# taz.de -- Der Trend zum Film "Moneyball": Die Datenfresser kommen
       
       > In diversen Ballsportarten wie Baseball oder Fußball stechen schlaue
       > Statistiknerds die alte Bauchgefühl-Trainergarde aus. "Moneyball" ist der
       > Film zum Trend.
       
 (IMG) Bild: Knorrige Männer, die seit Jahrzehnten als Spieler, Trainer, Fachleute im Geschäft sind, werden abgelöst von jungen Laptop-Kids.
       
       Kein Blut, das fließt. Keine Barrikaden, die gestürmt werden. Keine Köpfe,
       die rollen. Nur alte Zöpfe, die abgeschnitten werden. Und doch handelt
       diese Geschichte von einer Revolution.
       
       Eine Revolution, die jetzt in die deutschen Kinos kommt. Der Film heißt
       "Moneyball - Die Kunst zu gewinnen" und handelt von: Baseball. Dieses Spiel
       mit dem Schläger und den Typen, die immer nur rumstehen und Kautabak kauen,
       wenn sie sich nicht gerade am Sack kratzen. Dieser Sport mit den Regeln,
       die keiner versteht. Baseball eben.
       
       Doch ist der Umbruch, der vor mehr als einem Jahrzehnt im Baseball begann,
       den "Moneyball" mit den Mitteln des US-amerikanischen Überwältigungskinos
       abbildet, längst im europäischen Fußball angekommen: Der stille Sieg des
       Statistikers, des datenfressenden Zahlennerds über die Riege alter
       Trainerfüchse, die vor allem ihrem Instinkt folgen.
       
       Davon allerdings sieht und hört man hierzulande seltsamerweise nur selten.
       Zuletzt im vergangenen Sommer. Da beschwerte sich der Manager des
       Fußball-Bundesligisten 1. FC Köln, Volker Finke, dass einer seiner
       Angestellten, ein gewisser Lukas Podolski, von einer Boulevard-Zeitung zum
       "lauffaulsten Spieler der Liga" gekürt worden war. Der Nationalspieler, so
       hatte es der Mediendienstleister Impire ermittelt, hatte sich während der
       0:3-Niederlage der Kölner gegen den VfL Wolfsburg nur 8,7 Kilometer bewegt.
       Der durchschnittliche Bundesliga-Stürmer läuft aber mehr als zehn Kilometer
       pro Spiel.
       
       ## 4.000.000 Daten pro Spiel
       
       Finke und einige seiner Kollegen beantragten daraufhin bei der Deutschen
       Fußball-Liga (DFL), es Impire zu verbieten, solche prekären Spieldaten der
       Öffentlichkeit preiszugeben. Die im bayerischen Ismaning beheimatete Firma
       zerlegt - wie ihre Konkurrenten MasterCoach oder Opta - bereits seit Jahren
       im Auftrag der DFL sämtliche Spiele der ersten und zweiten Bundesliga in
       Zahlen. Dabei werden pro Spiel über vier Millionen Datensätze ermittelt,
       die dann den Vereinen für ihre Spielanalyse zur Verfügung gestellt werden.
       Über Internet und Smartphone-Apps haben nun auch ganz normale Fans darauf
       Zugriff.
       
       In der Fußballbranche selbst aber ist der Umgang mit dem Computer immer
       noch nicht selbstverständlich. Zwar setzen immer mehr junge Trainer die
       Spieldaten zur Evaluierung von Spielern ein, zur Analyse des gegnerischen
       Spiels und zur Entwicklung der eigenen Taktik. Darüber reden will aber kaum
       einer, aus Angst, als Digital-Nerd abgestempelt zu werden. Es gilt immer
       noch das Diktum von Karl-Heinz Rummenigge. "Fußball ist keine Mathematik",
       hatte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern München seinem damaligen
       Trainer Ottmar Hitzfeld, einem gelernten Mathematiklehrer, bescheinigt. Der
       hatte gekontert: "Ich hoffe, dass ich das Fußball-Einmaleins kann."
       
       Das war vor nicht einmal fünf Jahren, mittlerweile kann von Einmaleins
       keine Rede mehr sein. Lauf- und Passwege werden analysiert, Erholungszeiten
       nach Sprints gemessen, selbst komplexe Abläufe wie das gemeinsame
       Verschieben einer Vierer-Abwehrkette können aufbereitet werden. Von André
       Villas-Boas, Trainer des FC Chelsea und jahrelang wichtigster Zuarbeiter
       vom Champions-League-Meistercoach José Mourinho, heißt es, er konfrontiere
       seine Spieler bisweilen selbst mit der durchschnittlichen Sprunghöhe der
       gegnerischen Verteidiger.
       
