# taz.de -- Rechtsstreit beim FC Sion: Posse mit Potenzial
       
       > Der schweizerische FC Sion kämpft um die Teilnahme an der Europa League.
       > Der Verein hat dabei längst die Autonomie des Sports in Frage gestellt.
       
 (IMG) Bild: Streitbarer Mann: Sions Präsident Christian Constantin.
       
       BERLIN taz | "So ein Theater", grinst Sandra in ihrem schwarzgelben Outfit
       der Young Boys Bern und weist den Weg vom Weihnachtsmarkt zum Stade de
       Suisse: "Wenn der FC Sion heute verliert, erhebt er Einspruch. Wenn sie
       gewinnen, ziehen sie den Protest zurück."
       
       Die Frau kennt sich aus mit dem juristischen Binärcode, der die Schweizer
       Erstliga derzeit bewegt. Das letzte Hinrundenspiel zwischen dem Viert- und
       dem Drittplatzierten endete am Sonntag dann 1:1.
       
       Für die Young Boys gleicht dies einer Niederlage. Der Verein um Startrainer
       Christian Gross hat den Kontakt zur Tabellenspitze verloren. Der FC Sion
       hingegen wirkte in dem munteren Super-League-Spiel auch ohne sechs
       gesperrte Spieler gradliniger und behält Tuchfühlung zur Tabellenspitze. So
       kann sich Sions Vereinspräsident Christian Constantin in der Winterpause
       nun wieder ganz dem Theater um eben jene sechs Spieler widmen, die er gegen
       Bern in der Kabine lassen musste.
       
       ## Verletzung der Persönlichkeitsrechte
       
       Das Gezerre um die sechs Spieler, mit dem sich der Schweizer
       Fußballverband, die Uefa, die Fifa, die Sportgerichtsbarkeit und längst
       auch Zivilgerichte beschäftigt haben, begann im Ägypten des Jahres 2008 mit
       der Verpflichtung des Torhüters Essem El-Hadary durch Christian Constantin.
       Der ägyptische Nationaltorwart spielte bis 2009 für Sion, obwohl sein alter
       Klub Al Ahli nie die Freigabe erteilt hatte.
       
       So geht es nicht, urteilte die Fifa und verbot dem FC Sion in zwei
       Transferperioden jede Spielerneuverpflichtung. Wann aber diese beiden
       Transferperioden genau begannen und wann sie zu Ende gingen, darüber wird
       bis heute im Fall der sechs Spieler gestritten, die seit Beginn der Saison
       bei Sion unter Vertrag stehen.
       
       Derzeit wird die Frage diskutiert, ob ein gesperrter Fußballspieler
       eingesetzt werden darf, wenn ein Zivilgericht diesen bis zu einem
       endgültigen Urteil vorläufigen Rechtsschutz gewährt hat?
       "Selbstverständlich!", sagt Constantin und ließ seine Spieler nach dem
       entsprechenden Urteil des Bezirksgerichts Martigny am 3. August zu
       Ligaspielen auflaufen. Am 16. November aber widersprach das übergeordnete
       Kantonsgericht Wallis den Kollegen in Martigny: Eine Verletzung der
       Persönlichkeitsrechte durch die Sperre sei nicht zu beanstanden.
       
       ## Streitbarer Sion-Präsident
       
       Constantins Widerpart, der frühere Ligapräsident Thomas Grimm, drohte
       daraufhin, alle Spiele mit Beteiligung der Gesperrten rückwirkend für
       verloren zu erklären. Für Sion würde dies 16 Punkte Verlust bedeuten. Noch
       in der Winterpause will das Ligakomitee zur Entscheidung darüber
       zusammentreten. Doch eine weitere Konfrontation mit dem streitbaren
       Sion-Präsidenten möchte man möglichst vermeiden. Man will endlich Ruhe, hat
       man doch mit Neuchatels neuem Präsidenten, dem tschetschenischen Oligarchen
       Bulat Tschagajev, derzeit noch deutlich unappetitlichere Problemfälle am
       Hals.
       
       Während die Eidgenossen also auf Ausgleich drängen, spitzt sich der Streit
       des FC Sion auf der internationalen Bühne eher zu. Die Uefa drängt auf eine
       schnelle Entscheidung durch den Internationalen Sportgerichtshof Cas, bei
       dem der Fall auch noch liegt. Sion war - nach erfolgreicher
       Europa-League-Qualifikation gegen Celtic Glasgow - wegen der
       Transferproblematik von der Uefa ausgesperrt worden. Celtic Glasgow durfte
       dagegen antreten - gegen die ausdrückliche Anordnung des zuständigen
       Kantonsgerichts Lausanne. Mehrfach befand das Gericht: Sion müsse in die
       Europa League einbezogen werden und brummte der Uefa eine Geldbuße von
       1.000 Franken für jeden Tag auf, an dem die Teilnahme des Klubs an der
       Europa League noch aussteht.
       
       "Was interessiert mich Platini", meint Constantin gegenüber der taz: "Er
       ist ein Kind, dem man drohte, ihm das Spielzeug wegzunehmen." Gerade ist er
       dabei, den Französischen Fußballverband auf Zahlung von 10 Millionen
       Franken Schadenersatz zu verklagen, weil dieser gegen das Votum des eines
       Schweizer Kantonsgericht das Europa-League-Spiel von Rennes gegen Glasgow
       organisiert habe. Zudem denkt er laut darüber nach, wie seine Mannschaft
       vor der Rückrunde verstärkt werden kann: wegen der anstehenden
       Nachholspiele in der Europa League.
       
       Constantins Kampf wird weitergehen. Und längst geht es um mehr als um einen
       Walliser Fußballklub. Seit dem sogenannten Bosman-Urteil, dem
       Grundsatzurteil des EuGH zu erweiterten Spielerrechten, steht die
       Unabhängigkeit der Sportgerichtsbarkeit im Profifußball auf tönernen Füßen.
       Auch andere Sportverbände dürften den Fall Sion mit Interesse verfolgen.
       
       Im Waadtland am Nordufer des Genfer Sees haben sich in den Weinbergen rund
       um Lausanne 46 Verbände - vom Internationalen Boxverband bis zum IOC -
       niedergelassen. Das Bewusstsein für eine Öffentlichkeit jenseits der
       eigenen Verbandsmauern ist auch da bisweilen unterentwickelt. Dies betrifft
       auch Rechtsfragen, wenn etwa die Sportgerichtsbarkeit mit dem Schweizer
       Zivilrecht kollidiert. Die Provinzposse um den FC Sion ist so gesehen ein
       Theatrum mundi. Am letzten Akt wird noch geschrieben.
       
       8 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fritz von Klinggräff
       
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