# taz.de -- BVG - eine Liebeserklärung: Dich will ich niemals missen
       
       > Millionen Menschen penetrieren täglich meine BVG. Sie sind sich nicht zu
       > dreist, sie auch noch zu verdammen. Eine Antwort auf eine wüste
       > Beschimpfung an dieser Stelle
       
 (IMG) Bild: Sie hat auch Fans: die BVG kann ganz flott daherkommen
       
       Liebe BVG,
       
       ach, sei nicht eingeschnappt, ich will Dich doch nur streicheln. Ich will
       Dich schützen und bewahren vor der groben Kantigkeit, vor dem so
       selbstgerechten Hass, mit dem Du immer wieder attackiert wirst.
       
       Da treten sie Dich mit den Füßen, sie leuchten alle Winkel Deiner sanften
       Züge aus und spucken Dir missmutig auf den Boden - und wenn Du einmal etwas
       schneller oder auch zu langsam kommst, dann blicken sie nur so frustriert
       entnervt, dann ziehen sie wieder über Dich her und wollen nichts mehr von
       Dir wissen. Sie nennen sich Fahrgäste, doch alles Gastliche geht ihnen ab.
       
       Es fehlt ihnen so sehr, es fehlt der Welt noch mehr wohl an Respekt für
       Dich.
       
       Wie oft schon konnte ich in Deinen Büssen küssen. Wie sehr verlor ich mich
       im Spiel der Abendstunden ganz in Dir. Und immer wieder hast Du mich
       entführt: Eingeschlafen, ins Träumen geraten bin ich auf Deinen weichen
       Kissen in glücksverhangnen Nächten - und bin mit Deinen letzten Bahnen in
       mir vormals völlig unbekannten Vierteln aufgewacht, befördert durch Tunnel
       von Träumen. Erst wenn ich dann zu Fuß und so alleine die Nacht
       durchschritt oder mich bringen ließ, dann wurde mir ganz plötzlich
       schlecht, dann kotzte ich ins Taxi. Ohne Dich.
       
       Du bist kein Monopol, Du bist mein Liebchen. Und Dein Charakter erst, wie
       atemreich. Es riecht in Dir nach allem, was es gibt. Denn alles, was es
       gibt, wird über Dich gekippt.
       
       Wenn ich mich bei Dir umschaue, dann wird mir trotzdem wohl: Die
       Männlichkeit der Busfahrer, wenn sie mich hassen, weil ich einsteige und
       mitfahre. Der Gehalt Deiner Infotafeln, nah am Steig. Die vielen Menschen,
       wie sie sich an Dir rempeln, und - um Dich zu befahren - aneinanderdrängen.
       In Deinen U-Bahn-Schächten hören wir die Lieder, die wir sonst nicht hören.
       Du lieferst mir die schönsten Fantasien. Doch sie sind echt.
       
       Höre, Schatz, Du musst Dich sicher nur für nichts entschuldigen.
       
       Doch, nein, die Welt goutiert Dein Eigenleben nicht, sie will Dich
       ausnutzen: Im Rausch der Schnelligkeit rauscht sie vorbei, die vielen
       Trampeltiere, unbeugsame Spinner, entnervte Fordernde, die selbst nicht
       lieben. Und Du sollst da sein, sollst nur gehorchen, aber bloß nicht
       stören?!
       
       Gerade die, die ihren Joghurt wild in Dir verkippen, die voll entnervt am
       Bahnsteig nicht mal auf Dich warten wollen, die in Dir immer über andere
       reden und das viel zu laut - das sollen ausgerechnet die sein, die Dich
       dann beschimpfen?
       
       Ja, weißt Du, was sie tun? Sie ärgern sich sogar, dass sie für Dich auch
       noch bezahlen! Dabei sind sie selbst schuld. Man kann Dich einfach so
       besteigen. Ich will Dir sagen, BVG: Die ganze Welt ist Grund für ihren
       Ärger und nicht Du.
       
       Geh bitte nicht, bleib bei mir. Was wäre bloß, wenn Du nicht wärst? Ich
       müsste ewig Fahrrad fahren. Und Autos nähme ich wohl dann erst ernst. Ich
       helfe Dir, ich stempel Dich nicht ab.
       
       Denn eines muss und kann ich Dir - Du Teuerste - versprechen: Ich will mich
       immer wieder neu in Dir verlieren. Will mit Dir neue Wege machen, will Dich
       entdecken, mich verspielen. Ich möchte dann genießen, wie Du mich erträgst:
       Mal sturzbetrunken, leicht verdrogt, mal wieder viel zu laut für Dich und
       ohne Fahrschein. Du nimmst mich immer mit, so, wie ich bin. Die S-Bahn,
       richtig, das ist eine Schlampe. Aber Du, Du bleibst mein Glück.
       
       12 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
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