# taz.de -- Kollektiver Konsum per Mausklick: Hecke statt Miete
       
       > Seit die Währung wackelt, wird wieder fleißig getauscht. Carsharen und
       > Couchsurfen gehören längst zur gängigen Praxis. Aber wie nachhaltig ist
       > der Tauschhandel?
       
 (IMG) Bild: Dein Heim ist mein Heim: Couchsurfen ist längst keine Seltenheit mehr.
       
       Eigentlich eine simple, uralte Idee. Fleisch gegen Getreide, Fell gegen
       Leder: Wer teilt und tauscht, hat es leichter. Das Problem: Man muss erst
       den richtigen Partner finden, der hat, was man möchte, und braucht, was man
       hat. Aufwendig, das Ganze.
       
       Zumindest bis zu satellitengestützten Ortungsdiensten, sozialen Netzwerken,
       der Eurokrise. In Zeiten, in denen Währungen wackeln und Einkommen
       stagnieren, scheint das Tauschkonzept, wenn schon keine sichere, dann doch
       wenigstens eine reizvolle Lösung zu sein. Längst schon finden wir passende
       Handelspartner per Stecknadel auf Online-Landkarten und prüfen mittels
       Bewertungssystem, ob wir ihnen trauen dürfen.
       
       Wir carsharen - setzen uns in Autos Fremder, um von Hamburg nach Leipzig zu
       fahren. Wir couchsurfen - schlafen auf nie zuvor gesehenen Sofas in Ecuador
       oder Thailand. Wir borgen uns Bohrmaschinen auf [1][www.frents.de] statt
       von den Freunden.
       
       Wir, das sind: Internet-Tauscher, die sich hinter dem Begriff
       "Collaborative Consumption" - gemeinschaftlicher Konsum - versammeln.
       Rachel Botsman, Autorin des Buchs "Whats Mine is Yours" und eine
       Wortführerin der Bewegung, sieht gar "eine neue Ära" aufziehen: Hyperkonsum
       war letztes Jahrhundert, ab sofort wird geteilt. Das sei schließlich gut
       für den Einzelnen, das Kollektiv - und den Planeten sowieso. Die Bewegung
       findet Widerhall, das Time Magazine kürte gemeinschaftlichen Konsum
       vergangenes Jahr zu einer der "zehn Ideen, die die Welt verändern werden".
       
       Wird sie das? Sie wird - glaubt man Geschäftsmodellen, die die
       Schuldenkrise provoziert.
       
       ## Beispiele für Collaborative Consumption
       
       Beispiel Nummer eins: Unter [2][www.autonetzer.de] kann - dem Portemonnaie
       und Klimawandel zuliebe - das eigene Auto dem Nachbarn überlassen werden,
       wenn es gerade nicht gebraucht wird. Der Autobesitzer kassiert dafür ein
       paar Scheine, der Nachbar muss sich kein Fahrzeug anschaffen.
       
       Beispiel Nummer zwei: Bei [3][www.mitwohnen.org] meldet sich an, wer
       weniger auf Einnahmen und mehr auf Soziales setzt. Senioren etwa, die eine
       Wohnung vermieten, aber keine Miete verlangen. Sondern regelmäßig
       geschnittene Hecken oder eine schneefreigeräumte Einfahrt. Oder Familien,
       die im Gegenzug für das leer stehende Zimmer im Haus ein wenig Hilfe bei
       der Kinderbetreuung erwarten.
       
       Letztes Beispiel: Unter [4][www.netcycler.de], einer Seite, die mit dem
       Naturschutzbund und der Umweltorganisation Robin Wood kooperiert, können
       sämtliche Gegenstände, die man loswerden will, mit Foto eingestellt - und
       Wunschdinge mit ein paar Klicks markiert werden, die andere Netztauscher
       dort präsentieren. Pär Andler, Mitarbeiter von www.netcycler.de, sagt: "Wir
       versuchen, die Lebensdauer der Produkte zu verlängern. Fabriken in China,
       die Wegwerfware produzieren, sind darum unsere größte Konkurrenz."
       
       Teilen im Netz - praktisch, sozial. Planetenrettend? Nicht unbedingt,
       glaubt man Ulf Schrader, Professor für nachhaltigen Konsum an der
       Technischen Universität Berlin. "Die Tausch- und Teilmentalität ist nur ein
       Beitrag zur Effizienz. Der allein wird uns aber nicht so weit bringen, dass
       wir nur noch ein Fünftel des CO2-Ausstoßes von heute haben", sagt er. Und
       verweist auf eine Studie des Instituts für Zukunftsstudien und
       Technologiebewertung zu Gebrauchtwarenhandel im Internet. Die ergab: Wer im
       Netz tauscht und teilt, führt nicht zwangsläufig einen nachhaltigeren
       Lebensstil. Vielmehr sparen die Menschen durch die modernen Handelsformen
       Geld.
       
       Dass die jüngere Generation momentan Grundsätzliches an ihrer Einstellung
       zu Besitz ändert, das sieht allerdings auch Schrader so: "Für die älteren
       Generationen ist Eigentum eher ein Statussymbol." Er bleibt beim Beispiel
       Auto: Früher sei es eher vorgekommen, dass man sich stolz im ersten VW
       Käfer zeigte, sich über eine Marke definierte.
       
       "Heute wird nicht mehr versucht, sich mit Autos zu profilieren", sagt Ulf
       Schrader. "Im Gegenteil: Wer das versucht, fällt peinlich auf."
       
       14 Jan 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.frents.de
 (DIR) [2] http://www.autonetzer.de
 (DIR) [3] http://www.mitwohnen.org
 (DIR) [4] http://www.netcycler.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Klitzsch
       
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