# taz.de -- Sozialistisches Internet: Wikipedia auf Kubanisch
       
       > Kuba hat eine eigene „Wikipedia Cubana“ gestartet – um der Szene um
       > „Cybersöldnerin“ Sánchez etwas entgegenzusetzen. Doch bislang kennt kaum
       > jemand EcuRed.
       
 (IMG) Bild: Die bekannte Bloggerin Yoani Sánchez wird auf EcuRed als „Cybersöldnerin“ bezeichnet
       
       HAVANNA taz | Nur einen Steinwurf von der Autobahn entfernt, an einer der
       Ausfallstraßen Havannas, stehen frisch gestrichene Betonwürfel. „Hier ist
       unsere Informatikuniversität untergebracht“, erklärt der Reiseleiter mit
       stolzer Stimme.
       
       Mehrere tausend Studenten sind an der Uni nahe dem internationalen
       Flughafen von Havanna eingeschrieben. Hier ist aber noch etwas anderes zu
       Hause – die vielen kubanischen Webseiten, allesamt regierungsamtliche
       Projekte.
       
       Bis 2002 war in dem Betonkomplex die sowjetische Abhörzentrale Lourdes
       untergebracht. „Heute wird hier EcuRed gepflegt“, sagt Reiseleiter Jesús.
       EcuRed ist das Wikipedia Kubas – betrieben von staatlichen Bloggern. „Die
       Informatiker haben rund um die Uhr Zugang zum Internet. Das ist sehr
       innovativ.“
       
       In kaum einem Land der Welt ist die Auffahrt ins World Wide Web so
       schwierig wie auf der Insel. Langsame Leitungen und damit quälend langes
       Warten auf die Seiten, das ist in Kuba Usus. Kaum ein Kubaner, der nicht
       über die Trägheit des Netzes schimpft. „Jeden Gast, der uns ein Mail mit
       Foto schickt, verfluche ich insgeheim“, erzählt Oscar Acosta, ein privater
       Zimmervermieter im Zentrum Havannas.
       
       „Es dauert extrem lang, bis das Foto geladen ist, und oftmals bricht die
       Leitung zwischenzeitlich zusammen“, klagt der Mann, der eine kleine
       Gründerzeitvilla besitzt. „Ja, ich habe von EcuRed, unserem Wissensportal,
       gehört. Aber bis die Seite lädt, kann ich auch schon mal Kaffee kochen“,
       winkt der gelernte marxistische Ökonom ab.
       
       Acosta hat sich den Zugang zum Internet illegal besorgt. Die meisten Gäste
       melden sich nun einmal per Mail an. Umgerechnet zwanzig US-Dollar zahlt er
       im Monat, um sein Mailkonto täglich vom eigenen Computer abrufen zu können
       – über ein altes Wähl-Modem. So geht es den allermeisten der kubanischen
       Internautas, wie die Internetfans auf der Insel genannt werden.
       
       Zu denen gehören auch die Macher der Enciclopedia Cubana. Das Wissensportal
       ging Ende 2010 mit 20.000 Seiten an den Start. Heute zählt es rund 75.000
       Seiten sowie eine Bibliothek mit etlichen tausend wissenschaftlichen
       Aufsätzen. „Wissen mit allen und für alle“ lautet der Untertitel der Seite,
       mit der die staatliche kubanische Sicht der Dinge vermittelt werden soll.
       Dafür wird landesweit gearbeitet – an der Informatikuniversität, in den
       Ministerien und landesweit in rund 600 Computerclubs.
       
       ## „Conexion a wiki fallida“
       
       Anders als bei Wikipedia darf im EcuRed jedoch nicht jede und jeder eigene
       Beiträge posten. Bei EcuRed muss man oder frau sich erst einmal
       registrieren, um mitmachen zu können – und das ist alles andere als
       einfach. „Conexion a wiki fallida“, Verbindung zu wiki gescheitert, lautet
       die Nachricht bei verschiedenen Anläufen im schöner Regelmäßigkeit.
       
       Das erweckt den Anschein, dass nicht jeder ohne Weiteres mitmachen kann bei
       Kubas Wikipedia. „Verantwortlichkeit, Rückverfolgbarkeit, Originalität und
       Zuverlässigkeit“ sind ohnehin zentrale Kriterien zum Mitmachen. Wer dabei
       sein will, muss sich den EcuGrupos anschließen, die es in allen kubanischen
       Provinzen gibt.
       
