# taz.de -- Landesregierung gegen Abschiebestopp: Grün-Rot will Roma abschieben
       
       > Baden-Württembergs Grüne wollten ein dauerhaftes Bleiberecht für Roma aus
       > dem Kosovo. Nun soll der Abschiebestopp im Ländle doch wieder aufgehoben
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Ein Rom-Kind im Kosovo. Das Leben dort soll angeblich wieder in zivilisierten Bahnen verlaufen.
       
       BERLIN taz | Supermärkte, neue Wohnanlagen, Autos deutscher Hersteller in
       den Straßen. Alles in allem eine zivilisierte Situation: das ist der
       Eindruck, den der baden-württembergische Petitionsausschusses von der Lage
       der Roma im Kosovo gewonnen hat.
       
       Und deshalb halten es die Vertreter aller Landtagsfraktionen nach ihrer
       viertägigen Kosovo-Reise Ende Januar nun auch für vertretbar, hier
       geduldete Roma und andere kosovarische Minderheiten abzuschieben. In den
       kommenden Wochen will die grün-rote Landesregierung den seit August
       herrschenden faktischen Abschiebestopp aufheben.
       
       Baden-Württemberg ist das erste Bundesland, das auf der Grundlage eines
       eigenen Besuchs über die künftige Abschiebepraxis entscheidet, sonst
       vertrauen die Länder auf Bundesberichte.
       
       Gängig sind nur individuelle sogenannte Winterabschiebestopps,
       vorübergehende Ausnahmen für bestimmte Bevölkerungsgruppen, von denen vor
       allem Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz Gebrauch gemacht haben. "Wir
       wollten uns ein eigenes Bild machen und eine dauerhafte Lösung finden",
       sagt Daniel Lede Abal, Experte für Migrationspolitik der Grünen im Landtag.
       
       ## Prekäre Situation
       
       Der momentan geltende informelle Abschiebestopp hätte also zu einem
       dauerhaften werden können - wenn die baden-württembergische Delegation die
       Lage der kosovarischen Minderheiten für schlecht genug befunden hätte. Etwa
       so, wie es ein Bericht des Kinderhilfswerks Unicef aus dem Sommer 2011
       nahelegt. Demnach gehen drei Viertel aller in den Kosovo zurückgeführten
       Roma-Kinder nicht zur Schule, nur wenige Familien haben eine feste Wohnung,
       geschweige denn einen Job. "An dieser prekären Situation hat sich bis heute
       nichts verändert", sagt Verena Knaus, Autorin des Unicef-Berichts.
       
       Das sehen auch zahlreiche andere Beobachter so. "Armut, Ausgrenzung und
       Vertreibung" erwarteten abgeschobene Roma im Kosovo, schreibt Human Rights
       Watch in einem Bericht.
       
       Die Baden-Württemberger aber ziehen aus ihrem Kurztrip ins Kosovo ein ganz
       anderes Fazit. "Wir haben auf unserer Reise erfahren, dass Roma studieren
       dürfen", sagt Nikolaos Sakellariou, innenpolitischer Sprecher der
       SPD-Landtagsfraktion. Weil das Kosovo mittlerweile ein "toleranter
       Vielvölkerstaat" sei, sollen die ausreisepflichtigen
       Minderheitenangehörigen im Land nun im Regelfall wieder abgeschoben werden.
       Nur Familien, deren Kinder gut integriert sind und gute Noten schreiben,
       sollen nach Meinung Sakellarious bleiben dürfen.
       
       ## 8.178 ausreisepflichtige Roma
       
       Nach Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen leben in Baden-Württemberg mit
       rund 1.350 Personen die meisten ausreisepflichtigen Angehörigen
       kosovarischer Minderheiten. Seit 2009 nimmt das Kosovo wieder Angehörige
       der nach dem Bürgerkrieg 1999 verfolgten Minderheiten zurück. Seit Herbst
       2010 erzeugt ein Rückübernahmeabkommen Druck auf die Bundesländer. Mit
       Folgen: Heute leben laut Bundesregierung noch 8.178 ausreisepflichtige Roma
       und Angehörige anderer Kosovo-Minderheiten in Deutschland – rund 30 Prozent
       weniger als 2009.
       
       Im rot-grün regierten Nordrhein-Westfalen, so berichtet es der
       Flüchtlingsrat, habe man in diesem Jahr für einen Winterabschiebestopp
       regelrecht kämpfen müssen. Noch Anfang Dezember wollte das Land
       Sammelabschiebungen vornehmen, nur durch Druck setzte es die Abschiebungen
       alter oder kranker Personen und Familien bis April 2012 aus. Ansonsten gilt
       in NRW eine "verstärkte Einzelfallprüfung" – angesichts 185 Abgeschobener
       seit 2010 bezeichnen Flüchtlingsorganisationen diese aber als wirkungslos.
       
       Nach dem Kurztrip ins Kosovo will sich das grün-rot regierte
       Baden-Württemberg nun an Nordrhein-Westfalen orientieren. "Wir wollten
       eigentlich umfassende Bleibemöglichkeiten schaffen", gesteht der Grüne
       Daniel Lede Abal. Doch die im Kosovo besuchten Gesprächspartner hätten "an
       den entscheidenden Stellen nicht die entscheidenden Dinge erzählt".
       
       12 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karen Grass
       
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