# taz.de -- Gekonnte Seifenoper: Jane Doe und der Nazi-Vergleich
       
       > Das Leben ist oft irrer als die Fiktion: Das zeigt sich an den
       > republikanischen Präsidentschaftsanwärtern. Wäre das nicht einen Film
       > wert? Und wenn ja, welchen?
       
 (IMG) Bild: Im Film würde James Coburn den eindrucksvoll gescheitelten Mormonen Mitt Romney spielen.
       
       Manchmal hat einfach nur die Castingagentur gepennt: Die Bundesrepublik
       Deutschland beispielsweise hatte die Rolle des Regierungschefs 16 Jahre
       lang mit jemandem besetzt, der Barbapapa ähnelte. Seit 2005 wird das Land
       von einem weiteren Mitglied der Knubbelfamilie, einer Barbamama, regiert.
       
       Europa ist aber nicht Amerika, dort hat die Besetzung mehr zu bieten. Von
       Stanley Donen stammt das Drehbuch zu "Charade", einem Film, dessen Titel
       trotz Produktionsjahr 1963 prophetisch auf den aktuellen US-Vorwahlkampf
       anspielt.
       
       Eine freundliche Amerikanerin, sozusagen die Jane Doe des Landes (in
       Gestalt von Audrey Hepburn, die für den amerikanischen Durchschnittswähler
       steht), wird nach dem Tod ihres Mannes ausgeraubt (= ökonomische Krise),
       und lernte kurz vorher bei einer Reise in die Schweiz (= Hinweis auf den
       "europäischen Wohlfahrtsstaat", der den Obama-Gegnern Angst einjagt) einen
       charmanten Fremden kennen, der blendend aussieht und ein brillanter
       Rhetoriker zu sein scheint (Cary Grant in der Rolle von Barack Obama).
       
       Grant wickelt sein Opfer nach Strich und Faden ein, verspricht, ihr bei der
       Suche nach dem verschwundenen Geld (Bankenkrise!) behilflich zu sein, und
       turtelt jede freie Minute mit der gutgläubigen Frau (Wähler).
       
       Auf der anderen Seite versuchen derweil mehrere Gegenspieler aus dem
       feindlichen Lager, Grant alias Obama auszuhebeln: James Coburn gibt viril,
       eindrucksvoll gescheitelt und braun gebrannt den Mormonen Mitt Romney (im
       Film heißt er Tex Panthollow), sein angeblicher Kamerad und Freund Newt
       Gingrich wird von Walter Matthau dargestellt (Charaktername Hamilton
       Bartholomew).
       
       ## Cary Grant als Obama
       
       Zwei weitere Gegenspieler Obamas diskreditieren sich in der Geschichte
       schnell selbst: Ron Paul und Rick Perry, im wahren Leben konservative
       Senatoren voller irrer Fauxpas (im Film interpretiert von George Kennedy
       und Ned Glass) fliegen ganz schnell aus dem Sattel, als Jane Doe
       herausbekommt, dass sämtliche angeblich befreundeten Gegenspieler Obamas
       eigentlich nur hinter ihrem Geld her sind. Doch auch Cary Grant als Obama
       ist lange Zeit, nicht das, was er scheint …
       
       Bei Stanley Donen ging alles so weit gut aus, nachdem Hepburn ihrem
       Hoffnungsträger seine Flunkereien vergeben hat, wurde sogar geheiratet.
       Auch das wäre heute anders: Die US-Scheidungsrate gleicht der deutschen,
       und so schnell verzeiht der/die DurchschnittswählerIn den Regierenden ihre
       leeren Versprechungen nicht mehr.
       
       Ein modernes Seriendrehbuch aus den Ergüssen vor allem der republikanischen
       Kandidaten, die keinen Fettnapf zwischen Nazivergleichen, sexuellen
       Anzüglichkeiten und peinlich-gefährlichem politischem Halbwissen auslassen,
       hätte darum eher Ähnlichkeiten mit einer Telenovela: Die Obamas geben eine
       Familie, die sich unter Schwierigkeiten, aber mit viel Elan in
       bedeutungsvolle Positionen hocharbeiten konnte und dort um jeden Preis
       bleiben möchte. Geärgert wird sie von der neidischen Öffentlichkeit, die
       aber auch jedes Wort auf die Goldwaage legt, und von windigen Konkurrenten.
       
       Man könnte auf eine dramaturgische Inszenierung oder auch nur scripted
       reality verzichten und sich ganz auf US-Show-Know-how verlassen. Das dem
       Präsidenten oft nachgesagte fehlende Durchsetzungsvermögen könnte sogar zu
       der entscheidenden Schwäche werden, die einen Protagonisten bei der
       Öffentlichkeit beliebt macht.
       
       4 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jenni Zylka
       
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