# taz.de -- Prozess gegen Becherwerfer vom Millerntor: Das teuerste Bier aller Zeiten
       
       > Das Amtsgericht verurteilt mutmaßlichen Becherwerfer beim Fußballspiel
       > St. Pauli gegen Schalke wegen gefährlicher Körperverletzung - aber so
       > milde wie möglich.
       
 (IMG) Bild: Getroffen: Thorsten Schiffner (r.) berichtet Schiedsrichter Deniz Aytekin.
       
       Am Ende hat Richter Carsten Grote keine Zweifel mehr an der Schuld des
       Angeklagten. Er verurteilt den 44-jährigen Stefan H., weil er am 1. April
       dieses Jahres eine vorsätzliche und auch gefährliche Körperverletzung
       begangen habe. Er soll beim Bundesligaspiel des FC St. Pauli gegen Schalke
       04 einen gefüllten Bierbecher auf den Schiedsrichterassistenten Thorsten
       Schiffner geworfen haben, der diesen im Nackenbereich traf und so schwer
       verletzte, das die Partie abgebrochen wurde.
       
       Mit der Strafzumessung aber bleibt der Amtsrichter weit unter dem
       Strafantrag der Staatsanwaltschaft, die auf eine Bewährungsstrafe von acht
       Monaten Haft plädiert hatte. Aufgrund des zu erwartenden "zivilrechtlichen
       Rattenschwanzes" belässt Grote es bei einer "Verwarnung" plus einer für
       zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzten Geldstrafe von 12.000 Euro.
       
       Zudem muss Stefan H. 1.500 Euro an eine gemeinnützige Stiftung überweisen
       und weitere 1.500 Schmerzensgeld an Schiffner zahlen, der nach eigenen
       Angaben zwei Wochen lang von Nackenschmerzen geplagt wurde. Rechtskräftig
       wird das Urteil aber nicht werden: Unmittelbar nach der Urteilsverlesung
       kündigt Verteidiger Christian Fumagalli an, er werde "Rechtsmittel gegen
       das aus meiner Sicht falsche Urteil" einlegen.
       
       Dass der Prozess damit in eine neue Runde vor dem Landgericht geht, liegt
       vor allem daran, dass das gestrige Urteil dem FC St. Pauli die Tür für eine
       Schadensersatzklage gegen den mutmaßlichen Becherwerfer öffnet. Wegen des
       Spielabbruchs hatte das DFB-Sportgericht verfügt, dass der FC St. Pauli
       sein erstes Heimspiel in der laufenden Saison fernab vom heimischen
       Millerntor mit stark begrenzter Zuschauerzahl austragen musste - den
       Bundesligaabsteiger kostete der Becherwurf so rund 400.000 Euro.
       
       Sich dieses Geld nach einer rechtskräftigen Verurteilung vom Stefan H.
       zurückzuholen, behält der Verein sich vor. "Sie haben vermutlich am 1.
       April den größten Fehler ihres Lebens begangen - das wird wohl das teuerste
       Bier aller Zeiten", schreibt Richter Grote dem Angeklagten ins Stammbuch.
       
       Nicht ganz ohne Aussicht zieht der Angeklagte in die nächste Prozessrunde,
       weil seine Verurteilung bis zum Schluss auf tönernen Füßen stand: Die
       beiden Hauptbelastungszeugen, die jeweils nur Sequenzen des Tathergangs aus
       dem Augenwinkel heraus beobachtet hatten, verwickelten sich in Widersprüche
       zu früheren Aussagen und offenbarten acht Monate nach der Tat erhebliche
       Erinnerungslücken.
       
       Der Kern ihrer Aussagen aber lautet, dass Stefan H. ausgeholt und etwas in
       Richtung Schiedsrichterassistent geworfen habe, unmittelbar bevor dieser zu
       Boden ging. Anschließend sei er sofort geflüchtet, aber drei Stadionordnern
       in die Arme gelaufen, die ihn überwältigt hätten.
       
       Diesen Kern sieht Grote als erwiesen an und spricht von "einer besonders
       feigen Tat", da sie im Rücken des arglosen Linienrichters stattgefunden
       habe und dieser nicht den Hauch einer Ausweichchance gehabt habe. Zwar habe
       der Angeklagte wohl nicht erwartet, den Linienrichter aus großer Distanz
       wirklich zu treffen, dieses aber zumindest "billigend in Kauf genommen" -
       und damit vorsätzlich gehandelt.
       
       Doch würdigt Grote auch, dass hier "kein Hooligan und kein Randalierer" vor
       ihm stehe, sondern ein unbescholtener Familienvater der "situativ eklatant
       versagte", indem er erst ein paar Bier zu viel getrunken und dann ein Bier
       zu viel geworfen habe. Durch diesen Aussetzer habe sich das Leben des
       bislang unauffälligen Mannes aus Seevetal "zu 100 Prozent verändert".
       
       30 Nov 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marco Carini
       
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