# taz.de -- ARD-Film: Im blitzeblanken Wohntraum
       
       > Eine makellose Managerin wird von ihrer Vergangenheit eingeholt. "Die
       > Schatten, die dich holen" ist spannend – und überraschend subtil.
       
 (IMG) Bild: Die Schatten der Vergangenheit – bedrohlich nah in Gestalt von Ex-Zuhälter Kurt (André M. Hennicke).
       
       Bei diesem Film wäre es eigentlich besser, gar nicht zu wissen, worum es
       geht. Aber ohne Inhalt ist das schwer mit der Rezension. Denn auf irgendwas
       muss sich die Kritik ja stützen – das große Lob der Schauspieler, der
       Regie. Deshalb also die Bitte: Plotzusammenfassung lesen, gnädig sein, das
       Krudeste wieder vergessen – und dem Mittwochsfilm im Ersten eine Chance
       geben.
       
       Kurz also dies: "Die Schatten, die dich holen", der Titel deutet es an,
       erzählt von Vera, die gerade zur ersten österreichischen Fondsmanagerin des
       Jahres gekürt wurde. Über den Dächern Wiens lebt sie im blitzeblanken
       Wohntraum mit Mann und blondgelocktem Töchterchen, es ist ein Glück. Es
       wird noch geküsst, der Seidenpyjama fällt faltenlos. Mit dem Mann hat sie
       die Investmentfirma aufgebaut, die nur faire Fonds anbietet.
       
       Es sind schöne Menschen in schönen Kulissen. Doch dann kommt das Böse. Es
       kommt aus Veras Vergangenheit, als sie noch Lola war und Prostituierte für
       die gehobene Gesellschaft in Hamburg. Sie arbeitete damals für Alex, der
       sich nun Kurt nennt und sich rächen will. Er und sein Handlanger brachten
       vor zwölf Jahren Lolas/Veras Freund um, sie musste zusehen und sagte vor
       Gericht gegen die beiden aus.
       
       Kurt ist nun aus dem Gefängnis raus und will sich rächen. Sie will, dass
       keiner etwas von früher erfährt, gibt ihm erst Geld, dann zu viel Macht
       über sich und dann … – nun, es ist ein Thriller, es wird also spannend.
       Zwar gibt es auch viel Genretypisches. Und auch die Geschichte,
       Exprostituierte will ihre Vergangenheit hinter sich lassen, ist wahrlich
       nicht neu. Aber in "Die Schatten, die dich holen" ist sie richtig gut
       gespielt.
       
       Aglaia Szyszkowitz spielt Vera, die wie mit Schlittschuhen über die
       Eisdecke läuft, die sie über das gebreitet hat, was sie mal war – was da
       mal war. Sie ist strahlend, sie ist perfekt.
       
       ## Der Zuschauer fröstelt
       
       Aglaia Szyszkowitz lässt diese Eisdecke langsam aufbrechen, Kälte kommt
       darunter hervor, Verzweiflung und eine Entschlossenheit, bis aufs Blut
       alles zu verteidigen. Der Zuschauer fröstelt und fühlt zugleich mit.
       
       Neben ihr gleitet Bernhard Schir als ihr Mann Hannes, der so überzeugt ist
       von seinem perfekten Leben, dass er die Risse nicht sieht. Er freundet sich
       erst sogar an mit Kurt, ist dann schrecklich eifersüchtig – später rasend.
       Aus dem Gemütsmenschen bricht die Wut heraus: So viel Wucht traut man
       Bernhard Schir gar nicht zu. So, denkt man dabei, würde man selbst
       reagieren.
       
       Die größte Schau aber liefert André M. Hennicke als Kurt. Wie ein Gespenst
       auf einer Theaterbühne wirkt er, das man in einen altmodischen Anzug
       gesteckt hat. Sein Fordern ist ein heiseres Flüstern. Er will Rache, aber
       auch dieses "beschauliche Leben, porentief rein", wie er sagt.
       Schmeichelei, Verachtung, Gewalt, Zärtlichkeit. Sein Verhalten wechselt in
       Sekunden.
       
       Was vom Inhalt her plump wirkt, ist also sehr subtil gespielt. Was sagt es
       einem, wenn selbst der brutalste Verbrecher Teil einer heilen Welt sein
       will? Wenn die Nachbarin (auch beklemmend gut: Mavie Hörbiger), der Vera
       alles – selbst ihre Tochter – anvertraut, nicht ganz koscher ist? Wie
       fragil ist alles? Wie geht man selbst um mit den Schatten? Wofür lohnt es
       sich zu kämpfen? Und wie danach weiterleben? Man kann sich natürlich auch
       einfach einen Thriller ansehen.
       
       "Die Schatten, die dich holen", Mittwoch, 1. Februar, 20.15 Uhr, ARD
       
       31 Jan 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniela Zinser
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA