# taz.de -- Nachruf: Barfoot klopft an den Sargdeckel
       
       > Berni Kelb, in den 50er-Jahren strammer Kommunist und bei der illegalen
       > KPD, in den 70ern ein Einzelgänger und Theoretiker der Spontis, ist
       > gestorben
       
 (IMG) Bild: Berni Kelb, auch Bani Barfoot, ist am 5. Dezember gestorben.
       
       Ein "barfüßiger Prophet und gefallener kommunistischer Erzengel" war Berni
       Kelb, ein "Anarcho-Kommunist und Querulant", das hat der frühere
       taz-Kolumnist "Urdrue" einmal geschrieben. Am 5. 12. 2011 ist Berni Kelb
       gestorben, bitterarm, auch in Walle unbekannt. Bescheiden wie er war, hat
       er sich auch in seine Einsamkeit gefügt.
       
       Dabei war Berni Kelb einmal Bestseller-Autor, jedenfalls in linken Kreisen,
       und seine Biografie ist ein Stück Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts: Er
       stammt aus einer streng kommunistischen Hamburger Arbeiterfamilie. Sein
       Name wurde Anfang der 70er-Jahre öffentlich bekannt über Bücher, in denen
       er seine eigene kommunistische Vergangenheit verarbeitete. Schonungslos
       rechnete er mit dem Pathos der illegalen KPD der Stalin-Ära ab: "Die
       Mitglieder hatten zwar noch ihren blinden Glauben und guten Willen, aber
       die bezahlten, illegalen Funktionäre konnten ihnen keine Perspektive
       aufzeigen. Sie waren in der Situation einer Drückerkolonne, die Ladenhüter
       verkaufen soll."
       
       1971 veröffentlichte eine "Betriebsfibel" - das war der gesammelte
       Erfahrungsschatz seiner linksradikalen Betriebsarbeit - zuletzt bei der
       Maschinenfabrik Kampnagel. "Es geschieht immer wieder, daß Genossen wie du
       versuchen, in ihrem Betrieb die Belegschaft zu agitieren", fängt das Buch
       an. Genau darum geht es: Wie kann man im Betrieb arbeiten, was sollte man
       lieber nicht machen? Ganz praktisch - und mit hohem Anspruch: "Unsere
       Arbeit gilt der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft. Sie hat das
       Ziel, jede Form der Herrschaft von Menschen über Menschen und die darauf
       beruhende Ausbeutung zu brechen." Kelb kannte auch den "inneren Feind", die
       linken Funktionäre. Sein Rat: "Trau keinem, der dafür bezahlt wird!"
       
       Ich habe den Namen Kelb über sein anderes Buch kennengelernt: "Organisieren
       oder organisiert werden. Vorschläge für Genossen links unten" der Titel.
       Als die Reste der 68er-Bewegung autoritäre Organisationen gründeten, packte
       Kelb aus - zur Freude aller antiautoritär gesinnten, undogmatischen
       Spontis.
       
       Ein Dokument der Zeitgeschichte aus heutiger Sicht, das damals 4 Mark 50
       kostete, heute bei Amazon 39 Cent plus Porto. Irgendwann in den 90er-Jahren
       stand Berni Kelb dann bei der taz in Bremen auf der Matte. Ein kleines,
       schrulliges Männchen, das für die, denen der Name nichts sagte, aufgrund
       seiner nackten Füße auffiel. Auch im Winter.
       
       Natürlich war er nirgends organisiert, wo auch, war ein Einzelgänger. Und
       wollte dennoch etwas sagen. Hin und wieder haben wir einen Text von ihm
       gedruckt - zum Beispiel einen Kommentar über das auch damals diskutierte
       NPD-Verbot.
       
       "Hitler kam an die Macht, weil die Industrie ihn finanziert hat", war vor
       elf Jahren sein Argument. In der NPD sammeln sich dagegen "nur ein paar
       Psychopathen, wie es sie in jeder Gesellschaft gibt." Und dann sein
       Gedanke: "Antidemokratischen Parteien und Organisationen kommt man mit
       innerorganisatorischer Demokratie bei." Es müsste ein Parteiengesetz geben,
       das Maßstäbe für Transparenz und innerorganisatorische Demokratie setzt -
       die dann auch für eine NPD gelten würden.
       
       Eine neue Heimat hat Berni Kelb seit den 90er-Jahren in einer Kultur
       gefunden, in der er aufgewachsen ist: bei den "Plattdeutschen" und ihren
       Alltagsproblemen. Wie mit seiner Mutter in der Küche sang er im hohen Alter
       gern die plattdeutschen Lieder. Rund 50 Theaterkritiken über Aufführungen
       der niederdeutschen Bühne im Waldau-Theater finden sich im taz-Archiv unter
       seinem Künstlernamen Bani Barfoot. Und er hat das Schauspiel Rose Bernd von
       Gerhart Hauptmann ins Niederdeutsche gebracht, eine Tragödie voller
       Sozialkritik, menschlicher Einsamkeit und erotischer Verstrickung.
       
       9 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Wolschner
       
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