# taz.de -- Gastbeitrag Sicherheitskonferenz II: Karman rockt!
       
       > Nur zwei Frauen sprechen auf der Konferenz in München zum Auditorium.
       > Tawakoll Karman aus dem Jemen zeigt sich in ihrer Rede mutig und benutzt
       > ein ehrlicheres Vokabular als Westerwelle und Co.
       
 (IMG) Bild: Die jemenitische Friedensnobelpreisträgerin Tawakkul Karman auf der Sicherheitskonferenz.
       
       Oktober 2011; Ich sitze in einer Bundeswehr-Kantine in Mazar-e-Sharif und
       esse zu Mittag. An der Wand laufen die Nachrichten der Deutschen Welle,
       ohne Ton. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass die Gewinner des
       Friedensnobelpreises benannt worden sind. Drei Frauen. Die Bilder der drei
       kommen nacheinander in Großformat. Die dritte ist Tawakoll Karman,
       Menschenrechtsaktivistin aus Jemen. Ich flippe vor Freude aus, verschlucke
       mich und kann erst nach einem kräftigen Schlag eines mir gegenüber
       sitzenden taz-Journalisten auf den Rücken wieder frei atmen. Eingekriegt
       habe ich mich erst Stunden später.
       
       Mit Tawakoll Karman hatte ich damals eine rege Email-Korrespondenz – auf
       Vermittlung meines Kollegen und Jemen-Kenners Thilo Hoppe. Sie berichtete
       aktiv und authentisch von den Protesten gegen die Repression des
       Saleh-Regimes. Sie gab konkrete Hinweise, wie man aus dem Westen gegen
       Saleh vorgehen kann (z.B. durch das Sperren seiner Auslandskonten). Und nun
       gewann diese junge, mutige Frau den Nobelpreis für Frieden. Auch für ihr
       Engagement als Präsidentin von "Women Journalists Without Chains". Was will
       man mehr?
       
       Und ausgerechnet diese Junge Frau durfte heute morgen auf der
       Sicherheitskonferenz in München die Hauptrede zum Arabischen Frühling
       halten. Und wie sie es tat! Da wo Westerwelle Russlands Veto im
       Sicherheitsrat gegen jede Verurteilung der Verbrechen des Assad-Regimes
       "bedauerlich" nannte, sprach sie von "Verbrechen". Wo die Chefstrategen von
       "Herausforderung" sprechen, sagte sie "Freiheit".
       
       ## Nur zwei Frauen
       
       Ihre bemerkenswerte Rede schloss sie damit ab, dass es nicht sein könne,
       dass über die "Zukunft des Friedens in der Welt diskutiert werden soll, und
       in drei Tagen sprechen nur zwei Frauen – Hillary Clinton und Tawakoll
       Karman – zum Auditorium". Riesen-Beifall, betretene Gesichter bei so
       manchen alten Männern, die seit über 40 Jahren jährlich nach München
       kommen. Karman rockte das Haus.
       
       Das Podium danach hatte das gesamte Potential für eine gute Diskussion –
       außer Teilnehmerinnen. Außenminister aus Katar, Türkei und Ägypten, der
       neue Premier Tunesiens. Das Ganze scheiterte kläglich aus drei Gründen:
       
       1. Die Männerrunde war keineswegs im Stande, auf die furiose Rede Karmans
       einzugehen, geschweige denn mitzuhalten.
       
       2. Zwei Männer aus dem Publikum hatten die meiste Redezeit, es wurde
       bizzar. Prinz Turkis (ehemaliger Geheimdienst-Chef Saudi-Arabiens)
       "Verurteilung der Diktatur" war genauso grotesk wie Georgiens Präsident
       Saakashvillis Plädoyer für Demokratie und gegen das Bekämpfen der
       "sowjetischen Denkmuster in Russland".
       
       3. Die richtigen Fragen wurden nicht gestellt.
       
       Was erwidert der tunesische Premierminister Jebali, Angehöriger einer
       "islamistischen" Partei den Ängsten der westlichen Welt über den Aufstieg
       religiös-orthodoxer Kräfte in der islamischen Welt? Was bedeutet diese
       konservative Wendung für die Frauenrechte? Welche Rolle will die Türkei
       eigentlich langfristig übernehmen? Wie ernst ist die Ankündigung Katars,
       Soldaten zur Unterstützung der Opposition nach Syrien zu schicken? Wann
       gibt der Militärrat in Ägypten endlich die Macht ab, statt weiterzumorden?
       Wie gehen diese Länder mit dem Stellvertreterkrieg zwischen den Saudis und
       den Iranern in Bahrain, Pakistan und Libanon um? Was bedeutete ein
       militärischer Angriff Israels auf den Iran für die Golf-Staaten?
       
       ## Was würden Sie twittern?
       
       Stattdessen fragte die EU-Kommissarin für das Digitale Nellie Kroes (die
       mit dem Guttenberg): "Was würden Sie einer syrischen Mutter twittern, die
       weiß, dass ihr Sohn heute auf den Straßen von Homs getötet werden wird?!"
       Peinlich berührte Gesichter. Immerhin antwortete niemand: "Wir rächen ihn
       mit Bomben"!
       
       Was bleibt also von der Nahost-Debatte? Eine Tawakoll Karman, die bewiesen
       hat, dass sie die richtige Trägerin des Friedensnobelpreises ist. Dass die
       demokratische Zukunft (nicht nur) des Nahostens ohne die Einbeziehung der
       Geschlechter nicht geht. Und dass es der Münchener Sicherheitskonferenz gut
       täte, nicht immer nur die(selben) Männer reden zu lassen.
       
       Immerhin hat ein Panelist doch auf sie reagiert: Senator Joe Lieberman.
       "Wir haben heute wieder gelernt, dass die Werte, die wir jahrzehntelang für
       westlich erachtet haben, universell sind." Tawakoll Karman sei Dank!
       
       5 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Omid Nouripour
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Gastbeitrag Sicherheitskonferenz III: Das Netz und Allmachtsphantasien
       
       Zum Abschluss der Sicherheitskonferenz in München ein Blick auf das
       Modethema Cyber-Sicherheit, einen uneitlen estnischen Staatschef und
       Steinschleuder vs. Schild.
       
 (DIR) Gastbeitrag Sicherheitskonferenz I: Kein Afghanistan, nirgendwo
       
       Weltmänner und -frauen diskutieren über Großthemen der internationalen
       Politik. In München trifft sich die abgezockte Community der
       Super-Realisten.