# taz.de -- Kolumne Gott und die Welt: Der künftige Krieg
       
       > Kanzlerin Merkel ist nicht Königin Ester. Ein Krieg zwischen Iran und
       > Israel ist kaum vermeidbar, weil er im Interesse beider Feinde liegt.
       
       Vom 7. bis 8. März feiern Jüdinnen und Juden das Purimfest. Es geht zurück
       auf die im biblischen Buch "Ester" tradierte Geschichte, wonach der
       antisemitische Großwesir des persischen Königs, ein Mann namens Haman, alle
       Juden des persischen Reichs umbringen wollte. Ester aber, die mit dem
       persischen König verheiratet war, wusste dies zu verhindern, so dass sich
       nicht nur die Juden des persischen Reiches bewaffnen und wehren konnten,
       sondern der König seinen Wesir Haman am Ende verstieß und aufhängen ließ.
       
       Die Verkehrung der Verhältnisse des geplanten Pogroms spiegelt sich im
       Brauch wider, eine andere Identität anzunehmen, sich zu maskieren, weshalb
       Purim inzwischen vor allem ein Kinderfest ist.
       
       Bei alledem verweist das Fest auch auf die jahrtausendealte Beziehung von
       Juden und Persern: Immerhin war es der persische Großkönig Kyros, der die
       Juden aus der babylonischen Gefangenschaft nach Judäa zurückkehren ließ,
       was ihm der unter dem Namen "Jesaja" publizierende Autor des
       Prophetenbuches dadurch dankte, dass er dem Großkönig den Titel "Messias"
       zusprach.
       
       ## Blühende Gemeinschaft im Sassanidenreich
       
       Anzufügen wäre noch, dass im persischen Sassanidenreich, in der späten
       Antike, eine große und blühende jüdische Gemeinschaft lebte, die nicht
       zuletzt den für die jüdische Religion zentralen "babylonischen" Talmud
       schuf.
       
       Doch sind diese Zeiten lange vorbei – für 2012 ist ein blutiger Konflikt,
       ein Krieg mit unabsehbaren Folgen [1][zwischen dem Staat Israel und der
       Islamischen Republik Iran] zu erwarten. Doch bevor man nun moraltheoretisch
       das Pro und Kontra eines israelischen Luftangriffs auf den Iran abwägt und
       sich ernsthaft der Frage stellt, ob der jüdische Staat nach der Schoah auch
       nur das geringste Risiko, von wahnsinnigen iranischen Mullahs oder ihnen
       willfährigen Politikern mit Atomwaffen angegriffen oder auch nur bedroht zu
       werden, hinnehmen darf, sollten ein paar nüchterne Erwägungen Gehör finden.
       
       Dieser künftige, drohende Krieg wird vor allem deshalb kaum noch zu
       vermeiden sein, weil er im wohlerwogenen Interesse beider Feinde, des
       klerikalfaschistischen Regimes der Mullahs sowie der
       rechtsnational/rechtsradikalen Koalitionsregierung von Benjamin Netanjahu
       liegt. Etwas Besseres kann beiden Seiten derzeit nicht passieren: Das
       Mullahregime wird bei dramatischer Arbeitslosigkeit und steigenden Preisen
       ökonomisch bald vor inneren Unruhen stehen.
       
       Daher kann ihm gar nichts Besseres passieren, als von Israel angegriffen zu
       werden. Angriffe von außen stellen nach wie vor das beste Mittel dar, eine
       unzufriedene und auseinanderfallende Bevölkerung dazu zu bringen, die
       Reihen wieder fest zu schließen. Der mögliche Rückschlag bei der
       Entwicklung einer Atombombe dürfte für das Regime durchaus zu verschmerzen
       sein: Nach einem erfolgreichen Luftangriff werden die Arbeiten wieder
       aufgenommen, bis man in zwei, drei Jahren wieder genauso weit ist wie
       heute.
       
       Auch die Regierung Netanjahu kann von diesem Krieg nur profitieren. Sie
       kann im Zuge eines Angriffs auf die iranischen Nuklearanlagen flankierend
       die bewaffneten Kräfte von Hamas und Hisbollah sogar dann ausschalten, wenn
       diese gar nicht mehr auf die iranische Karte setzen. Geringste Angriffe
       proiranischer Splittergruppen legitimieren ausgreifende Operationen im
       südlichen Libanon und im Gazastreifen.
       
       ## Munter fortgeführte Besatzungspolitik
       
       Diese Angriffe aber würden nicht nur die bewaffneten Kräfte von Hamas und
       Hisbollah für längere Zeit ausschalten, sondern zugleich so viel Hass säen,
       dass das derzeit beobachtbare zaghafte realpolitische Umschwenken von Hamas
       beendet wäre und die moderaten Palästinenser im Westjordanland wieder unter
       Druck kämen. Vor diesem Hintergrund kann die israelische Siedlungs- und
       Besatzungspolitik angesichts der angeblichen Friedensunfähigkeit der
       Palästinenser munter fortgeführt werden.
       
       Europas außenpolitische Ohnmacht und das durch den US-amerikanischen
       Wahlkampf unvermeidlich gewordene Nichtstun der Administration Obama
       produziert zudem ein sich wechselseitig verstärkendes Vakuum. Der
       US-amerikanische Verteidigungsminister Panetta wusste daher genau, was er
       tat, als er vor einigen Tagen einen israelischen Waffengang im April
       voraussagte - es war ein Hilferuf! Die Europäer aber schweigen vielsagend
       oder äußern sich - wie der deutsche Außenminister - mit banalen Floskeln zu
       nur halbwegs effektiven Sanktionen.
       
       Und das dem Umstand zum Trotz, dass sie allemal - neben dem elenden Tod von
       Israelis, Palästinensern und Iranern - die Leidtragenden sein werden. Die
       durch den Krieg steigenden Ölpreise werden nämlich alle wirtschafts- und
       finanzpolitischen Absprachen zu Makulatur werden lassen. Aber Kanzlerin
       Merkel ist nicht Königin Ester.
       
       7 Feb 2012
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Debatte-Iran-und-Israel/!86884/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Micha Brumlik
       
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