# taz.de -- sonntaz-Gespräch mit Wolfgang Schäuble: "Das Gefühl, gebraucht zu werden"
       
       > Er sitzt so lange im Bundestag wie kein anderer. Wolfgang Schäuble ist
       > seit 40 Jahren im Geschäft. Ist er politiksüchtig?
       
 (IMG) Bild: "Mein Alter schafft Vertrauen." – Wolfgang Schäuble ist seit 40 Jahren in der deutschen Politik.
       
       Eines Abends im Jahr 1972 klingelte bei den Schäubles zu Hause das Telefon.
       Die Partei ist dran. Ob er bei der Bundestagwahl für die CDU antreten
       wolle? Ein Stunde Bedenkzeit.
       
       "Ich habe der Versuchung nicht widerstanden", sagt Wolfgang Schäuble im
       sonntaz-Gespräch.
       
       Seit jenem Abend ist er dabei. 40 Jahre, so lange wie kein anderer im
       Bundestag. Er war Kohls Kanzleramtschef, verhandelte als Innenminister den
       Einigungsvertrag, beschnitt als Fraktionschef das Asylrecht, übernahm 1998
       die CDU, trat 2000 in der Schwarzgeldaffäre zurück. Unter Merkel stieg er
       wieder auf. Als Innenminister wollte er das Grundgesetz umschreiben. Seit
       2009 ist er Finanzminister – und versucht, den Euro zu retten. Hört er je
       auf?
       
       Die Politik sei spannend und packe ihn immer noch, sagt Schäuble heute.
       "Aber ich bin nicht in dem Maße abhängig von der Politik, dass ich ohne sie
       nicht leben kann." In der Weihnachtspause habe ihm nichts gefehlt.
       
       Schäubles Bruder Thomas sagt anderes. Im vergangenen Jahr stellte er in
       einem [1][sonntaz-Gespräch] fest, der Finanzminister sei politiksüchtig.
       Darauf antwortete der Minister: "Schauen Sie mal, was Sucht betrifft:
       Anders als mein Bruder habe ich das Rauchen aufgehört."
       
       1990 schoss ein psychisch Kranker auf ihn, Schäuble sitzt seitdem im
       Rollstuhl. Damals stand er vor der Frage, ob er weiter macht. Heute sagt er
       dazu: "Finden Sie mal einen neuen Beruf, wenn Sie schon eine Aufgabe
       hatten, die Sie fasziniert, die Sie befriedigt, die den Adrenalinausstoß
       befördert und die einem das Gefühl gibt, gebraucht zu werden."
       
       Schäuble bedauert nach eigener Aussage nicht, dass ihm das Amt des
       Bundespräsidenten in seiner Karriere verwehrt geblieben ist. "Ich bin nicht
       unglücklich, dass es anders gekommen ist", erklärt er. "Wir reden ja über
       2004. Als mir Richard von Weizsäcker damals sagte: 'Sie müssen das machen',
       da war ich geschmeichelt. Trotzdem habe ich zu meiner Frau gesagt: 'Ich
       weiß nicht, ob wir so glücklich wären, wenn ich das werden sollte.' Also
       gab es auch kein Bedauern, als es anders kam."
       
       Obwohl Schäuble 2004 als Kandidat im Gespräch gewesen war, hatten sich CDU,
       CSU und FDP auf eine gemeinsame Nominierung von Horst Köhler verständigt.
       Der Minister sagte, er sei damals nicht enttäuscht von Bundeskanzlerin
       Angela Merkel gewesen. "Da sie mich nicht für das Amt ins Gespräch gebracht
       hat, konnte sie mich auch nicht fallen lassen." Sein Verhältnis zur
       Kanzlerin sei gut. Dass er deutlich älter ist als Merkel, sei ein Vorzug.
       "Mein Alter schafft Vertrauen." Mit Blick auf die FDP sagt er: "Ich muss
       aber zugeben, dass ich damals die FDP-Position – jeder, aber nicht Schäuble
       – nicht verstanden habe."
       
       In dem Interview spricht Schäuble außerdem über Kohl, Adrenalin, Europa und
       seine Ungeduld bei Krisensitzungen – im Wortlaut in der aktuellen SONNTAZ.
       
       20 Jan 2012
       
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