# taz.de -- Kolumne Das Tuch: Beobachtet
       
       > Von der Jugendarbeit bis zum Fußballabend – wofür sich der
       > Verfassungsschutz so interessiert. Im Zweifel muss man nur ein
       > Schlüsselwort fallen lassen.
       
       Samstagabend in Köln. Auf einer Veranstaltung treffe ich eine Bekannte und
       frage sie nach einer gemeinsamen Freundin. „Wie geht es Ahlam?“, frage ich
       sie. „Welche Ahlam?“ – „Ahlam El Rifai*.“ – „Kenne ich nicht.“ Ich wundere
       mich. „Wir waren doch gemeinsam in Berlin.“ Sie schaut mich stirnrunzelnd
       an, dann klickt es. „Ach, die Ahlam. Die heißt doch anders, El Saad ist ihr
       Nachname.“
       
       Einige Monate später erzähle ich Ahlam von diesem Gespräch. „Wie heißt du
       denn jetzt wirklich?“, frage ich. Ahlam ist klug, sozial sehr engagiert,
       studiert und versucht sich nebenher beruflich zu etablieren.
       
       Einer der Vereine, für den sie arbeitet, ist die Muslimische Jugend
       Deutschland. Ein Verein, der jahrelang, wie sich kürzlich nach
       richterlichem Beschluss herausstellte, zu Unrecht im
       Verfassungsschutzbericht auftauchte. Mit fatalen Folgen für die jungen
       Muslime, die sich dort engagierten: Kündigungen, Job-Absagen und berufliche
       Perspektivlosigkeit.
       
       Ahlam kann und möchte nichts mehr riskieren. Ihr soziales Engagement bei
       der Muslimischen Jugend verschweigt sie bei Bewerbungen. Doch auch bei der
       Internetrecherche eines potenziellen Arbeitgebers darf kein Zusammenhang
       erkennbar sein, deshalb die vielen Namensänderungen auf sozialen
       Netzwerken. „Das tut weh, denn ich bin eigentlich stolz auf meine Arbeit“,
       sagt sie.
       
       „Kommt uns doch mal besuchen“, bitte ich zum Abschied Hamburger Bekannte.
       Seit ich in England lebe, sehe ich sie selten. „Dafür brauchen wir ein
       Visum, wir haben doch einen türkischen Pass“, sagt Ahmed. Ich bin
       überrascht. So Deutschland-orientiert, wie sie sind, hätte ich darauf
       wetten können, dass sie deutsche Staatsbürger sind.
       
       ## Auch Milli Görüs wird beobachtet
       
       Warum sie keinen deutschen Pass beantragen? „Du glaubst doch nicht allen
       Ernstes, dass sie mir einen Pass geben würden!“, sagt Ahmet. „So lange wie
       ich schon Mitglied bei Milli Görüs bin!“ Erzählt von Vereinsfreunden, die
       sich vergeblich um die deutsche Staatsbürgerschaft bemühten. Auch Milli
       Görüs wird vom Verfassungsschutz beobachtet.
       
       Nuray* hält mir ihren Kündigungsbescheid hin. Jahrelang hat sie bei der
       Polizei als Übersetzerin gearbeitet, man war sehr zufrieden mit ihr,
       urplötzlich kam die Kündigung. „Aufgrund der Aktivitäten und Funktionen
       Ihres Ehegatten in dem Verein IGMG (… bestehen) Bedenken gegen eine weitere
       Heranziehung als Dolmetscherin für die Polizei“, steht in dem Brief. Das
       hätte man nach einer „turnusmäßigen Überprüfung“ festgestellt. Nurays Mann
       organisiert Fußballabende für die Islamische Gemeinschaft Milli Görüs
       (IGMG).
       
       Überraschen kann das Muslime in Deutschland nicht mehr. Der
       Verfassungsschutz ist Alltag. Auf Konferenzen werden darum manchmal
       spaßeshalber „Schlüsselwörter“ fallen gelassen. Teilnehmer fragen sich, ob
       sich die Beamten beim Zuhören langweilen, erzählen auch mal Witze, falls
       dem so sein sollte.
       
       Damit diese Kolumne auf dem Weg von meinem Laptop zur Redaktion wirklich
       vom Verfassungsschutz gelesen wird, beende ich sie mit einem Schlüsselwort:
       Bombe.
       
       *Namen von der Redaktion geändert
       
       28 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kübra Gümüsay
       
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