# taz.de -- Berlins neue Bildungssenatorin: "Ich nehme Kritik ernst"
       
       > 19.000 neue Kitaplätze will Bildungsenatorin Sandra Scheeres (SPD)
       > schaffen und über Inklusion neu diskutieren. Beim Oberschulzugang fordert
       > sie Besonnenheit.
       
 (IMG) Bild: Sandra Scheeres, Berlins neue Senatorin für Bildung, Jugend und Wissenschaft, und ihr Chef.
       
       Taz: Frau Scheeres, wie oft haben Sie den Tag schon verflucht, an dem Sie
       Klaus Wowereit zugesagt haben, Bildungssenatorin zu werden? 
       
       Sandra Scheeres: Noch gar nicht. Es macht mir Spaß! Natürlich gibt es immer
       anstrengende Phasen, aber auch schöne: Gerade habe ich eine neue Fachschule
       für Erzieherinnen und Erzieher eröffnet. Da sieht man, dass man auch
       vorankommt.
       
       Viele in der Stadt hatten gehofft, dass bei Ihnen den Themen Jugend und
       auch Kita wieder mehr Raum als unter Ihrem Vorgänger Jürgen Zöllner
       eingeräumt wird. 
       
       Was ja auch passiert: Wir bauen die Kitaplätze aus, ebenso die
       Ausbildungskapazitäten für Erzieherinnen und Erzieher, Familienzentren
       werden wir künftig durch das Land finanzieren. Das sind neue Akzente, die
       ich setze.
       
       Wie viele neue Kitaplätze soll es geben? 
       
       Der Plan ist, bis 2015 19.000 neue Plätze zu schaffen. 8.000 davon
       finanzieren wir über Bundesprogramme, 11.000 über Landesmittel. Dafür
       stehen jetzt im Haushalt im ersten Jahr 4 Millionen, im nächsten Jahr dann
       16 Millionen Euro zur Verfügung. Die Konzepte dafür entwickeln wir derzeit
       und diskutieren sie mit den Bezirken und Trägern.
       
       Werden das Kitaplätze für alle Altersstufen? 
       
       Ja, denn ab 2013 haben wir den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab dem 1.
       Lebensjahr. Wir sind in Berlin zwar weit mit dem Ausbau - der Bund fordert
       von den Ländern, dass sie für 35 Prozent der Altersgruppe von ein bis drei
       Jahren Plätze vorhalten müssen, und wir sind bereits bei 43 Prozent - aber
       wir haben da natürlich auch einen besonderen Anspruch. Weil es uns wichtig
       ist, dass viele Kinder in die Kita gehen. Wir wissen, was es für die
       Sprachentwicklung als Bildungsgrundlage bedeutet.
       
       Trotzdem müssen Sie sich jetzt erstmal wieder um das Thema Schule kümmern,
       denn im Moment wird recht hysterisch über eine Zahl von 1.000 SchülerInnen
       diskutiert, die angeblich das Probejahr der Gymnasien nicht schaffen
       werden. 
       
       Meine Verantwortung besteht darin, sachlich und mit der nötigen Ruhe an
       diese Fragen heranzugehen. Ich kann mich nicht zu hektischen Aktionen
       verleiten lassen. Dazu ist das Thema viel zu wichtig. Und wenn punktuell
       Probleme zu sehen sind, heißt das nicht, dass das ein Problem für die ganze
       Stadt ist. Ich trage die Verantwortung für alle Schulen, für alle
       Schülerinnen und Schüler und nicht nur für einzelne Schulen. Natürlich
       sorgen wir dafür, dass für diese Schüler genügend Sekundarschulplätze
       vorhanden sind.
       
       Verstehen Sie die Angst der Eltern, die zu solcher Hysterie führt? Sie
       haben selbst zwei Kinder. 
       
