# taz.de -- Neue Produktlinie "Lego friends": Lego für brave Mädchen
       
       > Mit Traumhaus, Cabrio und Schönheitssalon macht Lego was für Mädchen.
       > Damit diese sich früh an ihre Rolle als Attribut gewöhnen. Wo bleibt
       > "Lego sucht den Superstar"?
       
 (IMG) Bild: Das Mädchenkonzept "Friends" von Lego: Kinder spielen nach, was man ihnen vorlebt. Au weia.
       
       Die gute Nachricht zuerst: In der neuen Welt können Mädchen den Jungs auf
       den Kopf spucken - in der neuen Lego-Welt. Die dänische Firma bringt jetzt
       nämlich eine spezielle Produktlinie auf den Markt: die "Lego Friends".
       Obwohl das englische Wort "friends" geschlechtsneutral ist, handelt es sich
       dabei ausschließlich um Freundinnen. Sie hätte es auch "chicks" nennen
       können - "Chick" kann alles sein zwischen Küken, Tussi und Mieze.
       
       Die Figuren ähneln nicht mehr den klassischen Legomännchen mit den gelben
       Köpfen, sie sind nicht mehr klobig und klotzig, sondern haben Rundungen,
       große, aufgerissene Augen, solche wie Manga-Mädchen, kleine Nasen und
       pinkfarbene Lippen - und sie sind eben ein bisschen größer, damit man sie
       mit allerlei Schnickschnack verschönern kann. Sie passen noch immer auf die
       Steine, doch kombiniert man sie mit den kleinen Gelbgesichtern, dann ragen
       sie ihnen über den Kopf. Das ist jedoch schon der einzige Aspekt, wo die
       echte Welt auf den Kopf gestellt ist.
       
       Nun die schlechte Nachricht: Alles ist so, wie es auch sonst beim
       Mädchenspielzeug ist: süß, rosa und putzig. Mia, Emma, Andrea, Stephanie
       und Olivia tragen Kleider und Unterhemdchen, die Haare kann man zwar immer
       noch nicht schneiden und frisieren, aber man kann ihnen Blumen ins Haar
       stecken und die Figuren mit Accessoires verzieren. Die fünf Mädchen haben
       ihr Traumhaus, sie amüsieren sich im Schönheitssalon und fahren Cabrio -
       Dinge, die man aus rosa und lila Steinen zusammenbauen muss.
       
       Fairerweise sollte man erwähnen, dass Olivia eine Werkstatt hat und gerne
       Dinge erfindet. Sie ist die Emanzipierteste in der Clique. "Das Lego
       Friends Set geht genau auf die Bedürfnisse von Mädchen ein und schafft eine
       realistische Welt", steht im Pressetext. Aha. Mädchen wollen also eine
       Gossip-Girl-Wohngemeinschaft und hängen nur im Café der Freundin ab, in dem
       die nur jobbt, weil sie auf eine Karriere als Sängerin hofft. Vielleicht
       gibt es nach dem "Friends Set" bald auch den "Lego sucht den
       Superstar"-Kasten.
       
       ## Kinder lieben die klischeehafte Mädchendarstellung
       
       Die noch schlechtere Nachricht: Eine gänzlich unrepräsentative Umfrage im
       Freundeskreis hat ergeben, dass die Eltern diese klischeehafte
       Mädchendarstellung zwar nicht unbedingt gutheißen, die Kinder sie aber
       lieben. Hätte man sich auch denken können, immerhin hat Lego das Konzept
       vier Jahre lang erforscht - und zwar an Mädchen.
       
       "Bei Mädchen im Grundschulalter stehen die Freundinnen im Mittelpunkt",
       sagt Katharina Sutch, Pressesprecherin bei Lego. Nun ja, könnte man
       einwenden, bei Jungs stehen auch Freunde im Mittelpunkt. Aber Sutch
       konkretisiert: Bei Jungs sei es Freundschaft an sich, bei Mädchen seien es
       die beste Freundin und all die Dinge, die man mit ihr tun kann. Mädchen
       möchten ihren Alltag nachspielen, seien detailverliebt und bräuchten
       weniger Action als Jungs. Was aber Mädchen ebenso wie Jungs wollen, sei:
       die eigene Spielwelt bauen. Das klassische "Einen Stein auf den anderen
       setzen" bleibt deshalb auch bei Friends erhalten.
       
