# taz.de -- Programm gegen Linksextremismus: Extrem teuer, extrem erfolglos
       
       > In einem Zwischenbericht lässt das Deutsche Jugendinstitut kein gutes
       > Haar an Schröders Programm gegen Linksextremismus. Kritik kommt auch von
       > anderer Seite.
       
 (IMG) Bild: Der Stereotyp des Linksextremen: Schwarz vermummt und mit Stein in der Hand (1. Mai 2009 in Berlin).
       
       BERLIN taz | Kristina Schröder hebt die Stimme. "Sie, liebe Genossinnen und
       Genossen", ruft sie den Abgeordneten von SPD und Linkspartei zu, "wollen
       diese Pionierarbeit aus ideologischen Gründen plattmachen." Und damit die
       Leistung "innovativer Projekte".
       
       So wie bei dieser Bundestagsdebatte vor einigen Wochen reagiert
       Familienministerin Kristina Schröder (CDU) gerne, wenn die Opposition ihr
       Lieblingsprojekt kritisiert: die 2010 gestartete Initiative Demokratie
       stärken gegen Linksextremismus und Islamismus. Bisher wischte die
       Ministerin noch jede Kritik als notorische Nörgelei linker Betonköpfe
       beiseite.
       
       Doch nun übt auch das renommierte Deutsche Jugendinstitut (DJI) in München,
       zuständig für die Evaluation des Programms, in einem Zwischenbericht
       scharfe Kritik, und das vor allem an den Projekten gegen Linksextremismus.
       Verständlich, dass Schröders Ministerium den Bericht unter Verschluss hält.
       Denn von "innovativer Pionierarbeit" hat das Programm im Fazit der
       Wissenschaftler gar nichts.
       
       Der mehr als 100-seitige "Ergebnisbericht der wissenschaftlichen
       Begleitung" liegt der taz vor. Darin moniert das DJI "die fehlende Klärung
       des Phänomens aus sozialwissenschaftlicher Perspektive" und "ein Defizit an
       verlässlichen Informationen" zum Thema "Linksextremismus".
       
       ## Gewagtes Programm
       
       Auf dieser Grundlage überhaupt ein Präventionsprogramm zu starten,
       erscheint zumindest gewagt. Und so schlussfolgern denn auch die
       DJI-Experten: "Aufgrund der mangelnden Erforschung des Gegenstands und der
       wenigen verlässlichen Daten über die potenzielle Zielgruppe haben viele
       Projekte Schwierigkeiten, sich im Themenfeld zu orientieren und adäquate
       pädagogische Konzepte zu entwickeln." Harscher kann Kritik von
       Wissenschaftlern kaum ausfallen.
       
       Das ist unangenehm für Kristina Schröder. Lange bevor die CDU-Politikerin
       Ministerin wurde, forderte sie, neben dem Rechts- auch den Linksextremisten
       stärker zu bekämpfen. Den "blinden Hass" extremistischer Linker dürfe man
       "nicht aus ideologischen Gründen" ausklammern, sagte Schröder bereits 2006.
       Dass das heiß ersehnte Programm der Familienministerin nun ins Schlingern
       gerät, ist mehr als peinlich. Schließlich ist es gelinde gesagt teuer.
       
       ## Erfolge? Dürftig
       
       Rund 2,5 Millionen Euro investiert das Familienministerium inzwischen
       jährlich in die Linksextremismusprävention. Träger der Projekte sind unter
       anderem die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung, die Europäische
       Jugendbildungs- und Begegnungsstätte in Weimar und der Internationale
       Jugendhof Scheersberg an der Ostsee. Die einen organisieren Kongresse,
       andere schulen Schülervertreter, die Nächsten drucken Broschüren für Lehrer
       oder Comics über die autonome Szene. Erfolge? Dürftig.
       
       Überhaupt nicht gut kommt bei den Wissenschaftlern des DJI eine Broschüre
       der Münchner Zeitbild-Stiftung an, die laut Vorwort von Familienministerin
       Schröder "Schülerinnen und Schüler für das Thema Linksextremismus
       sensibilisieren" soll. Darin werde suggeriert, bereits die Äußerung "durch
       radikale Umverteilung müssen soziale Unterschiede beseitigt werden", sei
       linksextremistisch, rügt das DJI. Das verdeutliche "den Bedarf an der
       Erforschung des Gegenstands, seiner möglichen Vorfelder und Ursachen, bevor
       pädagogische Prävention betrieben werden kann".
       
       Von der Opposition und von den Medien war die Zeitbild-Broschüre in den
       vergangenen Wochen schon heftig kritisiert worden. Peinlicher für Schröder
       und ihr Programm war da nur noch die geplante Berlinfahrt "gegen
       Linksextremismus" der Jungen Union Köln – inklusive "Ausflug in das
       Berliner Nachtleben". 
       
       Aber auch seriöse Einrichtungen hatten Probleme, ihre Vorhaben im Rahmen
       von Schröders Präventionsprogramm so umzusetzen wie gedacht. So musste eine
       Hamburger Fachhochschule Interviews in der linksautonomen Szene wieder
       absagen, weil von den Jugendlichen niemand mitmachen wollte, und Studenten
       der FH auf die Barrikaden gegen das Vorhaben gingen.
       
       ## Bisher ein Teilnehmer
       
       Eine anderer renommierter Verein, das Violence Prevention Network (VPN),
       wollte Jugendlichen, die bei Demos oder anderen Events der linksradikalen
       Szene straffällig wurden, Antigewalttainings anbieten. "Die Erfolgsquote in
       diesem Fall ist mit bisher einem Teilnehmer sehr gering", heißt es im
       Bericht des DJI dazu. Der Grund: Bei genauerer Recherche entpuppten sich
       viele der vermeintlich linksextremen Jugendlichen als nicht politisch
       motivierte Gewalttäter.
       
       Die Wissenschaftler vom Deutschen Jugendinstitut gehen in ihrem
       Zwischenbericht sogar so weit, den Begriff "Linksextremismus" insgesamt
       infrage zu stellen. Es deute sich an, dass mit dem Begriff "so
       unterschiedliche Phänomene bezeichnet werden, dass zweifelhaft erscheint,
       inwieweit ,Linksextremismus' im sozialwissenschaftlichen und im
       pädagogischen Bereich einen geeigneten Oberbegriff darstellt".
       
       26 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolf Schmidt
       
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