# taz.de -- HipHop-Renaissance - Sound of 2012: Zuckerschnute rules
       
       > Die 20-jährige Rapperin Azealia Banks wird 2012 zum Star. Das prophezeit
       > zumindest die "Cool List" der britischen Musikbranche. Auf Youtube ist
       > ihr Song "212" der Renner.
       
 (IMG) Bild: Azealia Banks: Zelebriert den Spagat zwischen sexuellen Zoten und selbstbewuster Girlpower.
       
       Was macht die Frau da mit ihrem Mund? Wenn sie sich in einer seltenen
       Textpause kurz mit der Zunge über die Vorderzähne fährt, sich die
       geschlossenen Lippen darüber nach vorne wölben und ganz kurz öffnen, dann
       sieht das - schwarz-weiß, aber bildschirmfüllend - ganz schön obszön aus.
       
       Und auch was sonst aus diesem Mund so herauskommt: uiuiui. "Ima ruin you
       cunt" - "Ich mach dich fertig, Fotze" - gehört noch zu den netteren Sachen,
       die Azealia Banks einer unbekannten Rivalin verbal überbrät.
       
       "212" heißt der fulminante HipHop-Track, mit dem die 20-jährige Rapperin
       aus Harlem gerade die Spitzen der (vor allem) britischen Jahresendlisten
       und Zukunftsprognosen stürmt. Die "Cool List" des britischen Musikmagazins
       NME führt sie vor dem Ewigcoolen Jarvis Cocker an, für den
       öffentlich-rechtlichen britischen Radiosender BBC gehört sie zu denen, die
       den "Sound of 2012" vorgeben.
       
       Verständlich, wenn man sich das seit Ende September über 800.000-mal auf
       Youtube geklickte Video anschaut: Ihre an explicity nichts zu wünschen
       übrig lassende Schimpftirade lässt Azealia Banks über einem eins zu eins
       übernommenen Electro-House-Track des Belgiers Jef Martens alias Lazy Jay
       vom Stapel; ungefähr in der Mitte entspannt sich der ziemlich trockene Beat
       für 30 orgasmusähnliche R&B-Sekunden, bevor Azealia noch einen Zacken
       schärfer weiterrappt.
       
       ## Potty mouth
       
       Hinzu kommt eine minimalistische Bildregie, die ohne viel Federlesens und
       in aller Doppeldeutlichkeit das sprichwörtliche "potty mouth" ("Dreckmaul")
       von Miss Banks ins Visier nimmt. Die ansonsten natürlich die reinste
       Zuckerschnute ist mit ihren abgeschnitten Hot Pants, dem langärmeligen
       Mickey-Mouse-Strickpulli und den vier geflochtenen Girlie-Zöpfen. Frech wie
       Pipi Langstrumpf bläst die niedliche Afroamerikanerin zwischendurch ihre
       Verachtung für irgendeinen "Nigga" gegen das stoische Lächeln des weißen
       kanadischen DJs Jacques Greene: noch so ein sexy Schwarz-Weiß-Kontrast.
       
       Bislang ist das phänomenale "212" noch ein mit Künstlerfreunden
       produziertes Einzelstück - allerdings eines, das viele Türen vor allem in
       Großbritannien öffnet, sei es zu Mike Skinner (alias The Streets), der sie
       auf seine Tracklist setzte, sei es zum Produzenten Paul Epworth (Florence
       And The Machine, Adele), mit dem die New Yorkerin 2012 in London an ihrem
       Debütalbum arbeiten will.
       
       Dem einflussreichen US-Internet-Magazin Pitchfork verspricht Azealia Banks
       dafür "eine Mischung aus 212-Style, heavy House-Pop, Rap-Bitch Shit und
       Winterwunderland R&B". Ziemlich flexibel also, das junge Talent.
       Tatsächlich kommt Banks, die die berühmte New Yorker La Guardia High School
       for Arts and Music absolviert hat, vom Musical. So uncool das Genre in
       Popkreisen auch beleumundet ist: Auf das Handwerk und den Ehrgeiz seiner
       Darsteller kann man sich verlassen.
       
       Wenn sie sich vorher nicht noch verzettelt, stehen die Zeichen also
       ziemlich gut dafür, dass Azealia Banks im bald kommenden Jahr weiter schön
       gründlich verwirren wird mit ihrem Spagat zwischen Weiß und Schwarz, House
       und R&B, sexuellen Zoten und selbstbewusster Girlpower. Und eins ist klar:
       Keine Bitch der Welt kann sie momentan fertigmachen.
       
       17 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eva Behrendt
       
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