# taz.de -- Ausstellung: Städtische Realitäten
       
       > Der Kunstverein Wolfsburg präsentiert die junge, international vernetzte
       > Kunstszene von Buenos Aires und erzählt dabei Geschichten von den
       > Straßen.
       
 (IMG) Bild: Faszination für den - zeitweiligen - Lebensraum: Jorge Macchis "Buenos Aires Tour" (2004).
       
       WOLFSBURG taz | Im Jahr 2006 musste die argentinische Künstlerin Ana
       Gallardo zusammen mit ihrer Tochter kurzfristig ihre Wohnung in Buenos
       Aires aufgeben, denn die Vermieterin wollte sie selbst nutzen. Nach einer
       Odyssee durch wechselnde Quartiere bei Freunden und Verwandten fand
       Gallardo 2007 endlich eine bezahlbare neue Wohnung - in der war allerdings
       kein Platz für ihre alten Möbel.
       
       Deshalb arrangierte Gallardo diese nostalgischen und von der Tochter
       geliebten Stücke auf einen Karren und radelte einen Sonntag lang mit dem
       Gefährt durch die Straßen der Stadt. Ihr Video von dieser Aktion, "Casa
       Rodante", ist zurzeit in einer Ausstellung in Wolfsburg zu sehen: Zusammen
       mit den Arbeiten von zehn weiteren Künstlern oder Gruppen erzählt es
       "Geschichten aus den Straßen" von Buenos Aires.
       
       Kuratorin Anne Kersten verbrachte 2007 sowie nochmals 2010 durch Stipendien
       des Goethe-Instituts einige Zeit in der argentinischen Hauptstadt. Ihre
       Kontakte in die junge und international orientierte Kunstszene des Landes
       hat sie nun für diesen Wolfsburger Querschnitt aktiviert. Es geht ihr
       explizit nicht um eine kunsthistorische Sichtung, ihr Fokus liegt auf
       Ausdrucksformen in der Tradition politischer Konzeptkunst, die sich mit dem
       Alltäglichen und Phänomenen der Stadt beschäftigen.
       
       Die sind in der auf 13 Millionen Einwohner geschätzten Metropole
       vielfältig. Und sie sind global vergleichbar: So gibt es in Buenos Aires
       seit gut zehn Jahren Ambitionen, in einem aufgelassenen Hafendistrikt einen
       modernen und hoch verdichteten Stadtteil aus dem Boden zu stampfen -
       ähnlich der Hafencity in Hamburg oder natürlich den Londoner Docklands.
       Azul Blaseotto thematisiert diese "Zona Liberada" mit all ihren -
       ökologischen - Problemen in einem Video.
       
       Auch die Gruppe m7red, studierte Architekten und wegen ihrer fundierten
       interdisziplinären Arbeitsweise auch gern zu Symposien nach Deutschland
       eingeladen, zeigt per Video einen neuen städtischen Ballungsraum entlang
       des verseuchten Flussbeckens Matanzas-Riachuelo. Im Rahmen der
       Flusssäuberung werden dort Strategien für eine grünere Zukunft erprobt, und
       m7red nun geht sozialen und städtische Problemstellungen nach und erstellt
       eine Kartografie für den Distrikt.
       
       Dass mit insgesamt acht Videos diese Form in der Ausstellung vorherrschen,
       ist dem knappen Budget geschuldet, das keine aufwendigen Transporte
       größerer Kunstobjekte gestattet hätte.
       
       Einen interessanten Kunstimport steuert da die deutsche
       Installationskünstlerin Katinka Pilscheur bei. Auch sie hat 2008 in Buenos
       Aires gearbeitet und brachte einige Gebinde Lackfarben mit, die dort für
       technische Einrichtungen im städtischen Außenraum verwendet werden.
       
       Charakteristisch soll der milde Grünton namens Verde Illusion sein, die
       Grüne Illusion, den Pilscheur von einer Autolackiererei zu einem
       zweieinhalb Quadratmeter großen, monochromen Farbfeld auftragen ließ. Aber
       auch die beiden anderen Farben tragen schöne Namen: Esmeralda, eine
       tieferes Grün, und Gris Vision, ein gräulich verblasster Ton.
       
       Allen ausgestellten Künstlern, ob argentinisch, italienisch oder deutsch,
       ist eine teilnehmende Faszination für ihren - zeitweiligen - Lebensraum
       Buenos Aires gemein: ein Bewusstsein für die spezifische, lange kolonial
       und nun international geprägte städtische Kultur, die einen unendlichen
       Schatz an Erzählungen und Bildern zu bergen scheint.
       
       Um diesen immer wieder und neu zu heben, versucht beispielsweise der
       Fotograf Alberto Goldenstein, seiner eigenen Stadt zu begegnen wie ein
       Fremder, sich einen exotischen Blick auf sie zu bewahren. Heraus kommen
       Fotos wie stille Dokumente, die städtische Realität mit mystischer
       Atmosphäre überlagern.
       
       ## "Buenos Aires - Historias de las calles / Geschichten von den Straßen":
       bis 5. Februar, Kunstverein Wolfsburg Begleitend zeigt das Duo Graw Böckler
       Filmarbeiten aus und über Buenos Aires: bis 8. Januar, Raum für Freunde
       
       15 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Maria Brosowsky
       
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