# taz.de -- Die Wahrheit: Die Tassen im Schrank Nordkoreas
       
       > Die Sache mit Nordkorea war wirklich ein glücklicher Zufall ...
       
 (IMG) Bild: Strammstehen: Michael P. Spavor instruiert ein nordkoreanisches Basketballteam
       
       ... Weil während einer Zwischenlandung in Pjöngjang die Nachricht vom
       Ableben des lieben Führers die Runde machte und das Land augenblicklich in
       Schockstarre verfiel, konnte ich unbemerkt an der verwaisten
       Einwanderungskontrolle vorbeischlendern.
       
       Ein zuständiger Beamter setzte mir zwar noch nach, musste dabei aber so
       sehr schluchzen, dass er bald mit Seitenstechen zusammenbrach, während ich
       in die letzte U-Bahn in Richtung Innenstadt schlüpfte. Uff.
       
       Es ging vorbei an den Haltestellen "Signalfeuer", "Blühendes Licht",
       "Triumphale Wiederkunft", "Goldenes Feld", "Sieg" und "Kriegssieg" bis nach
       "Erziehung der Schüler durch Wissen, Moral und Sport". Dort stieg ich aus
       und tauchte sogleich in den werktätigen Massen unter, die zu einem
       zentralen Platz strebten. Sanft, als weine der Himmel selbst gefrorene
       Tränen, wirbelte der Schnee um die messerscharfen Ecken trutziger Gebäude,
       die von einem depressiven Le Corbusier entworfen worden sein mussten.
       
       Ich sah mich um und staunte nicht schlecht: Die weise Wirtschaftspolitik
       des lieben Führers hatte ihn verwirklicht, den alten Traum von der
       autofreien Großstadt. Vor den Geschäften bildeten sich lange Schlangen,
       weil Kim Jong Il kurz vor seinem Tod durch Überanstrengung seinem Volk noch
       etwas Gutes getan hatte: Fisch für alle! Fisch und bisher unerschwingliche
       Luxusgüter wie Büroklammern oder diese kleinen runden Filzteile, die man
       unter Stuhlbeine kleben kann, damit die nicht das Parkett zerkratzen.
       
       Westliche Beobachter wissen das nicht zu schätzen. Im Gegenteil wird
       spekuliert, ob die Trauer der Untertanen tatsächlich echt war. In der
       Totalen würden die Straßen gar nicht sooo voll wirken, und steinerweichend
       geheult worden wäre nur in den ersten Reihen, von Schauspielern, die mit
       vorgehaltener Waffe dazu gezwungen werden mussten.
       
       Ich mag solch westlicher Propaganda nichts abgewinnen, konnte ich mich doch
       persönlich vom ordnungsgemäßen Zustand der Trauer überzeugen. Rotz und
       Wasser waren authentisch und wurden immer ansteckender, je näher der
       Trauerzug rückte. Als man endlich eine Kamera auf mich richtete, konnte
       auch ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten.
       
       Da waren die weißen Tiger aus dem Privatzoo des lieben Führers, die im
       Fernsehen wegen des Schnees und der grobkörnigen Auflösung nur sehr
       schlecht zu erkennen waren. Ihnen folgte, in einigem Abstand, der
       Wagenkonvoi in der Geschwindigkeit gemessenen Schrittes.
       
       Bei der Limousine, auf deren Dach der Sarg transportiert wurde, handelte es
       sich unabweislich - um einen Lincoln Continental von 1975! Das musste ein
       asiatisch verrätseltes Sinnbild sein: Das Paradeprodukt des Erbfeindes, das
       amerikanischste Automobil aller Zeiten, chromblitzendes Sinnbild des
       ölhungrigen Kapitalismus, brachte den lieben Führer ins Grab. Was, wenn in
       Wahrheit alle Welt vollkommen irrsinnig geworden ist und nur in Nordkorea
       die Leute noch alle Tassen im Schrank haben?
       
       30 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Arno Frank
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Nordkorea
       
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