# taz.de -- Bundesliga: Am Boden der Tatsachen
       
       > Beim 1:1 der Fußballer von Werder Bremen gegen Hoffenheim trat die
       > Wahrheit über den Leistungsstand des Teams hervor: Werder hat eine
       > Mannschaft im Umbruch.
       
 (IMG) Bild: Umbau in Bremen: Werders neuer Spieler Zlatko Junuzovic (links) im Zweikampf mit Hoffenheims Sebastian Rudy.
       
       HAMBURG taz | "Ich weiß gar nicht, wo Werder immer diese langen Kerls
       hernimmt", wunderte sich Stuttgarts Trainer Bruno Labbadia vor knapp einem
       Jahr im Weserstadion. Seit Otto Rehhagels Zeiten sind baumlange Hünen ein
       Markenzeichen der Bremer Mannschaft. In den letzten Jahren galt das vor
       allem für die Innenverteidigung: Mertesacker, Prödl und Naldo kratzen alle
       an der Zwei-Meter-Marke. Die Zuschauer konnten sich beruhigt zurücklehnen,
       wenn wieder mal ein hoher Ball in Werders Strafraum segelte - der wurde
       meist zur sicheren Beute der Recken.
       
       Heute sieht das anders aus. Bereits zehn Kopfball-Gegentore in dieser
       Saison, davon allein drei in der Rückrunde - das spricht eine deutliche
       Sprache. Das aktuelle Verteidigerpaar heißt Sokratis/Affolter und beide
       Spieler sind kleiner als 1,90 Meter. "Es fehlt uns derzeit an der
       Lufthoheit", hat Werders Sportdirektor Klaus Allofs erkannt. Und so lag
       Werder am Samstag bereits nach vier Minuten durch einen Kopfballtreffer von
       Hoffenheims fast zwei Meter großem Innenverteidiger Jannik Vestergaard mit
       0:1 hinten.
       
       Ein früher Rückstand hat normalerweise den Vorteil, dass genug Zeit bleibt,
       ihn aufzuholen. Am Samstag war er aber fast schon spielentscheidend, da er
       den neu formierten Bremern die Möglichkeit nahm, sich zu finden und ihr
       Spiel aufzubauen. Niemand nahm sich die Zeit, den passenden Schlüssel für
       das Hoffenheimer Bollwerk zu finden, alle holten von Beginn an hektisch die
       Brechstange raus. "Wir haben nur in den letzten 20 Minuten Druck gemacht,
       vorher nur mit langen Bällen agiert", analysierte Werder-Stürmer Markus
       Rosenberg, dem ansonsten nicht viel gelang, richtig. "Wenn wir versucht
       haben zu spielen, hatten wir viel zu einfache Ballverluste und sind in
       Konter gelaufen."
       
       Für die haarsträubendsten Ballverluste waren diesmal François Affolter und
       Philipp Bargfrede verantwortlich. Während man das beim jungen Schweizer
       noch der Unerfahrenheit zurechnen darf, stimmt die Leistung von Bargfrede
       bedenklicher. Seine Fehlpassquote ist gerade auf der Position des
       "Sechsers", von wo die wichtigsten Impulse für den Spielaufbau ausgehen,
       schwer zu verkraften.
       
       Auch dem Ersatzkandidaten für diese Rolle, Aleksandar Ignjovski, fehlt
       meist der Blick für den Mitspieler. Den haben die Edeltechniker Mehmet
       Ekici und Zlatko Junozovic zwar zu bieten - sie verlieren ihre Bälle dafür
       in der direkten Konfrontation mit dem Gegenspieler. Bei Ekici, der zur
       Halbzeit Marko Marin weichen musste, standen am Ende über 80 Prozent
       verlorenen Zweikämpfe zu Buche.
       
       "Wir müssen daran arbeiten, wieder mehr Klarheit in unsere Aktionen zu
       kriegen", folgerte Werders Trainer Thomas Schaaf aus dem, was er gesehen
       hatte. Da mit Claudio Pizarro diesmal derjenige fehlte, der eine mäßige
       Leistung mit grandiosen Einzelaktionen noch hätte kaschieren können, trat
       zumindest die Wahrheit über den tatsächlichen Leistungsstand deutlich
       hervor: Werder verfügt über eine Mannschaft im Umbruch, in der vieles
       holpert und stolpert, die aber immerhin so viel Moral und Potenzial
       besitzt, noch in der Schlussminute zurückzuschlagen wie diesmal durch den
       Ausgleichstreffer durch Marko Arnautovic.
       
       Diese Eigenschaften könnten bei der Schwäche der Konkurrenten für einen
       Platz zwischen fünf und sieben reichen - damit würde sich Werder für die
       Europa-League qualifizieren. Jeder Blick auf die Champions-League-Plätze
       ist in diesem und wahrscheinlich auch im nächsten Jahr allerdings
       illusorisch.
       
       Das sehen Teile des Bremer Publikums offenbar anders, sonst hätten sie ihre
       Mannschaft nicht zur Halbzeit ausgepfiffen. "Ich bin etwas erschrocken,
       welche Erwartungen hier herrschen", sagte Werders Sportdirektor Klaus
       Allofs. Das Spiel dürfte geholfen haben, die Erwartungen auf ein
       realistisches Maß zurechtzustutzen. Auch wenn die langen Kerls Prödl und
       Naldo bald wieder zur Verfügung stehen.
       
       12 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Lorenzen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA