# taz.de -- Piraten erstellen Wahlprogramm: "Wir wollen auf die Straße"
       
       > Schleswig-Holsteinische Piraten beschließen unter vielen logistischen und
       > kommunikativen Mühen ihr Landesprogramm und glauben, dass sie bei der
       > Wahl gut abschneiden werden.
       
 (IMG) Bild: Zum Mikro oder zum Klo? Leerer Platz beim Piratenparteitag in Neumünster.
       
       Patrick Ratzmann muss eilig was regeln: "Uns ist grade das Netz
       abgestürzt", sagt der Pressesprecher der schleswig-holsteinischen Piraten.
       Das ist blöd bei einem Parteitag, aber die Piraten lernen ja noch. Zum
       Beispiel, wie Rednerlisten organisiert werden. Der Veranstaltungsleiter
       bittet um klare Wortmeldungen: "Wenn ihr durch den Saal schleicht, weiß ich
       nicht, ob ihr zum Mikro wollt oder zum Klo."
       
       Es geht um das Landesprogramm der Partei und den Debattenpunkt
       "Internetfreiheit und Datenschutz", ein Kernthema der Piraten. Die Anträge
       haben Mitglieder in den vergangenen Wochen per Internet eingereicht und
       debattiert, an diesem Sonntag in Neumünster geht es nun darum, das Programm
       zu beschließen. Aber mal ist ein Antragsteller nicht im Raum, dann darf
       nichts geändert werden. Ein anderes Mal ist nicht klar, worüber eigentlich
       abstimmt wird.
       
       105 der gut 600 Piraten in Schleswig-Holstein nehmen am Parteitag teil. Der
       Zulauf ist groß, seit es so aussieht, als könne die Partei nach dem
       Berliner Rathaus auch den Landtag in Kiel entern. Männer überwiegen, im
       Saal wie auf der Landesliste für die Wahl, bei der unter 30 Personen nur
       zwei Frauen sind. Im Parteitagssaal stehen auf den meisten Tischen
       aufgeklappte Laptops. Der Altersschnitt im Saal liegt bei Ü-30, trotz des
       23-jährigen Spitzenkandidaten Torge Schmidt. Passend hält jemand von der
       "Partei der Rentnerinnen und Rentner" ein Grußwort.
       
       Fünf Monate vor der Wahl sind die Piraten, denen Umfragen zwischen vier und
       sechs Prozent der Stimmen zutrauen, siegessicher: "Wir werden auf jeden
       Fall in den Landtag kommen, die Frage ist nur, wie hoch", sagt Ratzmann.
       Bundesvorstandsmitglied Matthias Schrade verspricht "geballte Piratenkraft"
       zur Unterstützung, unter anderem mit einem Bundesparteitag in Neumünster
       kurz vor der Wahl.
       
       Freiwillige aus dem ganzen Bund sollen Wahlkampfhilfe leisten. Akquiriert
       werden sie per Twitter und Facebook, doch zum Einsatz sollen sie im
       klassischen Straßenwahlkampf kommen: "Andere Parteien sagen, sie wollen ins
       Internet - wir wollen auf die Straße", sagt Schrade. Denn zu erreichen
       seien viele Interessierte am besten, "wenn man sich altmodisch unterhält".
       
       Das Thema, über das die Piraten sich am liebsten unterhalten, lautet
       Transparenz und Mitbestimmung. "Das betrifft uns alle", ist Schrade
       überzeugt. Bürgerbeteiligung könnte es bei der Frage der
       Fehmarnbelt-Querung,Straßenbau oder Kitas geben. "Wir stellen ein
       Betriebssystem dar", sagt Schrade: Es geht um den Stil und die Art, Politik
       zu machen.
       
       Doch bei der Frage, wie der Landtag - dessen Ausschüsse öffentlich tagen
       und der alle Dokumente ins Internet stellt - transparenter werden soll,
       guckt Spitzenkandidat Torge Schmidt hilfesuchend zu Ratzmann, dem das
       Glücksspiel-Gesetz einfällt: Das sei in einem Sylter Hotel ausgeklüngelt
       worden. Eine Anspielung darauf, dass sich Vertreter von CDU und FDP von
       Glücksspiel-Anbietern hatten einladen lassen. So etwas werde es bei den
       Piraten nicht geben: Keine Treffen mit Lobbyisten, dafür öffentliche
       Fraktionssitzungen. Auch für eine Diäten-Reduzierung werde sich die Partei
       einsetzen.
       
       Gut 100 Seiten umfasst das Landesprogramm der Piraten. Sie fordern unter
       anderem kostenlose Bildung, einschließlich Kitas und Krippen, sowie ein
       bedingungsloses Grundeinkommen. Förderung für Regionalflughäfen und die
       feste Fehmarnbelt-Querung lehnt die Partei ab. Teilweise gibt es
       Überschneidungen zu den Grünen, etwa bei Umweltschutz, Landwirtschaft oder
       der Idee, kommunale Infrastruktur durch Bürgerbeteiligungen zu finanzieren
       - die Grünen wollen dies bei Stromtrassen.
       
       Doch die Feinabstimmung im Saal geht zäh voran. Ein Pirat tritt ans
       Mikrofon: "Wir beschäftigen uns nur mit uns selbst. Ich bin genervt." Das
       immerhin ist wie bei anderen Parteien.
       
       15 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geisslinger
       
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