# taz.de -- Die Wahrheit: Hund rettet Wulff
       
       > Mutiger Bundespräsident birgt verunglückten kleinen Terrier aus Berliner
       > Fluss und gewinnt Respekt zurück.
       
       Noch am gestrigen Morgen hätte kein politischer Beobachter in Berlin auch
       nur einen Cent auf den weiteren Verbleib des Bundespräsidenten im Amt
       gesetzt. Immer enger zog sich die Schlinge um Christian Wulff, von allen
       Seiten wurde sein Rücktritt wegen der Kreditaffäre und seines Umgangs mit
       den Medien gefordert, längst hatten die Bürger das Vertrauen in den ersten
       Mann im Staate verloren - und jetzt das!
       
       Am Freitag rettete der Bundespräsident persönlich einen in die Spree
       gefallenen Hund. Die durch einen zufällig anwesenden Fotografen
       aufgenommenen Bilder zeigen einen heldenhaften Präsidenten, der sein Leben
       riskiert für eine Kreatur in Not. Prompt schlug dem mutigen Staatsoberhaupt
       eine Sympathiewelle entgegen, obwohl Wulff den unerwarteten Zuspruch in
       aller Bescheidenheit abwehrte und sagte, er habe "nur seine verdammte
       Pflicht als Mensch und Präsident getan".
       
       Die recht bald schon bei Bild.de veröffentlichten Fotos zeigen einen
       Bundespräsidenten, der völlig durchnässt und mit nacktem Oberkörper am Ufer
       der Spree steht und einen vor Kälte zitternden Terrier fest in den Armen
       hält. Wie aus einer bereits wenige Minuten nach der Rettungstat
       herausgegebenen Stellungnahme des Bundespräsidialamts hervorgeht, heißt der
       Hund "Boomer" und gehört der Berliner Rentnerin Renate Sawade.
       
       Die 76-Jährige befand sich offenbar zum Zeitpunkt des Geschehens auf einem
       Fahrgastschiff, als der Hund ohne erkennbaren Grund über die Reling sprang
       und im Hauptstadtfluss landete. Der Kapitän habe die Maschinen der
       "Schöneberg", die gerade hinter dem Schloss Bellevue zwischen dem
       Gerickesteg und der Lutherbrücke unterwegs gewesen sei, nicht sofort
       stoppen können, so dass der Terrier versucht habe, eigenmächtig an Land zu
       gelangen, aber an der steilen Böschung gescheitert sei und im kalten Wasser
       zu ertrinken drohte.
       
       Im selben Moment sei Wulff, der sich mit seiner Gattin Bettina auf einem
       Verdauungsspaziergang im Park des Schlosses Bellevue befunden habe, auf den
       Notruf der alten Dame aufmerksam geworden. Wulff habe daraufhin das
       überraschenderweise unverschlossene Gartentor zum Bellevue-Ufer geöffnet,
       sei mit den Worten "Lassen Sie mich durch, ich bin Präsident" an den
       versammelten Passanten vorbeigeschritten, habe sich erst die Slipper von
       den Füßen gestreift, dann Jacke, Pullover und Unterhemd ausgezogen und
       ordentlich zusammengelegt und sei schließlich ohne viel Federlesens in die
       Fluten gesprungen, um "Boomer" am Schlafittchen zu packen und unter dem
       Beifall der umstehenden Schaulustigen an Land zu hieven.
       
       Ungefähr zu diesem Zeitpunkt muss der 48-jährige Pressefotograf Werner
       Kolonka unerwartet des Weges gekommen sein. Kolonka erkannte sofort die
       Chance seines Lebens. Allerdings musste er Wulff massiv bedrängen, bevor
       der zurückhaltende Lebensretter sich widerstrebend doch zu einem
       Schnappschuss bereit erklärte. Die 39 Fotos vom Bundespräsidenten mit
       "Boomer" verbreiteten sich blitzschnell im Internet. Nachdem Phoenix eine
       Sondersendung ("Wulff rettet Hund") ins Programm nahm, stellte sich das
       Staatsoberhaupt bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz den rund 400
       Fragen der Medien und erwähnte nicht ohne einen Anflug von Stolz ein aus
       dem Weißen Haus eingegangenes Glückwunschtelegramm: "What a dog!", habe ihm
       US-Präsident Obama gratuliert.
       
       Vergeben und vergessen ist die Kreditaffäre. Von Amtsniederlegung kann
       keine Rede mehr sein. Selbst der politische Gegner zollte dem
       Bundespräsidenten gestern Respekt. Die Linken-Parteichefin Gesine Lötzsch
       beglückwünschte Wulff zu einer "beherzten Großtat", die "die Würde des
       Amtes wieder hergestellt" habe. Und Grünen-Chef Cem Özdemir kalauerte
       erwartungsgemäß, dass "Wulff auf den Hund gekommen sei".
       
       Nur einigen wenigen Verschwörungstheoretikern erscheint die wundersame
       Rettung Christian Wulffs inzwischen nicht geheuer. Sie behaupten, es habe
       sich dabei um ein abgekartetes Spiel zwischen Bild, BKA und
       Bundeskanzleramt gehandelt. So berichtet der Spiegel über verdächtige
       Hinweise, dass die Rentnerin Renate Sawade den Terrier "Boomer" erst eine
       Stunde vor ihrer Spreefahrt aus dem Tierheim geholt hätte. Ein
       Justizskandal sei es, dass diese Spur von den Behörden nicht weiter
       verfolgt würde.
       
       Nur eine äußerte sich nicht zu dem Vorgang: Angela Merkel. Die Kanzlerin
       genießt und schweigt.
       
       14 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Ringel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) die wahrheit: Narkose ist für Muschis
       
       Der Anblick der Notaufnahme hatte mich nicht direkt entmutigt. Wenige
       Wartende, ein funktionierender Getränkeautomat, Zeitschriften, nicht älter
       als ein Jahr...
       
 (DIR) die wahrheit: Stinkende Blüten
       
       "Pecunia non olet", lautet ein lateinisches Sprichwort. Geld stinkt nicht.
       Das stimmt so nicht, denn echte Geldscheine haben mindestens durch die
       Druckerfarbe einen Eigengeruch...
       
 (DIR) die wahrheit: Der homosexuelle Mann
       
       … kann sich seine Vorfahren nicht aussuchen. Päpste sind darunter, Spinner
       und Diktatoren, und der eine oder andere König. Bei einem von ihnen,
       Friedrich II. von Preußen ...