# taz.de -- Gedenken an Rosa Luxemburg: Fragen nach Freiheit
       
       > Am Sonntag jährt sich der Todestag von Rosa Luxemburg. Doch wie aktuell
       > sind die Politikerin und ihr Denken? Ein Besuch am Rosa-Luxemburg-Platz.
       
 (IMG) Bild: So sah die Demo im vergangenen Jahr aus - das lässt Schlüsse auf den Anblick in diesem Jahr zu.
       
       Ob Sandra Böttger überhaupt weiß, dass sie gerade über einen Teil des
       Rosa-Luxemburg-Denkmals läuft? Gedankenversunken schlendert die junge
       Passantin mit zugezogener Kapuze über den nach der Sozialistin benannten
       Platz in Mitte. Sie ist überrascht, als man sie nach Rosa Luxemburgs
       heutiger Bedeutung fragt. Was kann man zum Beispiel mit dem viel zitierten
       Satz "Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden" noch anfangen? Die
       Gegend mit den Augen nach einer hilfreichen Eingebung absuchend, antwortet
       Böttger: "Für mich ist Luxemburg in erster Linie eine starke Frau, die für
       Freiheit und Toleranz einstand." Und: "Ich denke, das ist gerade in Berlin
       sehr wichtig."
       
       Dass Rosa Luxemburg in der Stadt eine herausragende Rolle spielt, wird
       jedes Jahr aufs Neue deutlich, wenn Zehntausende Berlinerinnen und Berliner
       zum Zentralfriedhof Friedrichsfelde pilgern, um ihrer und Karl Liebknechts
       zu gedenken. Die beiden Revolutionäre wurden am 15. Januar 1919 von
       rechtsnationalen Freikorps ermordet. Seit 2006 erinnert zudem das lange
       kontrovers diskutierte Denkmal an die umstrittene Politikerin. Die 60 in
       den Boden eingelassenen bronzenen "Denkzeichen" geben diesen Widersprüchen
       den nötigen Raum. Sie sollen Zitatfragmente Luxemburgs in Erinnerung rufen
       - und so ihr Schaffen rekonstruieren.
       
       Für den berenteten Stadtführer Ralf Höckl hat Luxemburg eine ganz aktuelle
       Bedeutung. Höckl kommt gerade schnellen Schrittes aus dem Kino Babylon, in
       dem "Unsere Kinder" mit Christa Wolf und Stefan Heym lief. Der Film setzt
       sich mit rechtsradikalen Strukturen in der offiziell antifaschistischen DDR
       auseinander. Die Parallelen zu diesem Film und Christa Wolf sind für ihn
       augenscheinlich: "Die ist ja auch eine Frau, die sehr polarisierend
       gedeutet wurde und die wie Luxemburg den Mut hatte, ihre Ansichten
       darzustellen - gegen jedes Denkverbot."
       
       Aufgeregt wiegt er sich von einem Fuß auf den anderen, den schützenden
       Mantel enger zusammenziehend. Dabei fällt sein wacher Blick auf ein
       Luxemburg-Zitat. Als ehemaliger DDR-Bürger denke er natürlich auch an die
       jährlichen Lenin-Liebknecht-Luxemburg-Feiern. "Und an die Wendedemos", fügt
       er hinzu.
       
       Die Sozialistin ist mit einem weiteren Zitat verewigt: "Zu sagen. was ist,
       bleibt die revolutionärste Tat." Und auch da findet Kiezkenner Höckl
       Anknüpfungspunkte: "Wenn man diese ganzen Jugendbewegungen betrachtet, die
       für ihre Standpunkte kämpfen, wird deutlich, dass Jugendliche nicht gelenkt
       werden, sondern freiheitlich leben wollen."
       
       Der Rentnerin Maria Richter, deren Hund gerade eines der Denkzeichen
       markiert und die große Probleme hat, nicht auf den regennassen Stäben
       auszurutschen, imponiert die Durchsetzungskraft, mit der Luxemburg für
       diese Freiheit gekämpft habe. Aber sie stellt sich auch Fragen: "Was ist
       Freiheit eigentlich?" Richter blickt in Richtung U-Bahnhof. "Definiert das
       nicht jeder anders? Ein Obdachloser anders als ich?" Ihr Hund zieht an der
       Leine, sie muss weiter.
       
       Langsam wird der Regen stärker. Die Menschen zieht es in die Cafés, ins
       Kino oder nach Hause. Wenige nehmen die "Denkzeichen" wirklich wahr. Doch
       ein Passant, mit Wollmütze und Regenjacke gut gegen das kühle Nass
       gewappnet, will unbedingt noch etwas loswerden. "Die Leute haben doch nicht
       mehr das Gefühl, in einer Demokratie zu leben. Alles spielt sich in der
       Finanzwirtschaft ab." Kurz zögert er, dann wendet er sich mit einem
       Zwinkern und einem halb verschluckten "Der Kommunismus hatte nicht nur
       negative Seiten" zum Gehen. Ein weiteres Zitat von Luxemburg lautet:
       "Entfremdet ist nicht nur der, der kein Brot hat, sondern auch der, der
       keinen Anteil an den großen Gütern der Menschheit hat."
       
       13 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Schuldt
       
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