# taz.de -- Film über Prekariat: Der Staat hat keinen Spaß daran
       
       > "Das traurige Leben der Gloria S." ist ein witziger Film über eine
       > erfolglose Schauspielerin. Sie will als Hartz-IV-Mutter berühmt werden.
       
 (IMG) Bild: Gloria S. will berühmt werden. Die Kamera ist immer dabei.
       
       Christine Groß und Ute Schalls "Ich muss mich künstlerisch regenerieren"
       lief vor zwei Jahren auf der Berlinale, gewissermaßen als Kurzversion des
       Films "Das traurige Leben der Gloria S.". Zwischen 2001 und 2007 waren Groß
       und Schall in dem an Fassbinder orientierten Filmkollektiv "hangover ltd."
       organisiert.
       
       Am Rande der Volksbühne, im Umfeld des Dramatikers und Regisseurs René
       Pollesch, entstanden Filme und Theaterstücke, die klug und oft komisch das
       prekäre Leben engagierter Künstlerinnen thematisierten. Diesem Kontext
       entsprang auch Tatjana Turanskyjs Film "Eine flexible Frau", der von einer
       arbeitslosen Architektin erzählt und vor zwei Jahren auf der Berlinale
       gefeiert wurde.
       
       Die Geschichte des "Traurigen Lebens der Gloria S." ist einfach: Die
       Schauspielerin Gloria (Christine Groß) ist erfolglos. In ihrer
       Theatergruppe kriselt es. Das Geld ist alle. Die Beziehung zu ihrer
       Freundin ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Ihr gegenüber steht die
       halbwegs etablierte Regisseurin Charlotte (Nina Kronjäger), die gerade
       ihren Film über Ulrike Meinhof fertiggestellt hat.
       
       Auf der Premiere kommt der Film beim Publikum und der Presse ganz gut an.
       Doch der altmodische Vorwurf eines Freundes: "Das war das Unpolitischste,
       was ich je von dir gesehen habe", trifft die Regisseurin sehr, und sie
       beschließt daher, ins echte Leben einzutauchen und einen politischen
       Dokumentarfilm über eine alleinerziehende Hartz-IV-Empfängerin zu machen.
       Doch woher eine solche nehmen?
       
       ## "Pull-back-zoom-in-shot"
       
       Der Besuch in einer Hochhaussiedlung ist erfolglos. So wird ein Casting
       veranstaltet, zu dem auch Gloria kommt. In der Hoffnung, zumindest als
       Heldin eines Dokumentarfilms berühmt zu werden, inszeniert die
       Schauspielerin ein trauriges Frauenschicksal mit allen Klischees und wird
       auch genommen. Die Kollegen ihrer Off-Theatergruppe unterstützen sie bei
       der Darstellung ihres ausgedachten Lebens. Einer mimt den gern auch
       gewalttätigen Vater ihrer Teenagertochter, der sie als Wärter vor 17 Jahren
       im Gefängnis vergewaltigte.
       
       Andere Kollegen spielen andere, immer absurder wirkende Problemverwandte
       und Bekannte. Das Filmteam meint, das harte, echte Leben zu dokumentieren;
       die Schauspieler arbeiten an der Dramaturgie des Echten. Irgendwann fliegt
       die Geschichte auf.
       
       Der Film ist unglaublich komisch; teils in der Art von "Mann beißt Hund",
       wenn das Team in der kleinen Wohnung von Gloria ständig
       übereinanderstolpert, wenn sich der Kameramann in lustig klingenden
       Facheinstellungen wie dem "pull-back-zoom-in-shot" versucht, wenn der
       angebliche Exmann und Vergewaltiger von Gloria mit französischem Akzent
       Sätze sagt, die an frühe Praunheim-Filme wie "Die Bettwurst" denken lassen:
       
       "Ich weine, weil Gloria mich nicht lieben kann, obwohl ich doch ganz
       hässlich und gemein zu ihr bin"; wenn die Inszenierung des vermeintlich
       echten Lebens auf die Inszenierungen der Aufnahme trifft; wenn irgendwann
       eine Frau vom Arbeitsamt das Set des echten Lebens betritt und schimpft:
       "Sie sitzen dem Staat auf der Tasche, und der Staat hat keinen Spaß daran."
       
       Die Beamtin will der erfolglosen Schauspielerin eine Arbeitsmaßnahme
       aufdrücken, und die antwortet: "Ich kann nicht arbeiten. Hier wird gerade
       eine Dokumentation über mein trauriges Leben gedreht." Da steht schon der
       nächste prekäre Verwandte in der Tür: "Hallo, ich bin Stefan und
       drogenabhängig."
       
       Vor allem macht es großen Spaß, dem Schauspielerkollektiv zuzuschauen, das
       natürlich, verletzlich, schön, sympathisch, sozusagen mit staunender
       Ratlosigkeit agiert. Zuletzt hat man sich bei Helge Schneider in einem
       deutschen Film so gut amüsiert. "Das traurige Leben der Gloria S." ist ein
       super Film!
       
       12 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Detlef Kuhlbrodt
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA