# taz.de -- Austellung in Kunsthalle: Ein Kahn kehrt heim
       
       > "Schauen, was das Schiff macht": Lange Zeit gehörte die "Al Zahraa" zum
       > Inventar des Bremerhavener Hafens. Dann wurde der irakische Frachter
       > weggebracht und verschrottet. Karen Koltermann lässt das Wrack in der
       > örtlichen Kunsthalle wiederauferstehen.
       
 (IMG) Bild: Wenn schäumendes Wasser erscheint, sind wir kurzzeitig auf der sicheren Seite: "Überfahrt".
       
       BREMERHAVEN taz | Und dann ist, eines Morgens, einfach das Schiff weg.
       Wurde abgeschleppt, von Bremerhaven aus ein Stück durch die Nordsee
       gezogen, weiter ging es durch den Nord-Ostsee-Kanal und dann rüber über die
       Ostsee in den Hafen im litauischen Klaipeda - zum Abwracken.
       
       Nun aber ist die "Al Zahraa", die über 21 Jahre lang in Bremerhaven vor
       Anker gelegen hatte, noch einmal zurückgekehrt. Dank der in Bremen
       geborenen, in Bremerhaven aufgewachsenen Künstlerin Karen Koltermann, die -
       logisch - Tochter eines Seemanns ist.
       
       Und das alles kam so: 1983 im Auftrag des irakischen Staates in Dänemark
       als Schwergutfrachter gebaut, transportierte die "Al Zahraa" während des
       Iran-Irak-Krieges Panzer. Im Sommer 1990 fuhr das Schiff nach Bremerhaven
       zur Reparatur: Die Motoren sollen überholt werden.
       
       Doch kaum war sie angekommen und vertäut, kaum waren die Motoren ausgebaut,
       brach mit dem Überfall des Iraks auf das benachbarte Kuwait der erste
       Irak-Krieg aus.
       
       Das Schiff fiel unverzüglich unter das Embargo, das die Vereinten Nationen
       gegen den Irak verhängten. Die Mannschaft wurde abgezogen - bis auf zwei
       Matrosen.
       
       Aus Wochen wurden Monate, dann Jahre und schlussendlich zwei Jahrzehnte: Am
       Ende versuchte sogar die Bundesregierung selbst zu klären, wie es möglich
       wäre, das längst nicht mehr fahr-, geschweige denn seetüchtige Schiff
       zurückzuführen. Allein die Kosten für eine Instandsetzung haben ja längst
       jeden Rahmen gesprengt. Es bleibt nur das Abwracken.
       
       ## Aus Stahl werden Videos
       
       Daher ist sie nun nicht etwa wieder in ihrem tatsächlich-technischen
       Daseinszustand aus Stahl, Blech, Treppenaufgängen, Bullaugen und Ankerkette
       sowie jeder Menge Kabellage am Kai zu betrachten. Koltermann hat die "Al
       Zahraa" in die Bremerhavener Kunsthalle gebracht - und sie dabei
       transformiert in ein Ensemble aus Filmprojektionen, bedruckter Fotoplane
       und nicht zuletzt Malerei. "Home" heißt die Ausstellung.
       
       2003 ging Karen Koltermann zum ersten Mal an Bord, es entstanden
       Filmaufnahmen. Die bearbeitet Koltermann, indem sie eigene Seemalerei auf
       Leinwand in die fließenden Bilder kopiert. Ihre Annäherung an die "Al
       Zahraa" spielt zwar mit der Aura des Dokumentarischen, doch ihre
       Einstellungen und Ausschnitte lassen viel Raum für eigene Assoziationen und
       sogar Abschweifungen.
       
       Wenn die Kamera über Deck zieht, wenn sie durch Türen tritt und eintaucht
       in das Innere, durch die Gänge fast taumelnd voranschreitet, auf der Suche
       nach Überlebenden kurz eine Fototapete mit Regenwaldmotiven streift, dann
       wirkt all das auch wie die Suche nach den letzten Überlebenden.
       
       Dass nirgends Menschen erkennbar auftauchen, ihre Abwesenheit aber überall
       sichtbar ist, das ist hier ein Grundprinzip. Beinahe tröstlich sind da die
       hin und wieder dazu gemalten Möwen: Um die Entscheidungen der Menschen, ob
       etwas bleibt oder wie es zu verschwinden hat, scheinen sie sich nicht zu
       kümmern.
       