       Ich sehe aufseiten der Eltern keine Hysterie. Als wir vor zwei Jahren über
       die Ausgestaltung der Reform nachgedacht haben, habe ich Sorgen gespürt.
       Die größte war, dass es einen Run auf die Gymnasien geben werde und zur
       Sekundarschule keiner will. Aber das ist nicht passiert, sondern viele
       Eltern haben in der Sekundarschule eine positive Alternative gesehen. Auch
       die prognostizierte Klagewelle gegen das neue Aufnahmeverfahren für die
       Oberschulen blieb aus.
       
       Woher kommt denn dann derzeit der Aufschrei, dass viele SchülerInnen das
       Probejahr am Gymnasium nicht schaffen? 
       
       Wir sind jetzt im ersten Schuljahr, in dem das Probejahr das Probehalbjahr
       abgelöst hat. Wir haben noch keine Zahlen darüber, wie viele SchülerInnen
       es nicht schaffen werden, denn das Probejahr ist noch nicht vorbei! Es gibt
       offenbar an einzelnen Gymnasien das Problem, dass derzeit einige
       Siebtklässler versetzungsgefährdet erscheinen. Aber erstens ist das kein
       flächendeckendes Problem. Und zweitens wissen wir, dass sich junge Menschen
       in einem halben Jahr noch entwickeln können - deshalb haben wir die
       Probezeit ja auf ein ganzes Schuljahr verlängert. In dieser Zeit kann ein
       junger Mensch wirklich noch den Dreh kriegen und seine Leistungen
       verbessern. Dabei muss er unterstützt und gefördert werden. Und die
       Lehrerinnen und Lehrer müssen dafür sorgen, dass das gesamte Probejahr für
       diese Unterstützung genutzt wird. Bereits nach einem halben Jahr
       Schlussfolgerungen für das Kind zu ziehen, ist falsch. Ich werde nicht das
       Probejahr infrage stellen, weil es in einzelnen Schulen Probleme gibt. Wir
       müssen uns ganz in Ruhe ansehen, wie das nach dem Probejahr an den Schulen
       aussieht, und dementsprechend handeln.
       
       Ein wichtiges Thema der nächsten Zeit ist die Inklusion von Kindern mit
       Behinderungen ins Regelschulsystem. Wie geht es da weiter - auch auf der
       Finanzierungsebene? 
       
       Der Senat hat in der vergangenen Legislaturperiode ein Inklusionskonzept
       beschlossen, das ich noch als Abgeordnete mit diskutiert habe. Deshalb weiß
       ich, dass das in vielen Teilen gute Konzept an manchen Stellen überarbeitet
       werden muss, da auch noch manches fehlt. Denn das ist ein sensibles Thema,
       das alle Eltern und Pädagogen betrifft. Viele betroffene Gruppen wurden an
       der Entwicklung des Konzeptes nicht beteiligt. Daran ist viel Kritik
       geäußert worden, die ich ernst nehme. Wir planen deshalb ein Gremium
       einzurichten, das das Konzept noch einmal diskutiert und den Prozess
       begleitet. Ein Kritikpunkt war die geplante Kostenneutralität der
       Inklusionsmaßnahmen, die man sich noch einmal ansehen muss - etwa, wie der
       Personalschlüssel in der Realität funktionieren soll. Wir können nicht mit
       der Gießkanne Geld verteilen, das ist klar. Aber Inklusion darf keine
       Verschlechterung für die Kinder bedeuten, sie soll für alle eine
       Verbesserung sein.
       
       Das klingt, als wollten Sie das noch mal von vorne aufrollen? 
       
       Stimmt. Im jetzigen Haushalt haben wir zunächst eine Million Euro für
       bauliche Voraussetzungen eingeplant. Aber das Inklusionskonzept wird später
       umgesetzt. Wir diskutieren es neu und müssen dann sehen, was das finanziell
       bedeutet. Dann geht es um andere Beträge. Das wird ein Thema für die
       nächsten Haushaltsberatungen.
       
       12 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alke Wierth
       
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