# taz.de -- Kolumne Wortklauberei: Lidl-Dreck-Heckmeck
       
       > Consumer-Check: Sind Sie persönlich dafür, sich vorstellen zu können,
       > diese Kolumne zu lesen?
       
       Merkel neulich wieder beim Durchregieren, Thema Finanztransaktionssteuer:
       "Persönlich bin ich auch dafür, dass wir uns so eine Steuer vorstellen
       könnTEN." Man beachte den in diesen an sich schon mindersinnigen Satz noch
       spitzfindig eingefriemelten Konjunktiv.
       
       Ja wie, "könnTEN"? Wenn was? Wenn Schweine fliegen? Wenn die FDP endlich
       der finale Hirnschlag ereilt? Und was ließe sich denn tun, um der
       Vorstellungskraft auf die Sprünge zu helfen? Meditieren? Drogen nehmen?
       
       Nach Letzterem war mir am Montagabend beim "Lidl-Check" in der ARD. Haben
       Sies gesehen? Nach 35 Minuten Rumgeplänkel und Popanz mit Testkäufern, die
       mit Stoppuhren in Supermärkte latschen, um zu "checken", wie lang sie dafür
       brauchen, irgendwelches Zeugs zu kaufen (Stichwort: "Stress im Laden"),
       Billigmarmelade schleckenden Probanden, einem Verbraucherexperten, der in
       einem "virtuell nachgebauten Lidl" erklärt, dass es psychologisch total
       wichtig ist, wie das Gemüse präsentiert ist, weil der Kunde daraus auf den
       Rest des Ladens schließt (Schlüsse aus dieser redundanten Information
       wurden keine gezogen, und warum man einen virtuell nachgebauten Lidl
       brauchte, blieb auch unklar, aber Hauptsache, der Tricktechniker vom WDR
       war beschäftigt und ein Experte hat irgendwas verzapfen dürfen) – nach
       knapp 35 Minuten Quasi-Dauerwerbesendung also gings dann in den letzten
       zehn Minuten beim "Check"-Punkt "Fairness" doch noch in die Vollen:
       
       Auf einmal waren die Reporter in Bangladesch und filmten mit versteckter
       Kamera in Fabriken herum, wo Frauen für 30 Euro im Monat bis zu 16 Stunden
       täglich in einem bizarren Akkord, dass nicht einmal Zeit zum Toilettengang
       bleibt, der aber eh hinfällig ist, weil sie auch nichts essen und trinken
       dürfen (dafür kriegen sie dann wegen der Mangelernährung Vitaminpillen von
       der mit deutscher Entwicklungshilfe finanzierten medizinischen Versorgung),
       Klamotten für Lidl und den europäischen Schnäppchenjäger nähen.
       
       Man glotzte betreten zu, wie eine Näherin und ihr Mann in ihrem
       4-Quadratmeter-Wellblech-Slumverschlag kauern und die paar Handvoll Reis
       essen, die sie sich mit ihrem fünfjährigen Sohn, der nie eine Schule
       besuchen wird, leisten können, und die Frau schaut hohlwangig in die Kamera
       und berichtet, wie sie in der Fabrik beschimpft und geschlagen werden,
       wenns nicht schnell genug geht.
       
       Und dann waren wir wieder zurück beim "Lidl-Check" – beim Fazit der
       Sendung. Die Reporterin hätte nun freilich die Zuschauer auffordern können,
       Mistgabeln aus ihren Kellern und Garagen zu kramen und noch diese Nacht
       gegen die örtliche Lidl-Filiale zu ziehen, diesen gottverdammten
       Menschenschindern die Bude anzuzünden und sie zum Teufel zu jagen, aber das
       wäre natürlich etwas wild. Sie formulierte es lieber diplomatischer: "In
       Sachen Fairness bleibt viel zu tun."
       
       Genau. Und irgendwer wird das dann schon irgendwie irgendwann tun. Oder
       anders gesagt: Wir sind dafür, dass sich Lidl vorstellen könnTE, in Sachen
       Fairness noch viel zu tun. Sind wir doch alle, oder? Man ist ja kein
       Unmensch.
       
       11 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Josef Winkler
       
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