# taz.de -- Durchhaltetest für Protestbewegung: "Wir brauchen jetzt Occupy plus"
       
       > Ein Jahr nach dem Beginn der tunesischen Jasminrevolution gehen in
       > Deutschland einige tausend Menschen auf die Straße. Eine Strategiedebatte
       > soll folgen.
       
 (IMG) Bild: "Es geht derzeit eher darum, die Bewegungen über den Winter zu kriegen."
       
       Es ist bitterkalt am Marienplatz in München. Barbara Henn, 54, steht dort
       mit rund 300 Menschen. "Ich selbst war nie politisch engagiert", sagt sie.
       "Aber der Arabische Frühling hat mich wachgerufen."
       
       Es ist Sonntagmittag. Vor einem Jahr hat in Tunesien die Jasminrevolution
       zum Sturz von Präsident Ben Ali geführt. Seitdem ist im arabischen Raum
       viel passiert. Und seit in Spanien und New York die dortigen
       Demokratiebewegungen immer sichtbarer wurden, versucht sich auch in
       Deutschland zaghaft eine noch junge Bewegung dauerhaft zu etablieren. Dies
       ist einer ihrer Aktionstage, an dem sie weltweit ihre Empörung ihre
       Empörung zeigen wollen. Und es ist ein Gradmesser, um zu ermitteln wie es
       um die Occupy-Bewegung in Deutschland steht.
       
       In bis zu 30 deutschen Städten finden an diesem Sonntag Protestaktionen
       statt. In Düsseldorf versuchen laut Teilnehmern 600 Leute den Landtag zu
       umzingeln. In Erfurt, Würzburg, Hamburg und Saarbrücken sind Demos oder
       kleinere Aktionen angekündigt. Zu manchen von ihnen kommen ein paar Dutzend
       Demonstranten, nach Frankfurt rund 800 Menschen, in Berlin sind es etwa
       1.500.
       
       Hier steht René Neyka mit der typischen Gesichtsmaske der Anonymousbewegung
       auf dem Alexanderplatz. "Ein paar Leute mehr hätten es heute ruhig sein
       dürfen", sagt er. Aber er ist überzeugt: "2012 wird das Jahr der
       Freidenker, dazu wird auch die Occupy-Bewegung beitragen. Allerdings nur",
       schiebt er ein, "wenn wir jetzt grundsätzlich werden."
       
       Denn nachdem das erste große Medieninteresse nachgelassen hat, muss die
       Occupy-Bewegung ihre Substanz beweisen. In Hamburg, Frankfurt, Düsseldorf
       stehen noch immer die Zelte von Aktivisten. Es sind nur wenige. Doch
       abseits der Zeltlager haben sich etliche Basisgruppen gebildet, die nun
       beraten, wie sie das Frühjahr nutzen können.
       
       "Auf der nördlichen Halbkugel geht es derzeit eher darum, die Bewegungen
       über den Winter zu kriegen", sagt Stephan Lindner, der Mitglied im
       Koordinierungskreis von Attac ist. "Unser Protest ist noch nicht so stark
       wie in anderen Ländern."
       
       "Aber der Resonanzraum ist da", sagt Christoph Kleine. Er ist aktiv in der
       Interventionistischen Linken (IL), einem Zusammenschluss linker Gruppen,
       die in den vergangenen Jahren an Bewegungskampagnen wie "Castor Schottern"
       oder "Dresden Nazifrei" beteiligt waren. "In Deutschland hat es bislang
       noch kein Zeichen gegeben, das dem Ausmaß des Sozialangriffs adäquat war",
       sagt Kleine. "Wir brauchen jetzt Occupy plus."
       
       Weil der Zulauf noch begrenzt, die politische Situation aber günstig ist,
       wollen nun am kommenden Wochenende auch etablierte Politgruppen bei einem
       bundesweiten Treffen in Frankfurt mit Occupy-Aktivisten über neue
       Proteststrategien reden. Zur Debatte steht dabei die Idee einer
       Europäischen Aktionskonferenz im Mai, bei der es über mehrere Tage zu
       Protesten und Aktionen zivilen Ungehorsams sowie zu einer groß angelegte
       Blockadeaktion im Frankfurter Bankenviertel kommen könnte.
       
       16 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) M. Kaul
 (DIR) K. Litschko
       
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