# taz.de -- Reeves & Kenneally über "Side by Side": "Das ist das Ende des Mediums Film"
       
       > "Side by Side" von Keanu Reeves als Produzent und Christopher Kenneally
       > als Regisseur zeigt den Übergang vom Zelluloid- zum Digitalkino. Sie sind
       > naiv herangegangen, sagen sie.
       
 (IMG) Bild: Stehen wir vor dem Ende des Filmemachens auf Zelluloid? Keanu Revves auf der Suche nach Antworten.
       
       taz: Herr Reeves, Herr Kenneally, was war der Auslöser, "Side by Side" zu
       drehen? 
       
       Keanu Reeves: Der ausschlaggebende Impuls für mich war das Gefühl, auf dem
       Gebiet des Filmemachens an eine Weggabelung gelangt zu sein. An einen
       Punkt, an dem mehr und mehr digitale Bilder im Umlauf sind - nicht nur in
       der Werbung und im Fernsehen, sondern auch im Hollywood-Kino. Für mich
       stand plötzlich die eine große Frage im Raum: Stehen wir vor dem Ende des
       Filmemachens auf Zelluloid?
       
       Christopher Kenneally: Die Bildqualität des digitalen Kinos hat
       mittlerweile zu der von Film aufgeschlossen. Vor ein paar Jahren war es
       noch so, dass man, wenn man die Möglichkeit hatte, auf Film zu drehen, das
       in der Regel auch getan hat. Jetzt sieht man plötzlich immer mehr
       Filmemacher, die sich tatsächlich bewusst dafür entscheiden, digital zu
       drehen. Das ist eine erstaunliche Entwicklung. Und so haben wir beide
       angefangen, oft darüber zu diskutieren und irgendwann sagte Keanu zu mir …
       
       Reeves: … lass uns einen Film machen.
       
       Sie haben das Konzept von "Side by Side" gemeinsam entwickelt? 
       
       Kenneally: Vor ein paar Jahren haben wir gemeinsam an "Henrys Crime"
       gearbeitet - Keanu war Produzent und Hauptdarsteller, ich war für die
       Postproduktion zuständig. Während der Arbeit kamen diese Gespräche immer
       wieder auf, ohne dass wir groß darüber nachgedacht hätten.
       
       Reeves: Es hat sich alles sehr natürlich ergeben.
       
       Kenneally: Und irgendwann haben wir dann einfach eine Kamera in die Hand
       genommen und angefangen zu filmen.
       
       In "Side by Side" kommen Regisseure wie Martin Scorsese, David Lynch oder
       Steven Soderbergh ebenso zu Wort wie der Kameramann Anthony Dod Mantle, der
       mit einer Digitalkamera den Look von Thomas Vinterbergs "Das Fest"
       kreierte. Wussten Sie schon im Vorfeld, wen Sie interviewen möchten? 
       
       Kenneally: Wir hatten eine Liste mit Namen, die sich allerdings ständig
       verändert hat, weil uns unsere jeweiligen Gesprächspartner immer wieder
       neue Namen von Leuten genannt haben, mit denen wir uns unbedingt
       unterhalten sollten.
       
       Reeves: Ein Mitarbeiter von Technicolor in New York gab uns dann den Tipp,
       auf das "Camerimage"-Festival nach Polen zu fahren, wo man viele
       Kameraleute treffen könne.
       
       Kenneally: Als wir dort angekommen sind, haben wir uns einfach die
       Kameraleute auf den Gängen des Festivalgeländes geschnappt und sie gefragt,
       ob wir sie interviewen dürfen.
       
       Wie waren die Reaktionen? 
       
       Kenneally: Bei vielen hatten wir das Gefühl, dass sie schon länger darauf
       gewartet hatten, dass jemand sie zu diesem Thema befragt.
       
       Reeves: Wir sind mit einer gewissen Naivität an die Sache herangegangen.
       Ich denke, dass man das auch merkt, wenn man sich den Film anschaut. Aber
       gerade dadurch haben wir unsere Gesprächspartner zum Reden gebracht.
       
       Halten Sie den Wandel, den Sie in "Side by Side" dokumentieren, für einen
       Paradigmenwechsel auf dem Gebiet des Filmemachens? 
       
       Kenneally: Ich denke, für den Zuschauer sind die Veränderungen oft nicht
       unbedingt so augenfällig. Dass man eine Geschichte auf eine packende Art
       und Weise erzählen muss, daran hat sich ja nichts geändert. Der Workflow
       hinter den Kulissen aber, der verändert sich gerade immens. Genauso wie die
       Arbeit am Set. Aber bezogen auf die Geschichten selbst bin ich nicht so
       sicher. Wobei, "Avatar" oder "Sin City", das sind Filme, die es ohne die
       Digitaltechnik natürlich nicht gegeben hätte.
       
       Reeves: Für mich liegt die größte Veränderung nicht in den sich wandelnden
       kreativen Abläufen, sondern schlichtweg darin, dass etwas zu Ende geht: Wir
       erleben das Ende des Mediums Film. Das ist der ganz große Einschnitt. Der
       Prozess des Filmemachens selbst ist relativ konstant.
       
       Abgesehen von Lena Dunham, deren Film "Tiny Furniture" 2010 ein
       Überraschungserfolg in den US-amerikanischen Arthouse-Kinos war, kommen in
       "Side by Side" kaum Lowbudgetfilmer vor. Dabei bieten doch die günstigen
       DSLR-Foto-Kameras gerade ihnen ganz neue Möglichkeiten. 
       
       Reeves: Ich finde, dass die Möglichkeiten, die sich Independent-Filmern
       durch das digitale Filmemachen eröffnen, im Film durchaus auf
       unterschiedlichen Ebenen angesprochen werden. Auch Richard Linklater
       spricht ja davon, dass ihm die digitale Filmtechnik die Chance gegeben hat,
       etwas zu tun, was vorher nicht möglich gewesen wäre.
       
       Kenneally: Das Tolle am digitalen Filmemachen ist doch, dass mit ihm eine
       Demokratisierung einhergeht: Menschen, die zuvor aus finanziellen Gründen
       vom Filmemachen ausgeschlossen waren, können nun auf sehr günstige Weise
       drehen. Mehr Menschen haben die Möglichkeit, filmisch Geschichten zu
       erzählen. Dadurch werden sehr viel mehr gute Filme entstehen - aber
       natürlich auch sehr viel mehr schlechte.
       
       19 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Resch
       
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