bereits wieder der beste Spieler eines Teams, das sich auch
       ohne ihn an der Tabellenspitze der National Hockey League (NHL)
       festgebissen hatte.
       
       ## Anzahl der Akkreditierungen vervierfacht
       
       Ob Crosby nicht nur der beste Spieler der Penguins, sondern auch seiner
       Generation ist, darüber gibt es durchaus Diskussionen. Manche Experten
       halten den Russen Alexander Owetschkin für begabter als den Kanadier, der
       trotz seiner Jugend bereits den Stanley Cup und eine olympische
       Goldmedaille gewonnen hat.
       
       Kein Zweifel allerdings besteht über die Einschätzung, dass Crosby das
       unverzichtbare Aushängeschild der NHL ist. Die Liga konnte in den
       vergangenen Wochen nicht einmal davon profitieren, dass sich die direkten
       Mitbewerber von der NBA in einem unappetitlichen Arbeitskampf demontierten.
       Selbst ohne konkurrierende Profi-Basketballspiele sanken die Fernsehquoten
       für Eishockey.
       
       Auch deshalb war die Wiederkunft des Heilsbringers dringend nötig. Wie heiß
       erwartet sie war, zeigte der TV-Sender CBS, als er kurzfristig sein
       Programm änderte und das Spiel flächendeckend in ganz Kanada übertrug.
       Pittsburgh musste viermal so viele Presseakkreditierungen ausgeben wie
       üblich. Und wie die Rückkehr dann vonstatten ging, hätte man kaum perfekter
       inszenieren können. Sein eigener Trainer, Dan Bylsma, gab zu, sich hinter
       der Bande wie ein Fan gefühlt zu haben: "Ein Teil von mir war heute nur
       Zuschauer, ich habe das sehr genossen."
       
       ## Im Formtief: "Alexander The Great"
       
       Praktischerweise spielte sein Team an diesem Tag nur gegen Islanders, eine
       der aktuell schlechtesten NHL-Mannschaften. Das machte es sehr viel
       einfacher für Crosby, der seine Leistung kritischer sah als der Großteil
       der begeisterten Beobachter: "Ich habe mich ganz gut gefühlt, aber es gibt
       noch einiges, wo ich mich verbessern muss. Aber das wird im Laufe der Zeit
       mit den Spielen kommen."
       
       Jetzt muss nur noch der ewige Gegenspieler Owetschkin wieder in Form
       kommen. Der 26-Jährige, dem der Ehrenname "Alexander The Great" verliehen
       wurde, spielt für die Washington Capitals eine bislang unterirdische
       Saison. Die russische Tormaschine hat erst siebenmal getroffen und wirkt
       bisweilen desinteressiert am Geschehen auf dem Eis. Die NHL aber braucht
       nicht nur einen gesunden Sidney Crosby, sondern auch einen ebenbürtigen
       Gegenspieler. Selbst ein Messias ist nichts ohne den Teufel, der ihn auf
       die Probe stellt.
       
       23 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
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