# taz.de -- Occupy London vor der Räumung: Die Bewegung ist in Bewegung
       
       > Die Occupy-Protestler vor der St-Pauls-Kathedrale in London müssen die
       > Zelte abbrechen. Nun verlagern sie ihre Aktivitäten in andere Stadtteile.
       > Auch ohne Zelte.
       
 (IMG) Bild: Die Occupy-Camper in London suchen sich neue Plätze und Protestformen.
       
       LONDON taz | Noch lehnt das Schild an einem Pfeiler und verkündet:
       "Willkommen zur längsten Occupy-Besetzung der Welt!" Anfangs zählte es die
       Tage, dann die Monate, bald ist es Vergangenheit. Die Besetzer auf dem
       Vorplatz der Londoner Kathedrale St Pauls warten auf Gerichtsvollzieher
       samt Räumkommando. Diese Woche hat "Occupy LSX" - LSX steht für die
       Londoner Börse - vor Gericht endgültig verloren. Die City of London
       Corporation, Verwaltung des Londoner Finanzdistrikts, kann die Räumung
       jetzt jederzeit durchsetzen.
       
       Am Donnerstag haben die Besetzer angefangen, die ersten der noch 110 Zelte
       abzubrechen. Die große Küche und die Technik sind einen Kilometer
       nordöstlich auf den Finsbury Square umgezogen. Dort steht seit Ende Oktober
       ein zweites Camp, jedoch ohne den symbolischen Hintergrund von Börse,
       Finanzdistrikt und St Pauls und abseits der Pfade der Touristen.
       
       Bei anderen Besetzungen würden sich jetzt die Fragen stellen: Wer baut die
       Barrikaden? Wer kettet sich fest? Wer zementiert sich ein? Aber die Frage
       in London ist nur: Wann und wo treffen wir uns wieder, um weiterzumachen?
       
       Ragnhild Freng Dale steht oben auf den Stufen zum Portal neben einer Säule.
       Die abendliche Occupy-Generalversammlung ist gerade zu Ende gegangen. Es
       ist dunkel, es nieselt. "Wir haben getan, was wir konnten, und eben
       verloren", sagt sie. Die Norwegerin steckt im letzten Jahr ihres Bachelors,
       im Mai sind Abschlussprüfungen. Widerstand leisten oder auch nur die Nacht
       hier bleiben, um sich dann womöglich morgens um 4 Uhr von der Polizei aus
       dem Zelt tragen zu lassen - "ich glaube die Bewegung hat mehr von mir, wenn
       ich gesund bleibe und meinen Abschluss mache", sagt sie.
       
       Seit dem ersten Tag, dem 15. Oktober, ist Dale dabei. Leute, die sie vorher
       gar nicht kannte, seien jetzt die wichtigsten in ihrem Leben. Innerhalb der
       vier Monate sei die Bewegung nomadisch geworden. "Es ist okay, wenn wir
       jetzt weiterziehen, vielleicht sogar ohne Zelte."
       
       ## Camp über sich hinausgewachsen
       
       Einige Besetzer zog es gleich von Anfang an immer wieder weg aus den
       ursprünglichen Zelten. Im Oktober war das zweite Camp auf dem Finsbury
       Square entstanden. Im November übernahmen Aktivisten ein leerstehendes
       Bürogebäude der Schweizer Bank UBS. Es wurde die "Bank of Ideas" und
       beherbergte Konferenzen, Familien und Leute, denen es in den Zelten zu kalt
       wurde.
       
       Als Nächstes brachen die Aktivisten ein leerstehendes Gerichtsgebäude in
       Shoreditch auf. Dort sollten Banker und andere Finanzverbrecher symbolisch
       verurteilt werden. Vor zwei Wochen eröffnete eine "School of Ideas" auch im
       Stadtteil Islington. Dort gibt es Kurse in Politik und Globalisierung;
       vergangene Woche gab die Sängerin Kate Nash einen Workshop.
       
       So ist die Besetzung schon seit Monaten über das Camp an der Kathedrale
       hinausgewachsen. Ist die Bewegung jetzt groß genug, um ohne das
       symbolträchtige Camp weiterzumachen? "Tief in mir glaube ich, dass wir das
       positiv für uns nutzen können", sagt Kai Wargalla, "das wird noch ein gutes
       Jahr!" Die Deutsche kam für ein Austauschjahr nach London. Sie hat die
       Bewegung in London begleitet. Im November gab sie ihre Wohnung auf und
       wohnt seitdem im Camp. "Die Arbeitsweise wird sich ändern müssen", sagt
       sie.
       
       Auch nach der Räumung werden sich die Besetzer weiter vor St Pauls treffen.
       Jeden Freitag gibt es dann eine "fliegende Generalversammlung" an
       verschiedenen Orten in London. Von Mai an wird die Bewegung jeweils für
       drei Wochen einen andern Stadtteil Londons dauerhaft besuchen, um dort
       Anhänger zu sammeln. Auch die nächsten großen Demonstrationen sind für Mai
       geplant. Andere Aktivisten gehen in Schulen in England und besetzen den
       Staatsbürgerkunde-Unterricht. Occupy in London hat genug Initiativen
       aufgebaut und genug Unterstützer gesammelt, um sich vom Camp von St Pauls
       trennen zu können.
       
       24 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Johannes Himmelreich
       
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