# taz.de -- Spiel unter Freunden: Sieg für keinen HSV
       
       > Beim Nordderby profitieren HSV wie Gastgeber Hannover 96 von den Fehlern
       > des anderen. Das unterhaltsame Spiel mit vielen Torchancen endet völlig
       > berechtigt mit 1:1.
       
 (IMG) Bild: Treffer: Der hannöversche Torschütze Jan Schlaudraff (l) feiert mit seinem Teamkollegen Karim Haggui.
       
       HANNOVER taz | Die Hamburger Fans fühlten sich in der Hannoverschen
       AWD-Arena von Anfang an wie zu Hause. Freudig stimmten sie ein, als die
       Anhänger von Hannover 96 "Hier regiert der HSV" skandierten, obwohl das
       natürlich auf den Gastgeber, den "kleinen HSV", gemünzt war. Noch größer
       wurde die Freude, als ihre Feuerwerks-Darbietungen zum Beginn beider
       Halbzeiten ungestört blieben - sieht man von einem halbherzigen Rüffel des
       Stadionsprechers ab.
       
       Als das Spiel zu Ende war, wurde auf beiden Seiten jeweils ein Mann
       gefeiert, der bereits als völlig abgeschrieben galt. Auf Hamburger Seite
       war das Torwart Jaroslaw Drobny, der noch vor sechs Wochen von den eigenen
       Fans verhöhnt wurde, weil sie ihn nach einigen Patzern zum Sündenbock für
       den schlechten Saisonstart machten.
       
       In Hannover hielt er seine Mannschaft mit drei herausragenden Paraden in
       der ersten Halbzeit im Spiel. An dem Tschechen, der seine große Stärke in
       solchen 1:1-Situationen hat, scheiterten zweimal Jan Schlaudraff und einmal
       Mohammed Abdellaoue völlig freistehend. "Er zeigt allen, wie man sich mit
       harter Arbeit aus solch schwierigen Situationen herausarbeiten kann", lobte
       HSV-Trainer Torsten Fink seinen Keeper.
       
       Die Chancen hatten sich die Hannoveraner so erarbeitet, wie man es von
       ihnen kennt: im kompakten Mittelfeld auf Fehler des Gegners warten und
       schnell in die Spitze spielen. "Wenn wir in Führung gegangen wären, hätten
       wir unsere Konterqualitäten noch besser ausspielen können", sagte Trainer
       Mirko Slomka. Stattdessen sah er bei seinen Spielern "hängende Schultern".
       Besonders Jan Schlaudraff schien seinen vergebenen Möglichkeiten lange
       nachzutrauern.
       
       ## Mit den eigenen Waffen
       
       Die 96er trafen mit dem HSV auf eine Mannschaft, die sie mit ihren eigenen
       Waffen schlagen wollte, sich weit zurückzog und ebenfalls auf Fehlpässe
       lauerte. Da bei den Gastgebern nur 63 Prozent aller Pässe ankamen, hatten
       auch Paolo Guerrero und Heung-Min Son schon in der ersten Hälfte beste
       Einschussmöglichkeiten, die meist über die linke Seite von Marcell Jansen
       und Dennis Aogo vorbereitet wurden. "Sehr unterhaltsam", lautete die
       meistgehörte Pausenanalyse.
       
       In der zweiten Hälfte, zu der sie lange vor den Gastgebern auf dem Platz
       erschienen, nahmen die Hamburger sofort das Heft in die Hand. Torsten Fink
       sprach anschließend sogar von "Dominanz". Das war etwas übertrieben, aber
       vor allem Gökhan Töre, der vor der Pause hauptsächlich durch Übersteiger
       und aussichtslose Dribblings aufgefallen war, drehte jetzt auf und brachte
       System in seine Aktionen. In der 64. Minute bereitete der türkische
       Nationalspieler mit einer präzisen Ecke das 1:0 durch Jeffrey Bruma vor.
       
       In der Folgezeit hätten die Hamburger die Führung mehrfach ausbauen können,
       spielten ihre Kontermöglichkeiten aber nicht geschickt zu Ende. In dieser
       Phase wurden noch deutliche spielerische und taktische Mängel sichtbar. So
       standen sie teilweise mit sieben Spielern auf eiiner Linie in der
       Hannoveraner Hälfte und machten es dem Gegner leicht, sie zehnmal ins
       Abseits laufen zu lassen. In der Offensive wirkte die Slomka-Mannschaft
       nicht so, als wenn sie noch an ihre Chance glaubte. Das Team bekommt eben
       immer dann Probleme, wenn sie das Spiel machen muss, dafür fehlt es im
       Mittelfeld an individueller Klasse.
       
       ## Schlaudraffs Auftritt
       
       Als selbst das Publikum nicht mehr an die Wende glaubte, hatte Schlaudraff
       doch noch seinen großen Auftritt. Der Stürmer wiederholte innerhalb eines
       einzigen Spiels, was seine ganze Karriere auszeichnet: Er ist am stärksten,
       wenn niemand mehr mit ihm rechnet. Einen Eckball von Sergio Pinto
       verwandelte er aus 20 Metern und halbrechter Position in den linken
       Torwinkel - mit vollem Risiko, volley und unhaltbar. Ein Tor von der Art,
       dass sich 50.000 Menschen erst einmal ungläubig angucken und dann auf die
       Videowand starren, um sicherzugehen, dass sie nicht geträumt haben.
       
       So waren am Ende alle zufrieden. Der große HSV, weil er sich weiter
       stabilisiert und schon zum sechsten Mal in Folge nicht verloren hat. Und
       der kleine, weil er Platz acht und seinen Heimnimbus verteidigt hat und
       Mittwoch mit breiter Brust nach Lüttich fahren kann, um die nächste Runde
       der Europa-League klar zu machen. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die
       befreundeten Nachbarn am Saisonende in der Tabelle nah beieinander stehen.
       
       27 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Lorenzen
       
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