# taz.de -- Kommentar Implantate: Lehrreicher Skandal
       
       > Die Rückrufaktion für Silikonimplantate wirft ein Licht auf die generell
       > zu schlecht geprüften medizinischen Ersatzteile für den Körper.
       
       Künstliche Brüste bitte wieder zurück zum Erzeuger, aber hurtig!
       Vergleichbare Rückrufaktionen kennt man sonst nur aus der Autoindustrie.
       Jetzt aber bitten der französische, tschechische, ja selbst der etwas
       langsame deutsche Gesundheitsminister darum, dass Frauen mit
       Brustimplantaten der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) sich
       möglichst zügig erneut unters Messer legen.
       
       Der Grund: Das giftige Silikon diffundiere nicht nur in den Körper, wenn
       die Kissen Risse aufweisen, sondern könne generell "ausgeschwitzt" werden.
       Die Kosten für die Schadensbegrenzung werden weitgehend übernommen. Auch
       das ist ein Indiz dafür, wie gefährlich die Implantate offenbar sind.
       
       In Frankreich nimmt die Politik den Skandal zum Anlass, insgesamt eine
       bessere Zugangskontrolle für Medizinprodukte zu fordern. Das deutsche
       Gesundheitsministerium indes sieht keinen weiteren Handlungsbedarf. Daniel
       Bahr wird seinen Kollegen Xavier Bertrand bei seinem Wunsch nach einer
       europäischen Neuregelung nicht unterstützen.
       
       Aber ist der Wirbel nicht auch ein wenig übertrieben? Schönheitsoperationen
       waren noch nie ohne Risiko. Das weiß man. Brustimplantate können die
       Krebsdiagnose erschweren, sie können massive Rückenschmerzen verursachen,
       und damit wären nur die populärsten Nebenwirkungen genannt. Die letztlich
       freiwillige Unterwerfung unter den patriarchalen Blick ist eben keine
       Kleinigkeit. Also muss, wer sich trotzdem dazu entschließt, das erotische
       Kapital künstlich aufzustocken, auch persönlich die Verantwortung dafür
       übernehmen?
       
       Ganz so einfach ist es nicht. Anhand der nun zu Recht in die Kritik
       geratenen Schönheitsindustrie wird nur etwas sichtbar, was weit über sie
       hinausweist: Nicht nur die Silikonkissen, sondern sämtliche künstlichen
       Kniegelenke, Bandscheiben und Hüftprothesen sind unzureichend geprüft.
       
       Es geht also keineswegs nur um die Ware, die der ästhetischen Optimierung
       dient, sondern auch um diejenige, die Menschen hilft aufrecht zu gehen.
       Alle Medizinprodukte, ob für die Schönheit oder die Gesundheit, müssen
       Standards genügen. Arzneimittel schaffen das schließlich auch.
       
       Anstatt die Schönheitsindustrie, das Schmuddelkind der Medizin, zu
       belächeln, können wir ihr dankbar sein: Sie konfrontiert uns mit einem für
       alle Menschen wichtigen Problem.
       
       8 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ines Kappert
       
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