# taz.de -- Public Viewing zum Wulff-Rücktritt: "Viel zu viel Schaden angerichtet"
       
       > Auch in der Kuppel des Reichstags lief Wulffs Rücktrittsrede: Wie
       > Besucher des politischen Berlin aus dem In- und Ausland reagierten.
       
 (IMG) Bild: Besucher in der Reichstagskuppel.
       
       Sie haben sich angemeldet, um an den Ort zu gelangen, von dem aus man den
       besten Überblick über das politische Berlin hat: die Kuppel des
       Reichstages. Sie haben ihren Ausweis vorgezeigt und ihr Gepäck
       durchleuchten lassen. Am Tag, an dem der Bundespräsident zurücktritt, sind
       die Abgeordneten in ihren Wahlkreisen, so sind nur sie im Parlament
       unterwegs: die Besucher.
       
       Sie erfahren etwas über das Gebäude, seine Geschichte, den Bundestag. Auf
       einem Tisch steht ein Fernseher, es läuft ARD, man sieht Christian Wulff,
       der gerade seinen Rücktritt verkündet. Keiner schaut zu.
       
       Wolfgang Müller, graue Haare, roter Schal, ist Chirurg in Berlin. Zusammen
       mit zwei Dutzend Kolleginnen und Kollegen der Vivantes-Kliniken ist er auf
       Betriebsausflug hier. "Wulff konnte einfach nicht anders", sagt Müller.
       Eigentlich finde er selbst den Rücktritt nicht gut, das Amt verdiene so
       einen Abgang nicht. "Aber wäre Wulff noch länger geblieben, hätte er noch
       mehr Schaden angerichtet."
       
       Eine andere der Gruppen, die durch den Reichstag geschleust werden, sitzt
       auf der Tribüne über dem leeren Plenarsaal; hier wurde Wulff vor 20 Monaten
       von der Bundesversammlung gewählt. Den Ort, an dem er zurücktrat, kann man
       sehen, wenn man in der Kuppel eine Stück den Wendelgang hinaufgeht.
       
       Die meisten Besucher haben dabei einen Kopfhörer am Ohr, in zehn Sprachen
       gibt es den Audioguide. Sie lernen, dass das Gebäude mit dem markant
       gewellten Dach, das Haus der Kulturen der Welt, früher eine Kongresshalle
       war. "Der deutsche Präsident ist zurückgetreten? Aha", sagt ein Tourist aus
       Dänemark. "Heute?", fragt ein Österreicher, der mit Freunden für ein paar
       Tage aus Salzburg angereist ist. Natürlich habe man von den Skandalen auch
       im Nachbarland viel mitbekommen, aber dort habe man auch eigene Sorgen.
       
       ## Ein Ort, an dem Transparenz herrschen soll
       
       Drei Jungs aus Oxford, 16, 17 Jahre alt, tippen auf ihren Blackberrys
       herum. Ein zurückgetretener deutscher Präsident bewegt sie nicht besonders.
       Bei ihrem Lehrer sieht das anders aus. Sholto Kerr, Anfang 40, Regenjacke
       über dem Strickpullover, ist schließlich ihr Deutschlehrer und er hat auch
       für ein paar Jahre in Deutschland gelebt. "Wulff hätte wegen dieses
       Skandals längst Konsequenzen ziehen müssen", sagt er.
       
       So denken viele, die an diesem Freitag den Reichstag besuchen, den Ort, der
       wie kein anderer für die Demokratie in Deutschland steht. Ein Ort, an dem
       Transparenz herrschen soll, das zeigt schon die Architektur. Diese
       Eigenschaft gehört sicherlich nicht zu Wulffs Stärken.
       
       "Total verunsichert" sei sie, sagt Barbara Mahnkopf. "Ich weiß gar nicht
       mehr, wem man noch trauen kann." Sie ist mit ihrem Mann hier, bis vor
       Kurzem hat der in einem großen Konzern gearbeitet, jetzt ist er in Rente.
       Braun gebrannt sind beide, elegang gekleidet, sie kommen aus Hannover. Dort
       bekommen sie auch von dem Klüngel viel mit, der nun Wulff zum Verhängnis
       wurde, erzählen sie.
       
       Der Arzt Wolfgang Müller und seine Kollegen haben den Reichstag beendet,
       jetzt ist das Kanzleramt an der Reihe. Während Bundeskanzlerin Angela
       Merkel dort nun einen Nachfolger für Wullf suchen muss, zeigt sich oben in
       der Kuppel, dass ein menschlicher Reiseführer einem Audioguide überlegen
       ist. Aus aktuellem Anlass deutet der Reiseführer in Richtung Südwesten auf
       den Gasometer in Schöneberg. "Wenn Wulff und die Nachfolgefrage am Sonntag
       bei Günther Jauch Thema werden", sagt er, "dann wird es aus diesem Gebäude
       gesendet, das aussieht wie ein Papierkorb."
       
       17 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Erb
       
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