# taz.de -- Fachzeitschrift Intro: Mitspielen im Musikgeschäft
       
       > "Intro" wird 20 Jahre alt. Die Kölner Indiezeitschrift stieg in kurzer
       > Zeit zum größten überregionalen Gratis-Musikmagazin Deutschlands auf.
       
 (IMG) Bild: Kaum subkulturelle Musikvernarrtheit - Fans beim Melt!-Festival der "Intro" im ehemaligen Tagebau Ferropolis.
       
       Die Geschichte des Musikmagazins Intro liest sich geradezu romantisch. Auf
       dem Bauernhof seiner Eltern im niedersächsischen Melle fängt der
       musikfanatische Matthias Hörstmann Anfang der neunziger Jahre an, Intro als
       Fanzine herauszubringen.
       
       Die Nullnummer schafft es immerhin auf 8.000 Exemplare. Der erste Schritt
       der Vergrößerung führt 1995 knapp 25 Kilometer weiter, nach Osnabrück. Dort
       bekommt Intro Redaktionsräume und den ersten Chefredakteur: Stefan
       Glietsch.
       
       Das kostenlose, rein werbefinanzierte Musikmagazin kommt bei den Anhängern
       der subkulturell geprägten Indieszene der neunziger Jahre an. Damals vor
       allem als willkommene Alternative zur Zeitschrift Spex, die noch vor ihrem
       Umzug nach Berlin in einer Krise steckt. Spex wankt nach fast
       zwanzigjährigem Bestehen seiner Insolvenz entgegen, die schließlich 2000
       auch eintritt.
       
       ## Chefredakteur auf Zuruf
       
       Für Intro geht es da erst richtig los. Die Redaktion zieht nach Köln um.
       „Ich rief bei Intro an, um zu fragen, ob sie eine Maxisingle meines Labels
       rezensieren würden“, erinnert sich Thomas Venker, der seither als
       Chefredakteur arbeitet. Statt der Plattenrezension holte man ihn damals
       direkt ins Blatt.
       
       Venker hatte sich als freier Autor und Gründer des Fanzines Harakiri in der
       Indieszene einen Namen gemacht. Viel hat sich getan seitdem, allen Krisen
       der Zwischenzeit – Musikbranche, Medien, Weltwirtschaft – zum Trotz.
       Hörstmann ist nicht mehr nur der musikbesessene Landwirt, sondern steht
       dick im Medien- und Musikgeschäft, als Kopf der
       Hörstmann-Unternehmensgruppe.
       
       Dazu gehören neben Intro unter anderem das Melt! Festival, das Berlin
       Festival, eine Bookingagentur, das Fußballmagazin 11 Freunde, das
       Turnschuhmagazin Sneakerfreaker und das Veranstaltungsblättchen
       Festivalguide. Und Thomas Venker ist nicht mehr „nur“ Chefredakteur des
       Intro, das zwar auch nach wie vor, doch inzwischen ist er auch
       verantwortlich für den gesamten besagten Media-Content-Bereich der
       Hörstmann-Unternehmensgruppe. Intro selbst hat seine Auflage seit den
       Anfängen rasant gesteigert. 140.000 Exemplare liegen in deutschen Städten
       jeden Monat zum Mitnehmen aus – in Melle kriegt man schon seit Jahren kein
       Intro mehr.
       
       ## The bigger, the better?
       
       Vom Zweimannbetrieb zum Großunternehmen. Nun lädt die Zeitschrift zum 20.
       Geburtstag namhafte Indiekünstler wie Maximo Park in Köln und Berlin ein,
       um ihr Jubiläum mit einem Konzert zu feiern. Für Selbstkritik bleibt
       dagegen keine Zeit. The bigger, the better? Thomas Venker jedenfalls
       gefällt’s.
       
       „Heute können wir multimedial an Themen herangehen und schauen, zu welchem
       unserer Formate sie am besten passen. Unsere MitarbeiterInnen arbeiten auf
       unterschiedlichen Gebieten gleichzeitig, zum Beispiel als RedakteurIn für
       Intro und als BookerIn fürs Melt! Festival.“ Ob das auch gut geht, mit
       einem Bein im Musikbusiness und mit dem anderen auf dem vermeintlich
       neutralen, unabhängigen Terrain des Musikjournalismus, steht auf einem
       anderen Blatt.
       
       In seinem Buch „Ignoranz und Inszenierung“ schrieb Venker 2004, die
       Voraussetzung für Musikjournalismus sei ein „kritischer, reflektierender
       Autor“. Aber wie denkt Intro das heute zusammen, Werbefinanzierung,
       Mitspielen im Musikgeschäft, mit kritischem, unabhängigem Journalismus?
       
       ## Abhängigkeiten sind Klischees
       
       Der Chefredakteur sieht da keine Widersprüche. Von Anzeigenopportunismus
       will er schon gar nichts wissen. Das sei immer das Klischee, das einem als
       Umsonst-Magazin begegne, heißt es dann. „Magazine, die was kosten, sind
       auch zu mindestens 85 Prozent von Anzeigen abhängig“, behauptet Venker.
       
       Und wie hängt es zusammen, wenn Deichkind, wie in der Februarausgabe, eine
       große Anzeige im Intro bekommt und ein paar Seiten später positiv über ihre
       kommende Tour berichtet wird? „Wir entscheiden uns für eine Geschichte über
       Deichkind, erst danach ruft die Marketingabteilung bei der Plattenfirma an
       und fragt, ob sie nicht eine Anzeige schalten wollen“, erklärt Venker und
       fügt entschieden hinzu: „Das finde ich nicht unsauber.“
       
       Ohnehin seien Anzeigen aus der Musikbranche heute nur noch „marginal“
       wichtig. „Das war in den Neunzigern ein brisanteres Thema, da ging es den
       Plattenfirmen noch gut“, schätzt Venker. „Damals kamen tatsächlich die
       meisten Anzeigen aus dem Musikbusiness. Heute spielen die keine große Rolle
       mehr. Unsere Anzeigenkunden sind eher Marken, die die Zielgruppe von Intro
       für ihre Produkte spannend finden.“
       
       ## Vermischung von redaktionellen Anteilen mit Werbung
       
       Ein Blick ins Magazin und auf die Website zeigt dann auch eine nicht immer
       unproblematische Vermischung von journalistischer Arbeit und Promotion für
       Markenprodukte – Anzeigen sind optisch kaum von Artikeln abgehoben, der
       Turnschuh-Hersteller Converse hat einen Song produziert, im Artikel dazu
       steht der Link zur Website.
       
       Gang und gäbe heutzutage, vielleicht. Die Indieszene ist längst vom
       Mainstream eingeholt worden, und mit ihm kamen Werbekunden, die mehr
       wollten als eine schnöde Anzeigenseite im Heft.
       
       Auf Indie-Festivals wird man mit Markenprodukten aller Art regelrecht
       beladen, alles unter dem Motto: „Guckt mal, was wir euch hier bieten, und
       ihr müsst nicht mal etwas dafür bezahlen.“ Intro ist, als sich die
       Gelegenheit bot, auf diesen Zug der Eventisierung der (Indie-)Kultur, der
       in den nuller Jahren eine schwindelerregende Geschwindigkeit erlangt hat,
       mit aufgesprungen. Verboten ist das nicht, schon klar. Nur mit
       subkultureller Musikvernarrtheit hat es dann nicht mehr ganz so viel zu
       tun.
       
       29 Feb 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Carla Baum
       
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