       Mal ehrlich: Lego ist schon seit Jahrzehnten nicht mehr geschlechtsneutral.
       Würde man nur einen Haufen Steine haben, dann könnte man es noch so deuten,
       aber mit all den Ritterburgen, Raumschiffen und Techniksätzen hat sich die
       Firma auf die Vorlieben des männlichen Teils der Bevölkerung konzentriert.
       Mädchen können damit auch spielen, aber Jungs können ja auch mit den
       "Friends" spielen.
       
       Die dänische Firma versucht seit Jahren in den Markt für Mädchenspielzeug
       zu kommen. In den neunziger Jahren versuchte sie es mit "Scala", einer
       Serie mit Puppenhäusern, davor war "Paradiso" mit paradiesischen Locations,
       später kam "Clickets", Sets mit Steinen, aus denen die Kleinen sich Schmuck
       bauen konnten. Alles wurde wieder eingestellt. "Clickets kam auf dem
       angelsächsischen Markt nicht gut an", sagt Sutch, "weil es zu viel zu
       basteln war. Besonders die Amerikaner wollen schnell zum Spielen kommen."
       Die einzige Linie, die Bestand hatte, war "Belville", womit man
       Prinzessinnengeschichten mit Schlössern und Pferden nachspielen konnte. Nun
       treten also die fünf Freundinnen an, die Herzen der Mädchen zu erobern.
       
       ## Leichte Präferenz von Rottönen
       
       Petra Focks lehrt an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und
       hat ein Buch über geschlechtsbewusste Pädagogik geschrieben.
       "Geschlechtsspezifisches Spielzeug schränkt Entfaltungsmöglichkeiten ein
       und reduziert das Potenzial der Kinder", sagt sie. Kinder spielen, um sich
       auf das Leben als Erwachsener vorzubereiten, um Handlungsweisen zu lernen,
       die sie später brauchen können, um zu überleben. Aus der Primatenforschung
       wisse man zwar, dass es bei Weibchen eine leichte Präferenz von Rottönen
       gebe und beim Spielen eine deutliche Bevorzugung von Beziehungsthemen.
       Männchen hingegen bevorzugen Spiele, bei denen es um Konkurrenz und
       Bewegung gehe.
       
       Aber ist es noch zeitgemäß, diese biologischen Grundlagen zu verstärken?
       Immerhin sind wir schon vor Jahrmillionen von den Bäumen
       heruntergeklettert, Männer heiraten Männer und ziehen Kinder groß, Frauen
       gewinnen Nobelpreise, Männer sitzen im Schönheitssalon und Frauen schuften
       auf dem Bau. All das sind Ausnahmen, kann man argumentieren. Aber
       Entwicklung beginnt eben mit Ausnahmen, die irgendwann zur Normalität
       werden.
       
       "Unsere Gesellschaft ist zweigeschlechtlich", sagt Focks, "wie Kinder damit
       umgehen, hängt jedoch davon ab, wie wir Erwachsenen sie bei der Entwicklung
       ihrer Geschlechtsidentitäten begleiten." Kinder spielen nach, was man ihnen
       vorlebt - mit geschlechtsneutralem Spielzeug hätten sie zumindest die
       Chance, ihre Welt zu verändern. "So gesehen ist ein solches Spielzeug ein
       Rückschritt", sagt Focks. Denn unsere Gesellschaft ändere sich immens
       schnell - woher sollen wir heute wissen, welche Handlungsweisen für unsere
       Kinder später wichtig werden?
       
       Nein, wir können es nicht voraussehen, aber wir könnten unseren Kindern die
       Möglichkeit geben, alle Varianten durchzuspielen.
       
       18 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pia Volk
       
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