# taz.de -- Kolumne Die Kriegsreporterin: Albinobullenurin und Limettensaft
> Radio Reeperbahn, Katholischer Nachrichtendienst, Fummel.
Hallo, taz-Medienredaktion! Ich melde mich heute aus der Wohnstube von
Horst P. Ja, Wohnstube – so sagt man in Hamburg. Horst P., 56, seit vier
Jahren wegsanierter Verwaltungsangestellter, hat die Barmbeker Wohnung
seiner Mutter übernommen. Und scheinbar nur seine Panzerbausatzsammlung der
Einrichtung hinzugefügt.
Seit er auf Harzt IV ist, muss er jeden Cent 17-mal umdrehen und kann sich
auch kleine Vergnügen wie Ausflüge auf die Reeperbahn nur noch selten
leisten. Allenfalls die 10-Euro-Huren vom Steindamm wären ab und zu mal
drin. "Aber danach juckt es immer so", wie P. berichtet.
Es sind Männer wie der 56-Jährige, für den der neue Radiosender Radio
Reeperbahn ein Lichtblick ist. "Ja! Ja! Ja!"-Schreie. Halbstundenlanges
Stöhnen, Ausrufe wie "Ja, Du besorgst es mir richtig!" und "Oh, mein Gott,
was ein geiles Rohr! So was Schönes habe ich ja noch nie gesehen!", bringen
nun Abwechslung in den Alltag des Singles. Der Sender richtet sich an alle,
die "das Kiez-Gefühl nach Hause holen möchten".
Folglich werden Originaltöne von Zuhältern, die Prostituierte verprügeln,
ebenso eingespielt wie das Röhren tiefergelegter Mercedesse. Einzig der
Wetterservice enttäuscht den Barmbeker: "Wenn die sagen, dass es auf dem
Kiez regnet, weiß ich ja nicht, ob ich in Barmbek einen Schirm brauche."
Etwas zuverlässiger mit den Himmelsnachrichten werden jetzt die Leser von
Welt am Sonntag, Welt Kompakt und der B.Z. versorgt. Sie beziehen ihre
Nachrichten nämlich von nun an von Gottes gefälligen Dienern, dem
Katholischen Nachrichtendienst KNA. Während ich annahm, Deutschlands
"größter Journalist" (Diekmann über Diekmann) würde die Meldungen für seine
Bild-Zeitung vom Schöpfer persönlich erhalten, hängt er schön länger am
Tropf der KNA.
Ob die katholische Kirche, die sich einerseits für nichts zu schade zu sein
scheint, andererseits Experte in Sachen Geschlechtstrieb ist, die
Schwachstelle von Radio Reeperbahn ausgleicht und den Wetterdienst
übernimmt, war bis Redaktionsschluss nicht bekannt.
Dafür hat sich ein anderes Rätsel gelöst. Die Frage nämlich, wofür ich
eigentlich Gebühren zahle. Wenig überraschend: für das gewinnbringende
Angebot irgendeines öffentlich-rechtlichen Spartenkanals. Dieses Mal war es
Phönix, der mich glücklich machte. Dort nämlich habe ich etwas erfahren,
das ich weder in der Essen & Trinken noch in der Für Sie gelesen hätte:
Wenn das indische Volk der Parsen mal keinen Albinobullenurin zur Verfügung
hat, tut es auch unverdünnter Limettensaft.
Wundern darf man sich auch über die Wahrnehmung im Hause von Horizont,
"Zeitung für Marketing, Werbung und Medien". Dass nämlich ein Magazin
(Bunte) aus dem Hause Burda eine andere Haltung hat, als ein anderes
(Focus), wird nicht als Selbstverständlichkeit gesehen, sondern als "innere
Pressefreiheit" gefeiert. Anlass ist die Empörung Patrizia Riekels,
Chefredakteurin der Bunte, die es unmöglich findet, dass der Focus meldet,
dass Bettina Wulff ihre Kleider nicht selbst zahlt.
Sondern Fummel, den sie sich beim knappen Salär ihres Mannes von rund
200.000 Euro plus 78.000 Euro Auslagenzulage nicht leisten kann, von den
Herstellern für umme geben lässt. Wobei man natürlich sagen muss, dass es
verwunderlich wäre, wenn jemand, dessen Branche sich gern großzügig von der
Industrie beschenken lässt, darin etwas Falsches sähe.
Bekommen hat auch die taz etwas. 31.000 Euro für die Online-taz von
"freiwilligen Spendern", wie es beim Mediendienst Peter Turi hieß. Froh,
dass die Spender freiwillig Geld gegeben haben, zurück nach Berlin!
17 Jan 2012
## AUTOREN
(DIR) Silke Burmester
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