# taz.de -- Festival Club Transmediale: Verrückt spielen
       
       > Was Phil Collins und das Geräusch eines Bohrers gemeinsam haben: Ein
       > Gespräch über absurde musikalische Rekombinationen beim Festival Club
       > Transmediale.
       
 (IMG) Bild: Was eigentllich nicht zusammengehört, neu zusammensetzen.
       
       Von allen aktuellen Retrophänomenen in der Popkultur ist Hauntological bzw.
       Hypnagogic Pop das rätselhafteste. Es funktioniert weder nach dem
       Karl-May-Prinzip, also der idealisierten Nachstellung einer Geschichte, die
       man selbst nie erlebt hat, noch handelt es sich um eine nostalgische
       Sehnsucht, die sich in einer Verklärung der eigenen Vergangenheit äußert.
       Unter dem Titel "Post Traumatic Euphoria" sprachen mit Daniel Lopatin alias
       Oneothrix Point Never und James Ferraro zwei der Hauptprotagonisten, an
       denen sich der Diskurs um Hauntological Pop entzündet hat, im Rahmen des
       Club Transmediale über ihre Musik.
       
       Der Gang ins Archiv ist für Popmusik obligatorisch geworden, Lopatin und
       Ferraro scheuen sich im Gegensatz zu vielen ihrer KollegInnen aber nicht,
       auch noch weniger erschlossene Pfade zu beschreiten. Statt bereits bekannte
       Popgeschichte zu zitieren, arbeiten beide mit abseitigen Samplequellen, die
       trotzdem tief im kollektiven Gedächtnis verankert sind: So bedient sich
       Lopatin für sein aktuelles Album, "Replica", bei Werbespots, Ferraro
       verwertet auf "Far Side Virtual" Signaltöne von Mail- und Chatprogrammen
       und legt so eine Klangcollage des digitalen Alltags vor.
       
       "Bei einem Zahnarztbesuch lief im Behandlungszimmer Phil Collins und wurde
       vom Geräusch des Bohrers überlagert. Beide Geräusche sind für sich allein
       unerträglich, aber zusammen klang das sehr interessant. Nach solchen
       absurden Rekombinationen suche ich auch bei meiner Arbeit", erzählt
       Lopatin.
       
       Einige seiner absurden Rekombinationen lassen sich auf YouTube bestaunen:
       Etwa "[1][Nobody Here]", in dem zu einem geloopten Chris-de-Burgh-Sample
       regenbogenartige Formen in 90er-VGA-Optik vor einer nächtlichen
       Großstadtkulisse tänzeln. Ironie, Verfremdung und die Reflexion des Mediums
       spielen auch für Ferraro eine wichtige Rolle: "Far Side Virtual"
       veröffentlichte er auf teurem Vinyl, hält aber das Smartphone für das
       angemessenere Abspielmedium.
       
       Entstanden ist das Album in Los Angeles, einer Stadt, deren Infrastruktur
       vollkommen auf das Automobil ausgerichtet ist. Dort wird das Scheitern
       einer technischen Utopie der Vergangenheit täglich greifbar. Vielleicht
       schärfte sich so Ferraros Blick für die Gegenwart.
       
       Noch immer wird die digitale Revolution fast ausschließlich aus der
       Jetztperspektive erzählt. Dass sie selbst von Brüchen und historischen
       Irrtümern durchzogen ist, wird dabei allzu oft übersehen. Mit ihrer
       hyperfuturistischen und gleichzeitig altbackenen Musik machen Ferraro und
       Lopatin auf dieses Paradoxon aufmerksam und bereichern damit den
       Retrodiskurs um eine dringend benötigte Facette.
       
       5 Feb 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=-RFunvF0mDw
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julian Jochmaring
       
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