# taz.de -- Interview zur Queer-Konferenz: "Die Freiheit auf Händen tragen"
       
       > Amsterdams Diversitätsdezernentin Andrée van Es ist Gast bei der
       > International Maneo Conference. Ein Gespräch über Rechte, Gefechte - und
       > die Neugier auf Berlins Regenbogenkieze
       
 (IMG) Bild: So harmonisch wie am CSD sollte es jeden Tag zugehen
       
       taz: Frau van Es, Amsterdam hatte einst einen legendären Ruf als
       homofreundliche Stadt. 
       
       Andrée van Es: Die Werte von Freiheit und Toleranz sind bei uns auch noch
       immer stark verankert. Darauf bin ich sehr stolz. Aber man muss an die
       Amsterdamer appellieren, dass das so bleibt.
       
       Zuletzt gab es auch einigen Anlass für solche Appelle. Belästigungen von
       Homosexuellen haben stark zugenommen, auch körperliche Übergriffe kommen
       vor. 
       
       Einerseits sind das Auswüchse einer Machokultur, die sich unter anderem in
       Homophobie äußert. Ich sehe es aber auch im Zusammenhang mit einer
       allgemeinen Verrohung des Umgangs. Ich finde die Menschen in London oder
       Berlin grundsätzlich zuvorkommender.
       
       Was bedeutet diese Entwicklung für eine Stadt mit der Reputation
       Amsterdams? 
       
       Wir haben eine Verpflichtung: Wir müssen die Latte sehr hoch legen und die
       Freiheit auf Händen tragen. Das bedeutet, dass wir uns bezüglich der Rechte
       von Homosexuellen nicht zurücklehnen dürfen.
       
       In Den Haag haben streng christliche Parteien Einfluss. Wird Homophobie
       auch dadurch salonfähig? 
       
       Mit schnellen Erklärungen bin ich sehr vorsichtig. Aber für die Akzeptanz
       von Homosexualität ist es mit Sicherheit schädlich. Andererseits will eine
       Mehrheit im niederländischen Parlament das Thema obligatorisch in den
       schulischen Lehrplan aufnehmen. In Amsterdam ist das übrigens schon länger
       so.
       
       Was unternimmt die Stadt ansonsten zum Thema? 
       
       Mit dem Programm "Gay Capital" wollen wir die Sichtbarkeit von
       Homosexualität im Stadtbild stimulieren. Ich selbst ziehe durch Schulen, um
       mit Jugendlichen zu sprechen. Wir unterstützen verschiedene Organisationen
       Homo- und Bisexueller, es gibt auch ein Spezialprogramm für lesbische
       Mädchen. Und natürlich gehört dazu, dass wir keine Gewalt gegen
       Homosexuelle akzeptieren. Dass die Polizei eingreift und die Justiz
       Straftaten verfolgt.
       
       In Zukunft soll dieser Ansatz erweitert werden. 
       
       Ja, wir wollen die Zuständigkeit ausdehnen. Das bedeutet, dass nicht mehr
       ich alleine mich mit diesem Ansatz beschäftige, sondern beispielsweise sich
       mein Kollege im Sportressort gegen die Diskriminierung von Schwulen im
       Fußball einsetzt.
       
       Wie steht es mit der Finanzierung solcher Projekte in diesen Zeiten? 
       
       Natürlich heißt es nun öfter, es sei kein Geld mehr da. Trotzdem haben wir
       wieder finanziellen Raum für "Gay Capital" geschaffen. Auch wenn es dabei
       nun eher um Hunderttausende geht statt um Millionen.
       
       Bekannt ist Amsterdam vor allem für die Gay Pride, die als Bootsparade auf
       den Grachten stattfindet. Manche kritisieren, das Event sei zu einer Art
       Homo-Zoo für Provinzler verkommen. 
       
       Das sehe ich nicht so. Ich kenne viele ältere Lesben und Schwule, die froh
       sind, heute die Freiheit feiern zu können, die sie früher nicht hatten.
       
       Im Ausland sind die Niederlande immer noch als Geburtsort der
       "Homohochzeit" berühmt. Dabei können Standesbeamte bis heute eine solche
       Trauung ablehnen, wenn sie "moralische Bedenken" geltend machen. Wie passt
       denn das zusammen? 
       
       Ich hätte das vor zehn Jahren auch nicht gedacht. Es gibt einfach keinen
       Grund, dass ein Beamter sagt, dieses Paar traue ich und jenes nicht. Ich
       halte das aber für Rückzugsgefechte. In Amsterdam gibt es inzwischen auch
       keine Beamten mehr, die sich das herausnehmen.
       
       Sie kommen nach Berlin mit einer großen Delegation von Beamten und
       Unternehmern. Ist Ihnen diese Konferenz denn so wichtig? 
       
       Ja. Natürlich geht es uns darum, die Geschichte Amsterdams zu erzählen.
       Darüber werde ich auf der Konferenz sprechen. Davon abgesehen wollen wir
       aber auch gut zuhören, welche Erfahrungen andere gemacht haben. Amsterdam
       hat viel zu berichten, aber wir können auch noch sehr viel lernen.
       
       Das Motto der Konferenz ist das Konzept "Regenbogenkiez". Was verstehen Sie
       persönlich darunter? 
       
       Wir haben in Amsterdam bislang nur schwule Ausgehviertel. Ein Konzept, das
       darüber hinausgeht, ist für mich neu. Deswegen bin ich auf diesen Ansatz
       sehr neugierig.
       
       1 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tobias Müller
       
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