# taz.de -- Flugrouten für Schönefeld: Von oben wird's laut
       
       > Die vorgestellten Routen sind fast ohne Alternative, sagt das
       > Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung. Bürgerinitiativen beschweren sich
       > bei der EU-Kommission.
       
 (IMG) Bild: Sie wollen weiter protestieren: Demonstranten in Friedrichshagen
       
       Es wird viel Lärm geben rund um den neuen Flughafen in Schönefeld - das
       bestreitet auch der Direktor des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung
       (BAF), Nikolaus Herrmann, nicht: "Im unmittelbaren Nahbereich eines
       Flughafens ist es sehr laut. Im weiteren Umfeld ist es laut", stellte er
       bei der Vorstellung der Routen klar. Wie viel Lärm es gebe, sei durch die
       Konzeption des Flughafens und das Planfeststellungsverfahren vorgegeben.
       Jetzt sei es nur noch darum gegangen, den Krach zu verteilen.
       
       Die Vorstellung der Routen durch das BAF ist der vorläufige Schlusspunkt
       einer Debatte, die fast anderthalb Jahre dauerte. Im September 2010 stellte
       die Deutsche Flugsicherung (DFS) erstmals die An- und Abflugrouten zum und
       vom neuen Flughafen vor. Innerhalb von Tagen gründeten sich daraufhin
       zahlreiche Bürgerinitiativen.
       
       Der Vorwurf: Anwohner seien im Glauben gelassen worden, nicht vom Lärm
       betroffen zu sein - und fänden sich nun doch unter den geplanten Routen
       wieder. In der Folge veränderte die DFS die Routen und entlastete
       beispielsweise die Wannsee-Region, so dass sich die Debatte in den
       vergangenen Monaten vor allem um die Routen in Richtung Osten drehte.
       
       Dass es in Richtung Osten auch den Müggelsee trifft, begründete Herrmann
       mit einer Entlastung der Anwohner in Müggelheim südlich des Sees. Es sei
       eine Abwägung gewesen zwischen dem Überfliegen eines Naherholungsgebiets
       bei Ostwind, also tendenziell schönen Wetterlagen, und dem Überfliegen
       eines Siedlungsgebietes, so Herrmann. "Wir haben uns für den Schutz der
       Wohnbevölkerung entschieden."
       
       Herrmann betonte jedoch, dass die Routen innerhalb des nächsten Jahres
       überprüft würden. Wie genau und welche Alternativen in Erwägung gezogen
       werden, das stünde noch nicht fest. Die Art der Überprüfung müsse zunächst
       zusammen mit der Fluglärmkommission entwickelt werden. Die tagt kommenden
       Montag das nächste Mal.
       
       Möglich wären verschiedene Varianten: So könne die Flugfreigabe erst in
       größerer Höhe erfolgen - damit wären die Piloten länger an die Routen
       gebunden. Herrmann nannte explizit, dass man eine Nordumfliegung für
       Blankenfelde-Mahlow, einen Ort direkt neben dem Flughafen, prüfen wolle.
       Außerdem bleiben die Abflüge in Richtung Osten ein Thema. "Großartige
       Veränderungen" seien aber nicht zu erwarten.
       
       Das befürchten auch die Mitglieder der Friedrichshagener Bürgerinitiative
       (FBI), in der sich die von Fluglärm betroffenen Müggelsee-Anrainer
       organisiert haben. Die jetzt bekannt gegebene Festlegung sei ein
       "eindeutiger Verstoß gegen geltendes EU-Recht", so FBI-Sprecher Ralf
       Müller. Jenes verlange bei Projekten wie dem Bau des Großflughafens eine
       vorherige Umweltverträglichkeitsprüfung. Behörden müssen mit einer solchen
       die Verhältnismäßigkeit von Bauprojekten mit deren ökologischen
       Auswirkungen auf Menschen, Pflanzen, Tiere, Boden oder Wasser abwägen. "Das
       hat das Brandenburger Infrastrukturministerium versäumt. Deswegen gehen wir
       gegen die Planungen vor", sagte Müller am Donnerstag. Der Weg, den die
       Fluglärm-Gegner dabei beschreiten werden: eine Beschwerde bei der
       EU-Kommission. Hätten die Kritiker Erfolg, würde die Kommission ein
       Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung einleiten und dabei
       etwa verlangen, dass das Land Brandenburg die Verträglichkeitsprüfung für
       den Müggelsee nachholt.
       
       In diesem Fall rechnen sich die FBI und der die Beschwerde mittragende
       Umweltverband Grüne Liga gute Chancen auf eine grundlegende Änderung der
       Routen aus: Sie befürchten, dass über dem Müggelsee frei werdende
       Kerosin-Rückstände die Trinkwasserqualität beeinträchtigen und die
       Flugzeuge den dort lebenden Großvögeln den Garaus machen könnten.
       
       In Brüssel hat die zuständige Abteilung noch nichts von der
       Müggelsee-Problematik gehört. Eine Sprecherin von Umweltkommissar Janez
       Potocnik bejahte gegenüber der taz, dass bei Flughafenbauten grundsätzlich
       eine Umweltverträglichkeitsprüfung vonnöten sei.
       
       Sie sei nicht nur vonnöten, sondern auch absolut gerecht, so die
       Vorsitzende des Bürgervereins Friedrichshagen, Sigrid Strachwitz: "Die
       Bürger rund um den Müggelsee sind es gewohnt, bei jedem Steg und jeder
       Hütte, die sie bauen wollen, umweltrechtliche Vorgaben penibel einhalten zu
       müssen." Deshalb sei es ein Skandal, dass ausgerechnet bei einem
       folgenreichen Projekt wie dem Flughafenausbau umweltrechtliche Belange
       vernachlässigt bleiben sollen.
       
       ## Alles abgearbeitet
       
       "Wir haben alle Umweltbelange im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens
       abgearbeitet", sagte hingegen ein Sprecher des Brandenburger
       Infrastrukturministeriums der taz. Sollten Fragen, die das Gebiet um den
       Müggelsee betreffen, ausgespart geblieben sein, so sei das BAF der richtige
       Ansprechpartner hierfür.
       
       Sollte die EU-Kommission tatsächlich Nachbesserungsbedarf erkennen, könnte
       Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) mit seinem gestrigen Bonmot
       mehr Recht behalten, als ihm lieb sein kann. Er verkündete: "Die Flugrouten
       sind nicht in Beton gegossen."
       
       26 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) S. Bergt
 (DIR) S. Puschner
       
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