# taz.de -- Porträt über den verfolgten syrischen Kurden Hussein Dauud: Eine vorhersehbare Odyssee
       
       > Nach zehn Jahren konnte der syrische Kurde Hussein Dauud erneut nach
       > Braunschweig fliehen - von dort war er einst trotz Protestes von
       > Flüchtlingsinitiativen nach Syrien abgeschoben worden. Hinter ihm liegen
       > Jahre voll Folter und Geheimdienstverfolgung.
       
 (IMG) Bild: Hussein Dauud zurück in Braunschweig: Nach seiner Abschiebung nach Syrien wurde der Kurde inhaftiert und gefoltert.
       
       BRAUNSCHWEIG taz | Hussein Dauud ist zurück. Zurück in Braunschweig, von wo
       aus er vor gut zehn Jahren nach Syrien abgeschoben worden war. Im Frühjahr
       2010 ist Dauud erneut nach Deutschland geflohen. Und wollte zurück nach
       Braunschweig, obwohl er an die Stadt "neben guten auch schlechte
       Erinnerungen" hat, wie er sagt.
       
       Wenn Dauud heute über das spricht, was er während der zehn Jahre zwischen
       Abschiebung und Rückkehr erlebt hat, stockt er, immer wieder bricht ihm die
       Stimme weg. Im Dezember 2000 wurde der damals 29-jährige Kurde, der im Jahr
       1995 vor politischer Verfolgung nach Deutschland geflohen war, nach Syrien
       ausgeflogen. Und noch im Flughafen von Damaskus wurde er von syrischen
       Geheimdiensten verhaftet.
       
       Zwei Jahre dauerte seine Odyssee durch syrische Gefängnisse. Dauud erzählt
       von Einzelzellen ohne Licht und voller Ungeziefer. Er berichtet, durch
       laute Musik vom Schlafen abgehalten und mit Wasser überschüttet worden zu
       sein, sobald ihm die Augen doch zugefallen sind. Stundenlang, sagt er,
       wurde er verhört. Unter Schlägen, die Hände auf dem Rücken gefesselt, die
       Augen verbunden. "Ich wusste nie, aus welcher Richtung die Hiebe kommen",
       sagt er.
       
       Der Vorwurf der syrischen Behörden: Mitgliedschaft in einer politischen
       Geheimorganisation, die versuchte Spaltung Syriens, die Teilnahme an
       Protesten gegen das syrische Regime im Exil in Deutschland.
       
       Nach der Abschiebung galt Dauud zeitweise als tot.
       Menschenrechtsorganisationen forderten Aufklärung über sein Schicksal.
       Niedersachsens SPD-Regierung stoppte für einige Zeit Abschiebungen nach
       Syrien. Nach Monaten Haft erhielt die deutsche Botschaft Zugang zu Dauud.
       Seine Familie durfte ihn nach fast einem Jahr erstmals sehen. Der
       Botschaftsbesuch und der Einsatz von Menschenrechtsorganisationen -
       wiederum Anlass für neue Verhöre und Misshandlungen. Ihm sei sogar
       unterstellt worden, deutscher Agent zu sein, sagt er.
       
       Es ist nicht so, dass Dauuds Schicksal nicht vorhersehbar war: Er selbst
       hatte Ende der 90er an die niedersächsischen Behörden appelliert, ihn vor
       Haft und Folter zu schützen und nicht abzuschieben. Flüchtlingsinitiativen
       hatten mit großen Kampagnen davor gewarnt.
       
       Auch nach seiner Haftentlassung hörten die Befragungen und Misshandlungen
       durch die Geheimdienste nicht auf. Bis zu seiner zweiten Flucht nach
       Deutschland im Frühjahr 2010 wurde er regelmäßig vorgeladen. "Davor", sagt
       er, "kam immer wieder alles hoch." Er war unruhig, hatte Schlafstörungen,
       Angstzustände. Ruhe hat er erst heute, wie er sagt. Mittlerweile ist der
       40-Jährige offiziell als Flüchtling anerkannt. Seit kurzem hat er eine
       eigene Wohnung - 31 Quadratmeter, die er gerade einrichtet. Danach will er
       einen Integrationskurs besuchen. Dieses Mal, sagt Dauud, waren die Behörden
       ganz unkompliziert.
       
       Ende der 90er-Jahre waren ihm zwei Asylanträge abgelehnt worden. Zur
       Vorbereitung seiner Abschiebung wurde er als angeblicher
       Identitätsverschleierer in ein Durchgangslager des sogenannten Projekt X
       eingewiesen - ausgerechnet in Braunschweig, wo es Dauud jetzt wieder
       hingezogen hat. Durch besonders restriktive Maßnahmen wurden Papierlose in
       dem Modellprojekt aus Zeiten der SPD-Alleinregierung gedrängt, an der
       Identitätsfeststellung mitzuwirken. Dauud hatte nie ein anderes
       Herkunftsland als Syrien angegeben, die syrischen Behörden aber weigerten
       sich lange, dem Kurden Papiere auszustellen.
       
       Der Fall Dauud, für den Flüchtlingsrat Niedersachsen steht er "exemplarisch
       für den Versuch der Behörden, Menschenrechtsverletzungen in Syrien klein zu
       reden und Verfolgungsfälle zu bagatellisieren". Bundesweit gilt wegen der
       Proteste gegen das Assad-Regime derzeit ein Abschiebestopp nach Syrien, in
       Niedersachsen, wo fast 1.500 der 4.775 ausreisepflichtigen Syrer leben,
       seit Mai 2011. Davor hat Niedersachsen seit 2009 über 400 Menschen nach
       Syrien abgeschoben - fast doppelt so viele wie jedes andere Bundesland.
       
       Noch im Februar besuchte eine Delegation des niedersächsischen
       Wirtschaftsministeriums das Land und zog eine "positive Bilanz": Syrien sei
       "weltlich orientiert", Präsident Assad stehe dem Volk näher als "andere
       Machthaber in der arabischen Welt".
       
       Hussein Dauuds Schilderungen klingen anders: Am eigenen Körper habe er die
       Mechanismen erlebt, wegen derer die Bevölkerung 40 Jahre lang die Stimmen
       nicht erhoben habe, sagt er. Jetzt aber sei "die Wut der Menschen
       explodiert" und "die Mauer der Angst durchbrochen".
       
       30 Dec 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Teresa Havlicek
       
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