       ## "Schöne Spielerei"
       
       Den Traditionalisten gefällt das gar nicht. In einer Welt, die bisher
       bestimmt wurde von den subjektiven und eher als amüsanter Zeitvertreib
       eingeschätzten Noten der Kicker-Redaktion, fürchten nun Manager um den
       Marktwert ihrer Spieler. Spieler fürchten sich vor einer - vielleicht nur
       vermeintlichen - Objektivierung ihrer Leistungen. Trainer und Talentspäher
       fürchten, dass ihr Know-how, das oft auf kaum mehr als Bauchgefühl beruht,
       wertlos werden könnte. Der Manager des VfB Stuttgart, Fredi Bobic,
       verunglimpft die Statistiken deshalb als "schöne Spielerei".
       
       Was das mit "Moneyball" zu tun hat? Sehr viel. Denn ungefähr jener Moment,
       an dem sich der Spitzenfußball momentan befindet, wird im Film am Beispiel
       der Oakland Athletics beschrieben. Dort begann einst zwar nicht die
       Revolution, aber dort wurde sie sehr früh, sehr effektiv umgesetzt.
       
       Die Oakland As, einer der traditionsreichsten, aber auch traditionell
       ärmsten Klubs der Major League Baseball (MLB), schaffte es über Jahre,
       vorne mitzumischen. In Zahlen: In der Spielzeit 2002, die Gegenstand des
       Films ist, zahlten die Oakland As ihren Spielern 39,7 Millionen Dollar. Die
       New York Yankees, der reichste MLB-Klub, seinen dagegen 125,9 Millionen.
       
       Trotzdem gewannen die As von 2000 bis 2003 mehr Spiele als jedes andere
       MLB-Team. Das Geheimnis des Erfolgs: Manager Billy Beane, im Film von Brad
       Pitt gespielt, hatte in Oakland neue Analysemethoden durchgesetzt.
       Statistiken spielten im Baseball schon immer eine große Rolle. Aber, das
       erkannte Beane: die falschen Statistiken. Mit Hilfe moderner
       Computertechnik und Absolventen von Elite-Universitäten fand er Spieler,
       deren Qualitäten von traditionellen arbeitenden Teams übersehen wurden und
       deshalb billiger zu haben waren.
       
       Das klingt einfacher, als es tatsächlich war. Beane musste erst einmal die
       altgedienten Scouts und Baseball-Fachleute in der eigenen Organisation
       überzeugen. Oder feuern. Davon erzählt der Film: Wie die knorrigen Männer,
       die seit Jahrzehnten als Spieler, Trainer, Fachleute im Geschäft sind,
       abgelöst werden von jungen Laptop-Kids, die selbst niemals nennenswert
       Baseball gespielt haben. Der Film verkürzt diese Geschichte: Die Revolution
       fand natürlich nicht im Verlauf einer einzigen Spielzeit statt. Und aus
       einer ganzen Combo von Computer-Spezialisten, die dem echten Billy Beane
       assistierten, wird auf der Leinwand ein einziger, aber dafür ziemlich
       rundlicher Computer-Nerd.
       
       Die As waren nicht die einzigen, die in den späten 90er Jahren versuchten,
       Baseball mit anderen, objektiveren Augen zu sehen. Aber Beane hatte in
       Oakland damit den größten Erfolg. Und er hatte Michael Lewis. Der
       Finanzjournalist und preisgekrönte Autor bekam von den As eine ganze Saison
       lang ungehinderten Zutritt gewährt, selbst zu den Sitzungen der
       Klub-Verantwortlichen, in denen die sich über den Kurs des Klubs
       auseinandersetzten. Das Ergebnis war "Moneyball". Das Buch wurde ein
       Bestseller und Beane wurde ein Star. Statistiken waren plötzlich schick.
       
       ## Kein Happy End
       
       Doch so erfolgreich die Oakland As unter der Regie von Billy Beane eine
       Zeit lang waren,die Meisterschaft konnten sie schlussendlich nie gewinnen.
       Im Laufe einer langen MLB-Saison mit 162 Spielen setzen sich zwar die
       statistischen Wahrscheinlichkeiten durch. In den wenigen Spielen in den
       Playoffs kommen dagegen Faktoren wie Glück und Tagesform überproportional
       zum Tragen.
       
       Nun sind ihre Methoden von anderen, reicheren Klubs adaptiert worden.
       Mittlerweile sind fast alle aus dem Team, das die As mit dem Computer zum
       Erfolg führte, verantwortliche Manager in anderen Klubs, Beane selbst
       lehnte 2002 ein Angebot der reichen Boston Red Sox ab. So sind auch die
       alten Kräfteverhältnisse, die sich nach Umsatz und Ausgaben berechnen,
       wieder hergestellt worden. Und die Oakland As sind seit 2006 wieder in den
       Tabellenkeller abgetaucht.
       
       "Es war ein Krieg", hat "Moneyball"-Autor Lewis unlängst gesagt, "aber
       dieser Krieg ist eigentlich schon vorbei. Was Billy getan hat, ist jetzt so
       ziemlich überall Standard." Und diejenigen, die den aktuellen Misserfolg
       der As als Beweis dafür sehen, dass Billy Beanes Revolution gescheitert sei
       - "das sind die eigentlichen Verlierer."
       
       1 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
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