# taz.de -- Geburtstourismus in Hongkong: Eine Entbindung, zwei Systeme
       
       > Viele schwangere Chinesinnen reisen zur Entbindung nach Hongkong. Dort
       > will man das begrenzen. Dabei dürfen Schwangere eh nur bis zur 28. Woche
       > einreisen.
       
 (IMG) Bild: Viele chinesische Mütter bevorzugen eine Entbindung in Hongkong.
       
       BERLIN taz | Immer mehr Chinesinnen reisen zur Entbindung ins autonome
       Hongkong. Denn dort geborene Kinder haben Anspruch auf einen Hongkonger
       Pass, der mehr Freiheiten bietet. Auch gilt Chinas Einkindpolitik nicht.
       Seit Hongkongs Oberstes Gericht 2001 entschied, dass in der Stadt geborene
       Kinder auch dann einen Hongkonger Pass bekommen, wenn ihre Eltern kein
       Aufenthaltsrecht haben, stieg die Zahl dortiger Entbindungen chinesischer
       Mütter von 620 auf 33.500 im Jahr 2010 an. Damit machten sie mehr als ein
       Drittel der insgesamt 88.584 Geburten in dem Jahr aus.
       
       Laut Hongkongs South China Morning Post wurden seit Rückgabe der früheren
       Kronkolonie an China 1997 in der 7-Millionen-Einwohnerstadt 167.000 Kinder
       von Müttern vom Festland geboren. Damit hätten bis zu 1,67 Millionen
       Festlandschinesen Anspruch auf Wohnrecht in Hongkong.
       
       Die chinesische Sonderzone, die sich nach dem Prinzip "ein Land - zwei
       Systeme" bis 2047 selbst verwalten darf, hat zwar eine der niedrigsten
       Geburtenraten der Welt. Doch kommt die Geburtshilfe vom Festland nicht gut
       an.
       
       Seit Jahren versuchen die Behörden, die Einreise schwangerer Chinesinnen zu
       begrenzen. Legal dürfen Chinesen für sieben Tage kommen. 2011 kamen 28
       Millionen. Doch Schwangere dürfen längst nur noch bis zur 28. Woche
       einreisen. Danach müssen sie einen Vertrag mit einer lokalen Geburtsklinik
       vorweisen.
       
       ## Viele Schwangere tauchen bis zur Geburt unter
       
       Da Schwangere nicht auf die letzte Minute kommen wollen, tauchen bis zur
       Entbindung viele Schwangere unter. Beiderseits der Grenze ist so eine
       illegale Geburtstourismus-Infrastruktur entstanden, die von Agenturen samt
       Schleppern bis zu illegalen Pensionen reicht.
       
       Viele Hongkonger oder ihre Vorfahren stammen selbst vom Festland. Doch
       fürchten sie neben einer Überlastung der Sozialdienste eine zunehmende Enge
       in der Stadt, die heute schon astronomische Mieten und Immobilienpreise
       hat. Vor allem fürchten sie, selbst kein freies Krankenhausbett mehr zu
       finden, sollten sie eins brauchen.
       
       Deshalb hat die Stadt inzwischen eine Entbindungsquote für
       Festlandschinesinnen: 31.000 in Privatkliniken, 3.400 in städtischen
       Kliniken. Doch diese Quote soll 2011 bereits um mehr als 10.000
       überschritten worden sein. Laut Medienberichten sind die Geburtskliniken
       jetzt bereits bis September ausgebucht.
       
       ## Letzter Ausweg: Geburt in der Notaufnahme
       
       Deshalb tauchen immer mehr Festlandschinesinnen zur Entbindung in den
       Notaufnahmen auf. 2011 gab es dort einen Anstieg auf 1.757 Fälle gegenüber
       796 im Vorjahr.
       
       In Hongkong trifft der Geburtstourismus einen empfindlichen Nerv, weil es
       auch um die lokale Identität geht. Früher haben Hongkonger auf ihre ärmeren
       und weniger gebildeten Brüder und Schwestern jenseits der Grenze
       hinabgeblickt.
       
       Jetzt erleben sie diese zunehmend als neue Kolonialherren, die in Hongkong
       kaufen, was ihnen gefällt. Das reicht von rund 8.000 Euro teuren Plätzen in
       einer Geburtsklinik bis zu Luxusimmobilien, die sich fast nur noch
       Festlandschinesen leisten können.
       
       Schon gab es mehrfach Proteste gegen Festlandschinesen. Plakate zeigten
       schwangere Chinesinnen, die durchgestrichen sind. Eine ganzseitige
       Zeitungsannonce stellte Festlandschinesen als Heuschrecken dar.
       
       Eine Luxusmodekette wurde per Boykottaufruf zu einer Entschuldigung
       gezwungen, ^nachdem sie lokalen Kunden das Fotografieren verboten hatte,
       das bei neureichen Touristen vom Festland aber nicht anstößig fand.
       
       Inzwischen reagieren auch Chinesen jenseits der Grenze. Nachdem ein
       YouTube-Video den verbalen Streit zwischen Honkonger U-Bahn-Fahrern und
       einer chinesischen Touristin zeigte, nannte ein Professor der Peking
       Universität Hongkonger in einer Talkshow "Bastarde" und "Hunde des
       Imperialismus". Postings in sozialen Netzwerken drohten, der undankbaren
       Stadt das Trinkwasser abzustellen.
       
       Weil in Hongkong dieses Jahr Wahlen sind, ist der Geburtstourismus auch ein
       politisches Thema. Eine Änderung der Hongkonger Verfassung könnte das
       Aufenthaltsrecht in der Stadt geborener Kinder von Festlandschinesen
       einschränken. Doch Verfassungsänderungen bedürfen Pekings Zustimmung.
       
       14 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sven Hansen
       
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