       An Interessenten aus dem Ausland scheint niemand gedacht zu haben. Bei den
       zwölf Tipps zur Recherche, die auf der Seite genannt werden, findet sich
       keine Seite aus dem Ausland. Nicht mal an die befreundeten Bruderstaaten
       wie Venezuela, Bolivien oder Nicaragua hat man gedacht. Dort wird das
       kubanische Wikipedia genau beobachtet – denn schließlich ist nicht nur
       Venezuelas Präsident Hugo Chávez an einer positiven Außendarstellung seines
       Landes interessiert.
       
       Die Eindimensionalität bei der Recherche birgt allerdings den Nachteil,
       dass die Informationen auf dem kubanischen Wiki EcuRed nicht immer die
       aktuellsten sind. So datieren die letzten Informationen zur Seite über
       Deutschland von 2006. Auch beim Pro-Kopf-Einkommen von 129.500 US-Dollar
       scheint sich ein Fehler eingeschlichen zu haben.
       
       Kleinigkeiten – denn schließlich geht es darum, dass „die Welt Kuba besser
       versteht“. Geschrieben wird dabei aus „dekolonialisierender Perspektive“.
       Dabei kommt der mächtige Nachbar im Norden nicht allzu gut davon.
       
       Die USA seien historisch dadurch aufgefallen, dass sie mit Gewalt Gebiete
       und Bodenschätze anderer Länder ausgeraubt haben, so steht es auf EcuRed zu
       lesen. Zudem verbrauche die mächtigste Nation aller Zeiten ein Viertel der
       weltweiten Energieproduktion und lasse ein Drittel ihrer Bevölkerung ohne
       Gesundheitsversorgung. In Kuba undenkbar.
       
       ## Die Opposition wird nicht totgeschwiegen
       
       Das kann man auf den Seiten zur Gesundheitsversorgung der Insel schnell
       nachschlagen – wenn die Seite denn lädt. EcuRed hat allerdings auch einige
       Überraschungen in petto, denn die Opposition auf der Insel wird, anders als
       im kubanischen Alltag, nicht totgeschwiegen.
       
       Lange, detaillierte Beiträge zu dem christdemokratischen Oppositionellen
       Oswaldo Payá finden sich genauso wie zu Elizardo Sánchez, dem bekannten
       Menschenrechtsaktivisten. Auch die international bekannte Bloggerin Yoani
       Sánchez taucht dort auf – allerdings wird sie als „Cybersöldnerin“
       bezeichnet, die angeblich aus den USA finanziert werde. In Kuba könne sie
       weitgehend unbehelligt das Internet nutzen. Das soll zumindest ein Foto der
       Bloggerin im berühmten Hotel Nacional nahelegen.
       
       Die Realität sieht allerdings ganz anders aus. So ist der Zugang zum World
       Wide Web in Kuba ausgesprochen teuer. Zwischen 8 und 14 CUC, dem
       kubanischen Devisenpeso, der im Verhältnis 1:1 an den US-Dollar gebunden
       ist, kostet die Stunde im World Wide Web auf der Insel. „Das kann sich kaum
       jemand leisten angesichts eines Durchschnittslohns von umgerechnet rund 20
       Euro“, kritisiert Kubas international bekannter Schriftsteller Leonardo
       Padura.
       
       Der bärtige Mann gehört zu den wenigen Kubanern, die ganz offiziell zu
       Hause online gehen können. Der 56-Jährige kennt die Wikipedia Cubana nicht
       einmal – und das trifft für so manchen der angeblich 1,6 Millionen
       Kubanerinnen und Kubaner zu, die laut offiziellen Zahlen Zugang zur
       digitalen Welt haben.
       
       Die nutzen das Netz jedoch ähnlich wie Computerfreak Miguel Díaz
       Monteguado. „Wenn ich mal Zugang habe, dann reicht es gerade, um ein paar
       Mails an Freunde und Bekannte abzusetzen, zum Surfen bleibt keine Zeit“,
       erklärt der 29-jährige Rockfan. Er hat noch nie etwas von EcuRed gehört.
       Obwohl er in einem Kulturzentrum mit internationalen Kontakten arbeitet,
       hat er in aller Regel keinen Zugang zum Internet.
       
       Ein Erfolgsgeschichte ist das Wikipedia Cubana demnach bisher im Inneren
       der Insel nicht. Vielleicht ist es jedoch in der weltweiten Solidargemeinde
       besser angekommen. Die war allerdings auch zuvor schon ganz gut informiert.
       
       8 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karl Kaufmann
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Recherchefonds Ausland
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