       Ebenfalls ganz wunderbar und als Intro zu empfehlen ist eine dreiteilige
       Filminstallation, bei der sich der Blick dem Schiff gegenüber vom Wasser
       nähert - und bald ist es schwer zu unterscheiden und also zu beurteilen, ob
       nun nach und nach eine bemalte Leinwand abgebildet oder eine
       fleckig-brüchige Schiffswand abgefilmt wird.
       
       Nur wenn schäumendes Wasser am unteren Bildrand erscheint, sind wir
       kurzzeitig auf der sicheren Seite des Erkennbaren. Einmal auch ist die "Al
       Zahraa" wie in voller Fahrt zu sehen. Aber nur kurz, dann wird sie
       sekundenschnell wieder vom Nebel eingehüllt, entschwindet unserem Blick.
       
       "Das Schiff war zuletzt hier in Bremerhaven eine richtige Anlaufstelle",
       erzählt Maren Meier vom Kunstverein: "Wenn die Menschen am Sonntag entlang
       des Hafens spazieren gingen, hatten sie so ein Ziel: ,Mal schauen, was das
       Schiff macht'."
       
       Die Ausstellung in ihrer rauen Poesie, was sowohl die Betrachtungsweise wie
       noch mehr die Materialität betrifft, eignet sich im Übrigen auch gut als
       Kommentar zu den städtebaulichen Umwälzungen, die gerade im unmittelbaren
       Hafenbereich Bremerhavens seit einiger Zeit zu beobachten sind: Damit sucht
       die Stadt sich offenbar ihres Images als bundesdeutsches Schmuddelkind mit
       Rekordarbeitslosenquote und merkwürdiger rechtspopulistischer
       Rathausfraktion zu entledigen.
       
       ## Haven im Wandel
       
       Wo einst erst Kisten, dann Container abgesetzt wurden, erheben sich längst
       mal repräsentative, mal verspieltere Gebäude aus Stahl und Glas, die mit
       Macht des Abends hell erleuchtet werden: Handfeste und greifbare Arbeit hat
       sich gerade vom Hafenpanorama her gesehen in eine diffuse, weil zeitlose
       Dienstleistung gewandelt.
       
       "Havenwelten" nennt sich der dazugehörige örtliche PR-Verbund, der
       gleichermaßen für Freiheit, Shopping und Wissenschaft wirbt - vom Klimahaus
       über den Zoo am Meer bis hin zum Auswanderermuseum sind wichtige
       Bremerhavener Institutionen mit dabei.
       
       "Wir sind daran nicht beteiligt, weil es uns um die Kunst geht und wir
       nicht der verlängerte Arm der Stadt oder des Kulturamtes sind", sagt
       dagegen Jürgen Wesseler, Vorsitzender des Kunstvereins, der auch die
       Kunsthalle betreibt.
       
       Da passt es auch, dass Koltermann auf jeglichen Off-Kommentar verzichtet,
       stattdessen eine Klangcollage aus stampfenden Maschinen, plätscherndem
       Wasser und vibrierendem Metall über das zu Sehende legt und so auf den
       Besucher als einen fähigen und vor allem souveränen Betrachter setzt, der
       allzu deutliche Interpretationsangebote nicht benötigt.
       
       ## Prozess der Heimholung
       
       Auch wenn sich die "Al Zahraa" real aufgelöst haben mag: Für die Künstlerin
       dürfte der Prozess der Heimsuchung und -holung eines Schiffes als
       Thematisierung von zu Hause, wenn nicht gar Heimat so schnell nicht
       abzuschließen sein: Sie hat während ihres Aufenthaltes in Klaipeda von der
       dortigen litauischen Abwrackfirma jede Menge Dokumente über die
       Abwrackungen anderer Schiffe überlassen bekommen, darunter der "Bibi
       Altona", auf der die Stadt Hamburg lange Zeit Flüchtlinge einquartiert hat.
       
       "Die Fotos sind einfach toll, sie wurden mir einfach so übergeben und ich
       kann damit machen, was ich will", erzählt Koltermann: "Ich muss nun in Ruhe
       überlegen, ob und wie ich sie verfremde und einsetze."
       
       Maren Meier wiederum hat in Bezug auf den nun demontierten irakischen
       Frachter noch viel Emphatischeres gehört: "Es wird erzählt, dass es Leute
       geben soll, die abends in den Hafen gehen und dort leise nach der ,Al
       Zahraa' rufen."
       
       ## bis 22. Januar, Bremerhaven, Kunsthalle
       
       22 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Keil
       
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