# taz.de -- Schatzbriefe für Entwicklungshilfe: Niebel beerdigt seine Lieblingsidee
       
       > Mit Schatzbriefen wollte Entwicklungsminister Niebel Hilfsgelder
       > einsammeln - ohne Steuern. Nun ist die Idee an der Finanzkrise
       > gescheitert.
       
 (IMG) Bild: Wie soll man das bezahlen? Dirk Niebel beim Brunnenbau in Bangladesh.
       
       BERLIN taz | Wie schnell sich eine Erfolgsmeldung relativieren kann, erlebt
       momentan Entwicklungsminister Dirk Niebel. Noch im Oktober hat sein
       Planungsstab eine betont positive Halbzeitbilanz erarbeitet, aufgeführt
       werden sieben Ziele aus dem Koalitionsvertrag, die bereits erreicht seien.
       Darunter auch das Ziel, mehr Finanzmittel für sein Arbeitsfeld zu bekommen,
       auch "mit dem Ziel, den Kapitalmarkt und Privatinvestoren an der
       Entwicklungsfinanzierung stärker zu beteiligen". Doch das wichtigste
       Projekt aus diesem Bereich erklärt der FDP-Minister nun, nur zwei Monate
       später, für gescheitert.
       
       Der Entwicklungsschatzbrief werde nicht kommen, erklärte Niebel in der
       Berliner Zeitung, die Marktlage lasse dies nicht zu. Die Idee des Projekts
       war, dass Privatpersonen einen Schatzbrief erwerben, für den sie vom Bund
       lediglich einen Inflationsausgleich gezahlt bekommen. Die Zinseinnahmen
       würden die engagierten Geldgeber dann als Entwicklungsmittel dem
       Ministerium für dessen Projekte abtreten.
       
       Das Problem an der Idee: Durch die Finanz- und Wirtschaftskrise sind die
       Zinsen momentan relativ niedrig, die Inflation allerdings verhältnismäßig
       hoch. Für wenig Hilfsmittel müsste also ein hoher Inflationsausgleich
       gezahlt werden, die Idee würde nicht mehr funktionieren. Eine Änderung der
       Marktlage ist jedoch auf den wackeligen Finanzmärkten nicht in Sicht. Damit
       wird der Schatzbrief nun als Idee beerdigt, noch bevor er wirklich zum
       entwicklungspolitischen Instrument werden konnte.
       
       ## Ein ideologisches Dilemma
       
       Brisant dabei: Der Schatzbrief ist ein politisches Produkt aus der Reihe
       "Alternative Finanzierungsinstrumente". Diese werden seit Jahren gesucht,
       um die fehlende öffentliche Finanzierung von Entwicklungshilfe
       auszugleichen. Deutschland hat sich hierbei seit Jahrzehnten verpflichtet,
       0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungsprojekte auszugeben,
       momentan liegt der Wert jedoch nur bei rund 0,38 Prozent. Seit einigen
       Jahren hat sich das Ziel jedoch konkretisiert, die 0,7 Prozent sollen bis
       2015 erreicht sein. Die Zeit drängt, es werden also neben den staatlichen
       Geldern ergänzende Mittel benötigt.
       
       Und da entsteht für den Entwicklungsminister ein ideologisches Dilemma:
       Denn Niebel will keine neuen Steuern, auch nicht für sein eigenes
       Ministerium. Am Anfang der Legislaturperiode kritzelte er dieses Bekenntnis
       schon einmal auf eine Ministervorlage, als es um die
       Finanztransaktionssteuer ging. Selbst dieses urentwicklungspolitische
       Instrument wollte der Minister mit Blick auf die eigene Parteizugehörigkeit
       nicht - auch wenn es viele Probleme lösen könnte.
       
       Dass nun selbst CDU-Kanzlerin Merkel für die Steuer eintritt, ficht ihn
       nicht an. Seine persönliche Haltung zu der Steuer hat sich nicht geändert.
       Auch wenn er sich in seinen öffentlichen Statements mittlerweile hinter der
       Position versteckt, er unterstütze eine europaweite
       Finanztransaktionssteuer. Die wird es aber wegen der Unerschütterlichkeit
       Großbritanniens in diesem Bereich nicht geben.
       
       ## Der Hebel für das 0,7-Prozent Ziel
       
       Dass nun mit dem Entwicklungsschatzbrief auch eines der wenigen Instrumente
       aus dem eigenen, liberalen Ideenkasten Niebels gescheitert ist, lässt für
       die Perspektiven der Entwicklungsgelder nicht mehr viel erwarten. Denn
       viele weitere Ideen gibt es nicht mehr.
       
       Man wolle nun "eine Hebelung der Finanzmittel", lässt Niebel über Sprecher
       mitteilen, und eine "weitere Zusammenarbeit mit der Privatwirtschaft". Bei
       der Hebelung sollen Kreditmittel an Entwicklungsländer für das
       0,7-Prozent-Ziel angerechnet werden, sofern den Ländern auch ein Teil des
       Geldes geschenkt wird.
       
       "Die Hebelung gibt es schon immer", sagt der Grünen-Entwicklungspolitiker
       Thilo Hoppe, tatsächlich hat es diesen Mechanismus auch schon unter der
       rot-grünen Regierung gegeben. Für ihn liegt das Problem tiefer: "Es gibt
       keine glaubwürdigen Strategien, wie der Minister das 0,7-Prozent-Ziel
       erreichen will."
       
       Auch in der SPD wird die Politik Niebels bei dem Thema Finanzierung
       kritisiert: "Entwicklungspolitik nur über private Mittel zu finanzieren,
       ist nicht glaubwürdig", sagt die Fachpolitikerin Bärbel Kofler; auch für
       ihren Fraktionskollegen Sascha Raabe war der Schatzbrief nur "ein
       Ablenkungsmanöver".
       
       Und was die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft angeht, so hat Niebel auch da
       ein Problem. "Diese Mittel sind nicht für die öffentliche Entwicklungshilfe
       anrechenbar", sagt der Grüne Thilo Hoppe. Es bleibe dabei: "Niebels
       Finanzierungslücke sind 1,2 Milliarden Euro - daran führt kein Weg vorbei."
       
       29 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gordon Repinski
       
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