# taz.de -- Riesending Weiberwirtschaft: Frau, Frau, Frau!
       
       > Die Genossenschaft „Weiberwirtschaft“ ist das wohl größte Ding der
       > deutschen Frauenbewegung. Hier finden Frauen ideale Bedingungen, um ein
       > Unternehmen zu gründen.
       
 (IMG) Bild: Auch der ehemalige Berliner Bürgermeister besuchte schon die Weiberwirtschaft 1999.
       
       Am Anfang wurden sie belacht, heute gibt es Warteschlangen: Die
       Genossenschaft „Weiberwirtschaft“ ist längst ein Riesenerfolg mit
       Vorbildcharakter, allein in Deutschland gibt es mittlerweile zwölf
       Gründerinnenzentren, in denen gezielt Frauen beim Aufbau einer
       selbstständigen Existenz geholfen wird – das Original in Berlin ist
       allerdings das größte seiner Art in ganz Europa.
       
       „Männer dürfen bei uns arbeiten, ja, aber Frauen sind die Chefs“, erklärt
       Katja von der Bey, Mitglied des Vorstands und Geschäftsführerin. In der
       Wirtschaftsforschung spricht man bereits von einer Feminisierung der
       Existenzgründung: „Früher waren es vor allem Frauen, die sich in prekäre
       Gründungen begaben – im Gesundheits- und Kreativbereich zum Beispiel war
       noch nie viel Geld zu verdienen. Aber heute arbeiten auch viele Männer am
       Existenzminimum.“
       
       Als die „Weiberwirtschaft“ im Jahr 1986 von Westberliner Frauen gegründet
       wurde, ging es vor allem darum, der ungerechten Wirtschaftsförderung der
       öffentlichen Hand entgegenzuwirken: „Die Gründungsförderung war und ist vor
       allem technisch orientiert, auf Männer, die bereit sind, mit der Bahn und
       dem Auto weite Strecken zurückzulegen. Frauen bevorzugen andere
       Wirtschaftszweige, personennahe Dienstleistungen. Sie sind auf
       Laufkundschaft angewiesen und wollen in der Nähe ihres Wohnorts arbeiten –
       ganz einfach, weil sie sich statistisch immer noch häufiger um die Kinder
       kümmern.
       
       ## Gründerzentrum im Kiez
       
       So entstand die Idee: Wir brauchen ein Gründerzentrum im Kiez, seinerzeit
       in Kreuzberg. Der Staat half nicht, also bedurfte es der Selbsthilfe. In
       der Frauenbewegung der Achtziger wurde ja auch viel gejammert, nun sollte
       es um Taten gehen.“ Katja von der Bey selbst hatte in den Achtzigern
       Kunstgeschichte in Westberlin studiert. „Wir dachten damals ja, wir können
       jetzt alles machen; das war und ist aber nicht so: Die Stellen haben dann
       doch immer die Männer bekommen, und noch immer verdienen Frauen weniger.“
       
       Aus der Idee ist heute ein recht großes Ensemble in Berlin-Mitte geworden,
       ein ökologisch sanierter Gewerbehof. 1989 wurde die Genossenschaft
       gegründet, im Jahr 1992 ging es dann richtig los: „Wir kauften ein Haus von
       der Treuhand – und wurden prompt als größenwahnsinnig bezeichnet. Aber wenn
       etwas ’Weiberwirtschaft‘ heißt, dann kann das nicht nur so ein kleines Ding
       sein. Jetzt ist es ein Riesending der Frauenbewegung, das Vermögen der
       Genossenschaft beträgt heute 18,6 Millionen Euro – auch wenn wir noch
       Schulden abbezahlen müssen.“
       
       Die „Weiberwirtschaft“ ist heute ein faszinierendes Konglomerat
       verschiedener Unternehmen: Modellbau für Messen, eine Papierrestauratorin,
       Körpertherapie, Anwaltskanzleien, eine Frauenfahrschule – was es nicht
       alles gibt. Eine der Unternehmerinnen bietet „Trauring-Kurse“ an, Paare
       können bei der Goldschmiedin unter Anleitung ihre eigenen Ringe anfertigen.
       Hinzu kommen Non-Profit-Organisationen wie das Lesbenarchiv „Spinnboden“,
       Cafés und Restaurants und natürlich eine eigene Kita.
       
       All das wird ermöglicht durch die Genossenschaft, die auch kleine
       Gewerberäume zu erschwinglichen Mieten anbietet: „Wir haben zum Beispiel
       ’Milchmädchentarife‘, das heißt, es gibt Räume, die im ersten halben Jahr
       nur 150 Euro brutto warm kosten“, inklusive Nutzung der Infrastruktur, von
       der Kinderbetreung bis zu den Tagungsräumen. Die Frauen können sich beraten
       lassen. Und tauschen sich natürlich auch untereinander aus: Wie geht das
       mit der KSK, der Steuer? Sogar ein Tochterunternehmen ist entstanden, die
       „Gründerinnenzentrale“, die sich um Beratung, Vernetzung und Mentoring
       kümmert.
       
       ## Lila Latzhose
       
       Ob es Ressentiments von jungen Frauen gegenüber der Weiberwirtschaft gibt,
       Stichwort „lila Latzhose“? „Im Gegenteil habe ich den Eindruck, dass das
       System Wirtschaft kritisch hinterfragt und die Idee der Selbsthilfe für
       Jüngere wieder interessant wird. Hier wird auch niemandem eine Corporate
       Identity aufgezwungen. Es muss auch niemand Genossin werden.“ Es gibt
       nunmehr 1.700 von ihnen, ein Anteil kostet 103 Euro, „nicht mehr als eine
       Markenjeans, das war die Idee“, erklärt von der Bey. Hat funktioniert.
       
       3 Mar 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Reichert
       
       ## TAGS
       
 (DIR) tazlab 2012: „Das gute Leben“
       
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